Der 6. Psalm

[833] Domine ne in furore, etc.


Inn der weis, des 147. Psalmen.


1.

Ach, HERR GOT, mich nicht strafe

inn deinem zorn zu scharfe,

züchtig mich nicht im grimm!

Ach HERR, sei mir genädig,

dan ich bin schwach vnd laidig,

wann ich dein zorn vernimm.


2.

Hail mich, O HERR, ganz raine,

dann erschreckt ist mein gbaine

vnd mein Söl ich sehr quöl.

Ach, du HERR, wie so lange,

wie lang last mir sein bange?

wend dich, HERR, rett mein Söl!


3.

Hilf mir durch deine güte,

for lezter Not mich bhüte,

dan man von dir im Tod

Nicht han wird vil gedanken:

wer will im Grab dir danken?

darum beweis mir gnad.


4.

Ich binn von seufzen müde,

mein bett ich schwämm vnd bschütte

mit tränen die ganz nacht,

Mein gstalt verfallt vor traurē,

weil mein Feind auf mich lauren

allenthalben mit macht.


5.

Nun aber, jr mißthäter,

weicht all, dan mein Erretter,

der HERR, mein wainen hört!

Der HERR höret mein stehen,

mein gbet thut er ansehen,

darum von dannen kehrt.[833]


6.

Nun müsen sich je schämen

all mein Feind, vnd sich grämen,

dazu erschrecken sehr,

Sie müsen zu ruck flihen,

plözlich mit schand abzihē,

da zu mir kehrt der HERR.


Quelle:
Philipp Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts, Leipzig 1874, S. 833-834.
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