Am 26. August 1859

[191] Ich denke still zurück

An heut vor sieben Jahren;

Das war das höchste Glück,

Was damals ich erfahren.


Das war das höchste Glück,

Wohl hieß ich's froh willkommen;[191]

Doch hast du's, Herr, zurück

Aus meiner Hand genommen.


Die Blüte, die ich pries,

Die reine, dornenlose,

Sie blüht im Paradies

Nun längst als weiße Rose.


Ach, nimmer den Verlust

Meint' ich zu überstehen;

Die Wund' in meiner Brust

Hast du allein gesehen.


Doch bleibt ein heil'ger Schmerz

Im Staub nicht ewig ranken,

Und heute soll mein Herz

Nicht klagen, sondern danken,


Daß, was so schön und hoch

Mir ward an jenem Tage,

Ich als Erinnrung doch

Stillglänzend in mir trage,


Und daß du mild von ihr,

Bis ich sie wiederfinde,

Ein süßes Abbild mir

Beschert in ihrem Kinde.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 191-192.
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