Der alte Grenadier

[136] Was macht der alte Grenadier?

Der macht nicht viel, der sitzt

Am Ofen, ohne Schlachtbegier,

Den alten Kopf gestützt!


Der badet sein betagtes Haar

In einer Thränenflut!

Es ist nicht mehr, wie's sonst wohl war,

Seufzt er, und schilt auf Wuth!


Ach! seufzt er, Tigergrausamkeit

Hat einen Königsthron!

Ach! ach! die liebe Menschlichkeit!

Ist auch von uns geflohn1!


Auch wir sind Wilde, wie das Thier

Das sich nicht Bruder nennt

Das Rache schnaubt, und Mordbegier,

Und keinen Gott erkennt!
[136]

Vom Schicksal, das den Zepter hält

Spricht er, und nennts, zu hart!

Und klagt, daß unsre Menschenwelt

Nicht täglich besser ward!


Und klagt mit nassem Angesicht,

Den Krieg in Gottes Stadt!

Und klagt, daß noch die Feder nicht,

Das Schwerdt verdränget hat.

Fußnoten

1 Er hatte gehört, die deutschen Soldaten gäben den französischen kein Quartier!


Quelle:
Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Gedichte, Stuttgart 1969, S. 136-137.
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