Guinegate

[297] Schon stehn die Bundesheere in Schlachtenreihn gestellt,

Und Frankreichs Macht genüber auf Guinegate's Feld.

Da schnallt sich Max vom Haupte des blanken Helms Gewicht

Und tritt mit raschem Schritte vor seine Schaar und spricht:
[297]

»Kennt ihr noch dieses Antlitz, ihr Krieger unbesiegt?

Zwar hat's die Zeit gebleichet, und Sorg' in Furchen gepflügt.

Fragt aber diese Fluren, bekannt ist's ihnen doch!

Fragt jene Männer drüben, bei Gott! sie kennen's noch.


Noch wird vor ihrem Anblick dieß Antlitz nimmer blaß,

Noch sieht dieß Aug' in ihres mit altem Muth und Haß;

Und wenn der Kranz des Sieges dieß greise Haupt belohnt,

Schmückt er das Haupt gleich herrlich, sei's grau nun oder blond.


In der Unsterblichkeit Denkbuch schreibt, Brüder, heut euch ein,

Des Feindes Blut soll Dinte, euer Schwert die Feder sein!

Bleib du, mein Schlachtschwert, heute auch treu und unbesiegt,

Wie du schon oft als Pflugbeil das Feld des Ruhms gepflügt!


Und du, mein treues Kampfroß, du treuer Streitkumpan,

Oft hast du mich getragen auf heller Siegesbahn,

Hab' Dank, und trag' noch einmal, zum letztenmal den Greis

Ans Ziel der blutigen Rennbahn! Schon glänzt und winkt der Preis!«


Und als der deutsche Kaiser sich schwang zu Roß hinan,

Jauchzt rings im Heer Begeist'rung: Heil, Maximilian!

Sieh da, empor am Himmel zieht düstres Wolkengrau,

Umschattend rings die Erde und bergend des Aethers Blau.


»Ha, Brüder, seht, der Himmel gibt selbst das Zeichen euch,

Vertheilend zwischen den Kämpfern so Licht als Schatten gleich;

Drum auf! Es frommt der Schatten bei schwülem Kampfesmühn,

Zieht heimwärts einst der Sieger, mag wieder die Sonn' ihm glühn!«


Trompeten schmettern jauchzend, und vorwärts stürmt das Heer,

Die Fahnen flattern drüber wie Möven über'm Meer,

Das Reitergeschwader stürmet, eng an einander geballt,

Und Fußvolk, wohlgeschirmet vom Hellebardenwald.
[298]

Ha, wie der Arm des Kaisers herumsaust nimmermatt,

Gleichwie der Tänzer zur Fastnacht des Tanzens nie wird satt!

Wie hoch den Mähnennacken sein Roß empor da wirft!

Wie, gleich des Tigers Zunge, sein Schwert vom Blute schlürft!


Und vorwärts, immer vorwärts strömt unaufhaltsam das Heer,

Die Franzosen spornen die Rosse und schleudern weg die Wehr.

Ei, wehrt ihr Söhne Frankreichs euch doch um euren Balg!

Hat euch das Schwert in die Scheide geleimt vielleicht ein Schalk?


Zuschauend stand Herr Kunze auf einem Hügel fern:

»Einmal im Leben säh' ich doch eine Schlacht so gern!

Drum bin ich hergeklettert; doch ach Gott sei's geklagt,

Denn seh' ich recht, ist's wahrlich nur eine Hasenjagd!«


Die Mörser donnern seltner, es schweigt der Waffen Klang,

Anstatt des Schlachtrufs jubelt der Hörner Siegesgesang,

Staubnebel hüllt den Franzmann und seine Schande ein,

Und jauchzend ruft der Deutsche: Glückauf, der Sieg ist mein!


Das war der Tag, wo Deutscher und Britte die Hand sich bot

Und Frankreichs stolzen Nacken trat in den blutigen Koth!

Die Schlacht doch heißt die Spornschlacht noch bis zum heut'gen Tag,

Weil, statt des Schwerts, der Franzmann da nur der Sporen pflag.


Als Max sich schwang vom Sattel, stürzt todt dahin sein Pferd,

Und als er's fügt zur Scheide, zerbirst sein altes Schwert,

Als sprächen Beide mahnend: das war dein letzter Sieg!

Und auch das Herz rief ahnend: das war dein letzter Sieg!


Da lächelt Max in Wehmuth: »Die treue Pflugschaar brach,

Der Ackergaul verröchelt, des Pflügers Arm ist schwach;

Den Acker blutigen Ruhmes pflüg' ich wohl nimmermehr,

Sei nur am ewigen Lenztag mein Feld nicht saatenleer!«
[299]

Als heim die Schaaren ziehen mit Sang und Siegeslust,

Sinkt Maxens Haupt, tief sinnend, sanft nieder auf die Brust,

Da bricht aus Wolken wieder der Sonne Strahlenglanz,

In seinen grauen Locken nickt still der grüne Kranz.


Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 297-300.
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Sämtliche Werke 5: Der letzte Ritter. Spaziergänge eines Wiener Poeten. Herausgegeben von Anton Schlossar [Reprint der Originalausgabe von 1906]

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