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Jung-Katerverein für Poesiemusik

[235] Der philharmonische Katerverein

War auf dem Dache versammelt

Heut nacht – doch nicht aus Sinnenbrunst;

Da ward nicht gebuhlt und gerammelt.


Es paßt kein Sommernachthochzeitstraum,

Es passen nicht Lieder der Minne

Zur Winterjahrzeit, zu Frost und Schnee;

Gefroren war jede Rinne.


Auch hat überhaupt ein neuer Geist

Der Katzenschaf sich bemeistert;

Die Jugend zumal, der Jung – Kater ist

Für höheren Ernst begeistert.


Die alte frivole Generation

Verröchelt; ein neues Bestreben,

Ein Katzenfrühling der Poesie

Regt sich in Kunst und Leben.


Der philharmonische Katerverein,

Er kehrt zur primitiven[235]

Kunstlosen Tonkunst jetzt zurück,

Zum schnauzenwüchsig Naiven.


Er will die Poesiemusik,

Rouladen ohne Triller,

Die Instrumental- und Vokalpoesie,

Die keine Musik ist, will er.


Er will die Herrschaft des Genies,

Das freilich manchmal stümpert,

Doch in der Kunst oft unbewußt

Die höchste Staffel erklimpert.


Er huldigt dem Genie, das sich

Nicht von der Natur entfernt hat,

Sich nicht mit Gelehrsamkeit brüsten will

Und wirklich auch nichts gelernt hat.


Dies ist das Programm des Katervereins,

Und voll von diesem Streben

Hat er sein erstes Winterkonzert

Heut nacht auf dem Dache gegeben.


Doch schrecklich war die Exekution

Der großen Idee, der pompösen –

Häng dich, mein teurer Berlioz,

Daß du nicht dabeigewesen!


Das war ein Charivari, als ob

Einen Kuhschwanzhopsaschleifer

Plötzlich aufspielten, branntweinberauscht,

Drei Dutzend Dudelsackpfeifer.


Das war ein Tauhu-Wauhu, als ob

In der Arche Noäh anfingen,

Sämtliche Tiere unisono

Die Sündflut zu besingen.
[236]

Oh, welch ein Krächzen und Heulen und Knurr'n,

Welch ein Miau'n und Gegröle!

Die alten Schornsteine stimmten ein

Und schnauften Kirchenchoräle.


Zumeist vernehmbar war eine Stimm',

Die kreischend zugleich und matte

Wie einst die Stimme der Sontag war,

Als sie keine Stimme mehr hatte.


Das tolle Konzert! Ich glaube, es ward

Ein großes Tedeum gesungen,

Zur Feier des Siegs, den über Vernunft

Der frechste Wahnsinn errungen.


Vielleicht auch ward vom Katerverein

Die große Oper probieret,

Die Ungarns größer Pianist

Für Charenton komponieret.


Es hat bei Tagesanbruch erst

Der Sabbat ein Ende genommen;

Eine schwangere Köchin ist dadurch

Zu früh in die Wochen gekommen.


Die sinnebetörte Wöchnerin

Hat ganz das Gedächtnis verloren;

Sie weiß nicht mehr, wer der Vater ist

Des Kindes, das sie geboren.


»War es der Peter? War es der Paul?

Sag, Liese, wer ist der Vater?«

Die Liese lächelt verklärt und spricht:

»Oh, Liszt! du himmlischer Kater!«
[237]

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 21972, S. 235-238.
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