Vierte Szene


[20] Tomyris, Diener, Phraortes.


DIENER.

Der Oberstkämmerer der Königin

Erwartet draussen die..

TOMYRIS.

Er trete ein.


Zu dem eintretenden Phraortes. Diener ab.


Du weisst, weshalb ich dich gerufen habe,

Phraortes. Ehe ich ein Urteil fälle,

Will deine Stimme, deinen Rat ich hören.

PHRAORTES.

Wie alle, hehre Fürstin, hoffe ich,[20]

Dass du das dargebotne Glück ergreifst,

Und Herz und Hand dem Perserkönig schenkst,

Und wenn dir's auch des Herzens Meinung nicht

Als Glück erscheinen lässt, dass dennoch du

Zum Heile und zur Wohlfahrt deines Volkes

Die eignen Neigungen zum Opfer bringst.

TOMYRIS.

Gern opfr' ich alles für des Volkes Glück.

Es kann mir keine Sorge näher liegen

Als das zu meiden was ihm Schaden bringt.

Und weil ich's für das grösste Unglück halte,

Dass Cyrus über es das Szepter führt,

So bin ich fest entschlossen und gewillt,

Die Werbung abzulehnen.

PHRAORTES.

Wie?

Damit glaubst du für unser Glück zu sorgen?

Nein, nimmermehr! Das kann dein Ernst nicht sein,

Erhabene Gebieterin.

TOMYRIS.

Mir däucht

Der Gegenstand zu ernst um drob zu scherzen.

PHRAORTES.

Wenn du den Hass des Mächtigen erregst,

Den Krieg heraufbeschwörest, der verwüstet,

Was jahrelanger Fleiss gepflanzt, gezeugt,

Der Väter, Mütter, Kinder grausam trennt ...

Was ist so Schreckliches an dieser Hochzeit,

Die Glück und Ehre, Glanz und Lust verspricht,

Dass du mit einer unheilvollen Feindschaft

Sie zu vertauschen strebst? Verzeihe mir,

Welch grosses Unglück könnte unserm Volke

Von Persien drohn, wenn dessen Königin,

Ein mächtger Hort, für unser Schicksal bürgt?

TOMYRIS.

Es ist mir leid, Phraortes, herzlich leid,

Da du so oft in harter, schwerer Zeit

Die Bürde meines Amtes hast erleichtert,[21]

Dass diesmal deine Stimme ich nicht hören,

Dass deinem Rate ich nicht folgen kann.

Ich sehe dieses Persers Werbung ganz

Mit andren Augen an als du. Es ist

Sein einzger Zweck, das Volk der Massageten

Mit einzujochen in die grossen Scharen,

Die seinen Ruhmeswagen ziehen müssen.

An meiner Hand liegt diesem Perser nichts.

Ich soll mich schmählich vor die Füsse werfen

Dem ländergierigen Tyrannen, um

Zu seinem Ziel ihm zu verhelfen, soll

Die Fesseln schmieden helfen für mein Volk.

Du kennst der Meder Fürst, der Meder Sitten schlecht,

Wenn du vermeinst, dass eines Weibes Einfluss,

Und wär es auch die Königin, vermöchte

Mit ihrem Willen jemanden zu schützen.

PHRAORTES.

Du denkst zu schlecht vom Könige der Perser.

Ein Held, der sich die halbe Welt errungen

TOMYRIS.

Wird mit der halben nie zufrieden sein.

Schmachvolle Knechtschaft bietest du nur an,

Um vor des Krieges Übel uns zu schützen.

Ein furchtbar Ding ist freilich dieser Krieg,

Es zittert mir das Herz, wenn ich dran denke,

Du hast mir seine Schrecknisse gemalt.

Doch schrecklicher scheint mit die Knechtschaft noch.

Verantwortlich kann ich nicht sein für diese

Schrecknisse. Möge den der Himmel strafen,

Der aus Mordlust und schnöder Ländergier

Die wilde Furie entfesseln wird.

Und ist denn unser Volk so schwach und schlecht,

Unfähig jeden Widerstand zu leisten?

Ich glaube, oft schon hat es sich bewiesen,

Es wird der Väter Herd, der Väter Auen,

Der Väter Königshaus zu schützen wissen.[22]

PHRAORTES.

Ich kenne unsres Volkes Tapferkeit;

Doch unermesslich sind der Perser Scharen

Und unerschöpflich fliessen ihre Quellen,

Indes die unsren bald versiegen werden.

TOMYRIS.

Es steht das Recht auf unsrer Seite,

Es werden uns die alten Götter schützen.

Kein Werkzeug ist so klein und so gering,

Womit sie nicht den Grössten stürzen können.

Auf sie vertrauend und des Volkes Stärke

Hoff ich den besten Ausgang für den Kampf.

PHRAORTES.

Bewundernd schau ich deinen Mut und dein

Vertrauen. Doch erlaube, dass ich dir

Ein kleines Märchen jetzt erzähle. Götter,

Verleihet meinen Worten Wirksamkeit.

Es ist die Sage von Heliope

Sie hütete im grünen Zanthostale

Die Herden ihres Vaters. Weitbekannt

War ihre Schönheit und ihr kluger Sinn.

Es sah und liebte sie sogleich der junge

Adechtos, reich an Äckern und an Herden,

Der ihr das schönste Dasein schaffen konnte.

Sie aber spottete ob seiner Werbung,

Nicht achtend auf des Vaters mahnend Wort

Und auf der Mutter überzeugend Reden.

Stolz lachte aller sie, auf sich vertrauend.

Da ward Adechtos mit dem Vater einig.

Er zahlte ihm sein Bräutigamsgeschenk,

Ergriff die Weinende und zog sie fort

Mit in sein Haus, und eingedenk des Schimpfs,

Den sie ihm angetan, sprach er zu ihr:

Du hast mein Weib nicht werden wollen, Törin,

So sei jetzt meine Sklavin, meine Magd. –

O Königin, verzeih der freien Rede,[23]

Lass dich bestimmen, deinen Sinn zu ändren

Stets muss der Kleine von dem Grossen ...

TOMYRIS.

Ich habe dich verstanden. – Phraortes,

Du hältst für törichte Entschuldigungen

Die Worte die ich vorhin sprach,

Für Laune hältst du meinen Widerstand,

Mein Selbstvertrauen nur für leeren Stolz.

Es schmerzt mich tief, Phraortes, dass Ihr so


Phraortes auf die Knie sinkend.


Von Eurer Fürstin denkt. Ich könnt Euch zürnen,

Ich will es nicht. Doch jetzt verlasset mich.

PHRAORTES.

Ich wollte dich nicht kränken, Königin,

Verzeiht die Sorge nur ...

TOMYRIS.

Steht auf, Phraortes, ich verzeihe dir.

Steht auf. Es ist nur bei den Persern Sitte

Vor Menschen hinzuknieen – – –

Steht auf, verlasset mich. Ich will es.


Quelle:
George, Stefan: Phraortes, Graf Bothwell. Düsseldorf, München 1975, S. 20-24.
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