Ist sie von Adel?

[30] Auf meines Vaters Wapen stehn

Nicht Helme oder Fahnen,

Allein sein Geist war engelschön,

Und meiner Mutter Ahnen:

Ein frommes Herz und guter Sinn:

Wohl mir, daß ich kein Fräulein bin!

Mein Vater scharrte Thaten nur,

Nicht Louisd'or zusammen;

Sein Weib war mild wie die Natur,

Und rasch wie Feuerflammen

Zum Geben, langsam zum Gewinn':

Wohl mir, daß ich nicht reicher bin![31]

Ein schläfrig Auge, das bei dir

Zuerst sich aufgeschlossen,

Gab die Natur zur Mitgift mir,

Und tausend Sommersprossen

Statt eines Grübchens in dem Kinn':

Doch gut, daß ich nicht schöner bin.

Wär' ich ein Fräulein: Könnt' ich dich

So sehn und Vetter nennen?

Und wär' ich reich: Wie würd' um mich

Der Durst nach Golde rennen!

Und wär' ich schön: das Stutzerheer

Macht' endlich eine Närrin mehr.

Kein Fräulein, und nicht schön, nicht reich,

Ging Eigennutz und Adel

Und Stutzer mir vorbei, denn gleich

Sah jeder meine Tadel.

Nur du allein bliebst vor mir stehn:

Bin ich nicht edel, reich und schön?

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 3, Frankfurt a.M. 1821, S. 30-32.
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