Im März

[242] Es ist mir eben angetan,

Zwei schöne Augen sahn mich an,

Und in den süßen, feuchten Schein

Blickt' ich zu tief, zu tief hinein.

Mir schwirrt der Kopf, mir glühn die Wangen,

Und nun kommt draußen der Lenz gegangen

Über die Hügel, über den Fluß,

Die Schwalbe zwitschert ihren Gruß,

Die Wolken ziehn, und zwischendrein

Fließet der lichte Sonnenschein,

Und aus dem klar vertieften Blau

Säuselt es linde, weht es lau,

Man meint, die Veilchen sind schon da.

Das ist ein sehnsuchtsvolles Weben,

Ein heimlich Locken und Leben

Allüberall, fern und nah.


Und du, mein Herz, wirst nie gescheit,

Lässest so willig dich verführen,

Öffnest der Sehnsucht Tor und Türen;

Von Liebesfreud und -leid

Singest du Lieder

Und bist so froh, bist ganz so töricht wieder

Als wie in deiner jungen Zeit.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 242.
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