[Einleitung]

[167] In diesem Theil sollte die Fortsetzung der Zeugnisse über Volkslieder folgen: weil aber jede gute Sache in zweier oder dreier Zeugen Munde bestehet, und für den Vorgefaßten auch hundert Zeugnisse nicht gnug seyn werden, so wollen wir Papier und Worte sparen, und lieber selbst etwas voranfügen, was zur Erläuterung und Vorstellung dieser mancherlei Gedichte dienen könnte.

Es ist wohl nicht zu zweifeln, daß Poesie und insonderheit Lied im Anfang ganz Volksartig d.i. leicht, einfach, aus Gegenständen und in der Sprache der Menge, so wie der reichen und für alle fühlbaren Natur gewesen. Gesang liebt Menge, die Zusammenstimmung vieler: er fodert das Ohr des Hörers und Chorus der Stimmen und Gemüther. Als Buchstaben- und Sylbenkunst, als ein Gemählde der Zusammensetzung und Farben für Leser auf dem Polster, wäre er gewiß nie entstanden, oder nie, was er unter allen Völkern ist, worden. AlleWelt und Sprache, insonderheit der älteste, graue Orient liefert von diesem Ursprunge Spuren die Menge, wenn es solche vorzuführen und aufzuzählen Noth wäre.

Die Namen und Stimmen der ältesten Griechischen Dichter bezeugen dasselbe. Linus und Orpheus, Phantasia und Hermes, Musäus und Amphion, Namen und Nachrichten der Fabel oder Wahrheit, zeugen, was damals Poesie war? woraus sie entsprang? worinn sie lebte? Sie lebte im Ohr des Volks, auf den Lippen und der Harfe lebendiger Sänger: sie sang Geschichte, Begebenheit, Geheimniß, Wunder und Zeichen: sie war die Blume der Eigenheit eines Volks, seiner Sprache und seines Landes, seiner Geschäfte und Vorurtheile, seiner Leidenschaften und Anmassungen, seiner Musik und Seele. Wir mögen von den αοιδοις, den umherziehenden Sängern der Griechen so viel der Fabel geben, als wir wollen: so bleibt am Boden des Gefässes die Wahrheit übrig, die sich auch in andern Völkern und Zeitaltern gleichartig dargethan hat. Das Edelste und Lebendigste der griechischen Dichtkunst ist aus diesem Ursprung erwachsen.

Der gröste Sänger der Griechen, Homerus, ist zugleich der gröste Volksdichter. Sein herrliches Ganze ist nicht Epopee,[167] sondern επος, Mährchen, Sage, lebendige Volksgeschichte. Er setzte sich nicht auf Sammet nieder, ein Heldengedicht in zweimal vier- und zwanzig Gesängen nach Aristoteles Regel oder, so die Muse wollte, über die Regel hinaus, zu schreiben, sondern sang was er gehöret, stellte dar was er gesehen und lebendig erfaßt hatte: seine Rhapsodien blieben nicht in Buchläden und auf den Lumpen unsres Papiers, sondern im Ohr und im Herzen lebendiger Sänger und Hörer, aus denen sie spät gesammlet wurden und zuletzt, überhäuft mit Glossen und Vorurtheilen, zu uns kamen. Homers Vers, so umfassend wie der blaue Himmel und so vielfach sich mittheilend, allem, was unter ihm wohnet, ist kein Schulen- und Kunsthexameter, sondern das Metrum der Griechen, das in ihrem reinen und feinen Ohr, in ihrer klingenden Sprache zum Gebrauch bereit lag und gleichsam als bildsamer Leim auf Götter- und Heldengestalten wartete. Unendlich und unermüdet fließts in sanften Fällen, in einartigen Beiwörtern und Kadenzen, wie sie das Ohr des Volks liebte, hinunter. Diese, das Kreuz aller berühmten Uebersetzer und Heldendichter, sind die Seele seiner Harmonie, das sanfte Ruheküssen, das in jeder endenden Zeile unser Auge schließt, und unser Haupt entschlummert, damit es in jeder neuen Zeile gestärkt zum Schauen erwache und des langen Weges nicht ermüde. Alle erhabnen Siehe! alle künstliche Verschränkungen und Wortlabyrinthe sind dem einfachen Sänger fremde, er ist immer hörbar und daher immer verständlich: die Bilder treten vors Auge, wie seine Silbertöne ins Ohr fliessen; der verschlungene Tanz beider, ist Gang seiner Muse, die auch darinn Göttin ist, daß sie dem Geringsten und gleichsam jedem Kinde dienet. Ueber eine Sache geheimer und liebster Freuden streitet man nicht gern auf dem Markt; aber dem, dünkt mich, ist Homer nicht erschienen, der den lieben Fußgänger nur auf raschrollenden Wagen und den sanften Strom seiner Rede als Mühlengeklapper einer sogenannten Heldenpoesie sich vorbildet. Sein Tritt ist sanft, und die Ankunft seines Geistes, wie Ulysses Ankunft in der Heimath: nur der kann[168] sein Vertrauter werden, der sich diese demüthige Gestalt weder verlügt noch hinwegschämet.14

Mit Hesiodus und Orpheus ists, in ihrer Art, ein Gleiches. Nicht daß ich die Werke, die unter des letzten Namen gehen, für Urschrift des alten Orpheus hielte; sie sind ohne allen Zweifel wohl nichts als spätere, vielleicht sechs- sieben- und meinethalb hundertmal aufgefrischte Kopien alter Gesänge und Sagen; aber daß sie dieses sind, daß alter Gesang und Sage in ihnen noch durchschimmert, ist, wenn mich nicht alles trügt, sehr merkbar. Auch Hesiod, der an Aechtheit jenem weit vorsteht, hat gewiß fremde Verse; und doch ist überall, der alte ehrwürdige Volkssänger, der einfältige Hirt, der am Berge der Musen weidete, und von ihnen die Gabe süsser Gesänge und Lehren zum Geschenk überkam, hörbar. O wäre mirs gelungen, von diesen goldnen Gaben und Gerüchten der Vorzeit, als den edelsten Volksgesängen etwas in unsre Sprache zu übertragen, daß sie noch einigermassen, was sie sind, blieben! Homer, Hesiodus, Orpheus, ich sehe eure Schatten dort vor mir auf den Inseln der Glückseligen unter der Menge und höre den Nachhall eurer Lieder; aber mir fehlt das Schiff von euch in mein Land und meine Sprache. Die Wellen auf dem Meer der[169] Wiederfahrt verdumpfen die Harfe und der Wind weht eure Lieder zurück, wo sie in amaranthnen Lauben unter ewigen Tänzen und Festen nie verhallen werden. – – –

Ein Gleiches ist mit dem Chor der Griechen, aus dem ihr hohes einziges Drama entstand, und von dem es noch immer, zumal in Aeschylus und Sophokles, wie die heilige Flamme von dem Holz und Opfer, das sich unten verzehrt, hinauflodert. Ohne Zweifel ist er das Ideal Griechischen Volksgesanges; aber wer kommt zum Bilde? wer kanns aus der Höhe seiner Töne haschen und einverleiben unsrer Sprache? So auch mit Pindars Gesängen, von denen, meines Wissens, noch nichts entferntähnliches in unsrer Sprache, vielleicht auch nicht in unserm Ohr da ist. Wie Tantalus steht man in ihrem Strome: der klingende Strom fleucht und die goldnen Früchte entziehen sich jeder Berührung. –

Ich begnügte mich also nur, da mir das höchste dieser Gattung anzurühren nicht vergönnt war, von den Griechen nur ein paar kleine Liederchen, Tischgesänge, und leichte Weisen15 zu geben. Ich schleiche am Ufer und lasse andern das hohe Meer.

Der Römer alte Lieder der Väter, die sie noch in den blühendsten Zeiten bei ihren Gastmahlen sangen und sich zur Tugend und Liebe des Vaterlands mit ihnen stärkten, sind verlohren. In Katull und Lukrez ist noch viel alter Gesang, aber schwer zu entwenden.

Die alten Gesänge der christlichen Väter haben sich gewissermassen verewigt. Sie tönten in den dunkelsten Zeiten, in dunkeln Tempeln und Chören lateinisch, bis sie in der Sprache fast jeden Europäischen Landes sich verjüngten und, wiewohl in veränderter Gestalt, hie und da noch leben. Wir haben von einigen, sehr alte Uebersetzungen in unsrer Sprache16, die merkwürdig sind, aber eigentlich hieher nicht gehörten.[170] Da ich von den verlohrnen Barden gar nicht und von den Gedichten der Skalden zu Anfange des zweiten Buchs reden werde, so fahre ich hier nur fort von Deutschen Gesängen und Volksliedern. Das älteste Stück, was hieher gehört, ist wohl König Ludwig17, den ich, so viel möglich, in der Kürze und Schnelligkeit seiner Worte hier gebe. Schon als Lied vom Jahr 882. ist er merkwürdig, und seiner innern Art nach nicht minder. Stücke aus Ottfried, insonderheit Strophen aus der Vorrede: Ludwig der Schnelle, stünden ihm etwa von fern zur Seite. Anno's Gesang, eine Sprosse mit in unsres Opitz Krone,18 schwebt darüber weg: er gehört unter Lobgesänge, nicht unter Volkslieder.

Der Strom der Ja[hr]hunderte floß dunkel und trübe für Deutschland. Hie und da hat sich eine Stimme des Volks, ein Lied, ein Sprüchwort, ein Reim gerettet; meistens aber schlammig, und reissen es die Wellen sogleich wieder hinunter. Ich nehme lateinische Verse und Reimchroniken aus, die zu meinem Zweck nicht gehören, so ist mir noch wenig zu Gesicht gekommen, das den besten Stücken der Engländer, Spanier oder Nordischen Völker an die Seite zu setzen wäre. Eckard hat ein kleines Fragment eines Altdeutschen Romans gerettet; schade aber, nur ein kleines Fragment, das, wie es da ist, nur durch Sprache merkwürdig ist19. In Meiboms Sammlung20 findet sich das Lied eines Sächsischen Prinzen, der nach einer unglücklichen Schlacht sich dem Priester zum Opfer geben muste; es ist traurig, hat aber nur noch Eine Strophe:


Soll ich nun in Gottesfronden21 Hände

In meinen allerbesten Tagen[171]

Geben werden und sterben so elende,

Das muß ich wohl klagen.

Wenn mir das Glücke füget hätte

Des Streits ein gutes Ende,

Dörft' ich nicht leisten diese Wette22

Netzen mit Blut die hiere23 Wände.


In mehr als einer deutschen Chronik finden sich alte deutsche Reihen und Volkslieder, von denen einige sehr gute Stellen und Strophen haben. Ich will, was mir etwa beifällt, hieher setzen: denn was für mich nicht dient, kann für einen andern dienen, und insonderheit dem nicht gleichgültig seyn, der sich einmal (der Himmel gebe bald) an eine Geschichte deutsches Gesanges und Dichtkunst waget. Ausser den Beiden im ersten Theil gelieferten Reihen über den Prinzenraub24 und Herzog Wilhelm in Thüringen stehen in eben dem Spangenberg noch zwei Stücke, ein Schimpflied über die Geschlagnen Kaiser Adolphs, und ein ziemlich langes Lied über die Belagerung Magdeburgs, das Spangenberg in das Deutsche seiner Zeit gesetzt und das einige sehr gute Strophen, und, wie die meisten Lieder der Art, genaue Umstände der Sache selbst hat. Das erste ist auch in Glafeys Sächs. Geschichte, das zweite in Pomarii Chronik befindlich (S. 482). In der Fortsetzung von Spangenbergs Hennebergischer Chronik ist im dritten Theil25 ein Lied auf die Fehde Reinhards von Haune mit Wilhelm von Henneberg. In Falkensteins Erfurtischer Geschichte26 ist der Ursprung des Lieds, das die Kinder in Erfurt noch jezt, am Johannesabend verstümmelt singen, angeführt: es war die Zerstörung des Schlosses Dienstberg 1289. und das Lied fängt sich an: Eichen ohne Garten. In eben der Geschichte27 sind Fragmente von den Liedern, die von der schwärmenden[172] Geißlersekte im 14. Jahrhundert angestimmt wurden, sie stehen auch in Pomarii und in der Limpurger Chronik, aus der vor dem dritten Buch ein Auszug geliefert werden soll. Ein Spottlied auf die Bauren und ihren im Jahr 1525. übelbelohnten Aufruhr steht in Falkenstein und Pfefferkorn;28 eine Beschreibung des Gefechts bei Hempach 1450. und des Krieges zwischen Nürnberg und dem Markgrafen in Reinhards Beiträgen29; ein Lied auf die Einnahme der Stadt Hetstädt 1439. in Schöttgens und Kreisigs Diplomatischer Nachlese30; über die Aachenschen Händel 1429. in Menkens Sammlung31; auf die Belagerung von Grubenhagen 1448. in Lezners Einbeckschen Chronik32, und was ich vielleicht vor allen hätte zurerst anführen sollen, ein Lied über die Schlacht bei Cremmerdamm, in Buchholz Brandenburgischer Geschichte33. Ich würde es, wenn es nicht Platdeutsch wäre, eingerückt haben. Die Nachtigall, die Lessing34 neulich bekannt gemacht, und was sonst reichlich auf Bibliotheken seyn mag, zu geschweigen.

In den Religionsunruhen des sechzehnden Jahrhunderts ist eben so wohl mit Liedern als Schriften gestritten worden, insonderheit sofern sie die Fürsten und öffentlichen Anlässe betrafen. Ich habe einen Band gedruckter Lieder vor mir, meistens über die Begebenheiten zwischen Sachsen und Braunschweig 1542. 1545. und zwischen Sachsen und dem Kaiser 154735. Der Besitzer scheint nur gesammlet zu haben, was in[173] seiner Gegend darüber erschien: denn das meiste ist zu Leipzig und Erfurt gedruckt, und es ist schon viel; andre Gegenden werden über dieselben Anlässe andre Lieder haben. Man schliesse aus der Menge von Liedern, die in zwei Jahren über zwo Begebenheiten erschienen sind, ob Deutschland arm an ihnen gewesen. Möchten sie nur auch an Güte seyn, was die meisten an Treuherzigkeit zu seyn vorgeben. – Allen diesen Liedern sind ihre Weisen genannt, und diese abermals Titel sehr bekannter Volkslieder: ja meistens hat das neue Lied ganz den Ton des vorhergehenden, d.i. seine Weise. Sehr oft ist das auch der Fall zwischen weltlichen und geistlichen Liedern, daher man sich nicht wundern muß, daß über geistlichen Liedern oft eine sehr weltliche Weise, z.E. Es wohnet Lieb bei Liebe u. dgl. stehet. Oft geht dies zu groben Parodien über, die uns beleidigen, die es aber damals nicht thaten, weil es die gewöhnliche Art war. So ist z.E. in genannter Sammlung ein neu Lied: der Jäger, geistlich, wo das bekannte Lied: es wollt ein Jäger jagen, auf Gabriel und die Maria eben nicht gar fein, doch ehrlich gedeutet ist. Manche Wendungen und Gänge alter Kirchenlieder nehmen aus solchen Weisen ihren Ursprung, und eine Geschichte des Kirchengesanges kann eigentlich nicht ohne Kenntniß derselben geliefert werden. Meistens fließt in solchen Volksgesängen Geistlich- und Weltliches zusammen, wovon auch in den alten Gesangbüchern viele Proben vorhanden. Luther, der trefliche geistliche Lieder machte, machte auch »ein neu Lied von zweien Märterern Christi zu Brüssel, von den Sophisten zu Löwen verbrannt,« das oft einzeln gedruckt und auch alten Gesangbüchern beigefügt worden. Ich hätte es eingerückt, so wie anderswo bereits Strophen angeführt worden,[174] wenns nicht für diese Sammlung zu abstechend gewesen wäre. Seine Parodie auf das Lied: Nun treiben wir den Tod heraus,36 ist bekannt, und auch noch in alten Gesangbüchern vorhanden: da aber seine Cantio de aulis nur in der Altenburger Ausgabe seiner Werke befindlich und nicht lang ist, so habe ich sie hier eingerücket. Seine Gehülfen und Nachfolger folgten ihm, nur freilich nach ihren Kräften. Die Parodie des Erasmus Alberus aufs Te Deum, Aesops Fabeln, mancherlei Lieder sind bekannt. Geschichten und Stücke der Bibel wurden, nach der Weise weltlicher Sagen,37 versificirt, Meistersängerkunst hat diese Manier treulich behalten und zuletzt sehr untreu verderbet.

Ueber diese und über ihren edlern Ursprung, die sogenannten Minnesinger, mag ich hier nicht reden. Sie waren Volkssänger und warens auch nicht, wie man die Sache nimmt. Zum Volkssänger gehört nicht, daß er aus dem Pöbel seyn muß, oder für den Pöbel singt; so wenig es die edelste Dichtkunst beschimpft, daß sie im Munde des Volks tönet. Volk heißt nicht, der Pöbel auf den Gassen, der singt und dichtet nie mals, sondern schreyt und verstümmelt. Daß in den Schwäbischen Zeiten die Poesie von grossem Umfang gewesen, ist wohl unläugbar: sie erstreckte sich vom Kaiser zum Bürger, vom Handwerker bis zum Fürsten. Man sang nach gegebnen Weisen, und gute Lieder sang man nach. Minne war nicht der Einzige Inhalt ihrer Gesänge, wie anderweit gezeigt werden wird; der Umkreis derselben war auch nicht eine Fakultät oder enge Stube. Auch das Fragment der Chronik, das beigerückt werden soll, zeigt, wie verbreitet und lebend diese Gesänge damals gewesen sind, vielleicht mehr als die Lesung unsrer Dichter, mit der man ihren Kreis zu vergleichen gewohnt ist. Allerdings ist[175] überall und allezeit das Gute selten. Auf Eine gute Weise folgten ohne Zweifel zehn und funfzig elende, die freilich nicht nachgesungen wurden, die im Munde des Sängers selbst erstarben; endlich ward die ganze edle Kunst ein so jämmerliches Handwerk und Trödelkram, daß grosse Lust und Liebe dazu gehört, nur noch etwas von ihren fernen ersten Zeiten in ihr zu wittern oder zu ahnden. –

Wie ihm sey, so gehörten jene und diese, Minnesinger und Meistersänger, nicht in meinen Plan, und das aus der einfachen Ursach, weil ihre Sprache und Weise wenig Lyrisches für uns hat. Ich hätte bei schätzbaren und, zum Theil ungedruckten Stücken, die ich liefern konnte, erst den Perioden der Strophen, folglich Melodie und Wesen ändern müssen, um uns hörbar und verständlich zu werden, und da das zu meinem Plan verstümmlen hieße, so mögen sie auf andre Gelegenheit warten.

Es gibt ein sogenanntes historisches Gesangbuch von Johann Höfel, wo in drei Büchern Lieder über Biblische und unbiblische Personen, über Heilige und Begebenheiten der Geschichte gesammlet sind. Weil aber alles im Ton der Kirchenlieder, dazu von wenigen Verfassern und also sehr einförmig ist: so konnte ich nichts davon brauchen. Eins mag etwa, zum Andenken des Ruhmvollen Mannes,38 dessen Leben aus der Geschichte bekannt gnug ist, und der für seine Dienste übel belohnt worden, hier wenigstens genannt werden.

Von Romantischen und Liebesliedern gibts eine Menge, theils umhergehend, theils hie und da, insonderheit zu Nürnberg gedruckt.39 Der Dichtung darinn ist wenig und wiederholen sie sich oft, obs gleich an zarten Stellen und[176] sinnreichen Wendungen auch nicht ganz fehlet. Man müste aber das Gold aus dem abgetragenen Zeuge ausbrennen und weniges könnte man ganz geben. Das bekannte Lied: es wohnet Lieb bei Liebe; das Lied vom treuen Wächter; das schon in der Manessischen Sammlung, obgleich in anderer Versart zu finden: von Sultans Tochter, vom Streit der Liebe: das Lied von den drei Rosen, den sieben Wünschen und andre, könnte man vielleicht in Stellen und Strophen geben, auch mit einigen Liedern bekannt machen, wenigstens sofern sie Muster andrer und damals berühmte Weisen gewesen. Da es aber einigen Herren gefallen hat, wider Volkslieder überhaupt auf eine etwas ungehörige und neue Weise zu deklamiren, so mochte ichs nicht seyn, der ihnen einige unschuldige Laubsprossen und Helme Heu auf ihre weise Hörner vorlegte. Lieber gab ich einige französische Liederchen, womit sie sich kränzen mögen – –

Und hielt mich insonderheit zu beinah vergeßnen Deutschen Dichtern und einzelnen guten Gedichten derselben. Unter ihren drei gebildeten Nachbarinnen, England, Frankreich und Italien, zeichnet sich auch darinn Deutschland aus, daß es seine besten Köpfe älterer Zeiten vergißt und also seine eigne Gaben verschmähet. Alle drei genannte Nationen machen so viel Staat aus ihren vergangnen Zeiten, und haben Sammlungen, Blumenlesen ihrer Dichter nach der Reihe; wir leben jetzo nur mit uns selbst, d.i. von Messe zu Messe, und die lautesten Buben verrathen eine Unwissenheit deutscher und aller Literatur, über die man erstaunt und erstarret. Zachariä fing eine Auswahl an, die bald aufhörte, die meisten guten Sachen liegen begraben, wo sie niemand suchen mag, noch zu finden träumet. Ich opferte daher lieber Einiges auf, um von ältern Dichtern der Deutschen, von jedem meistens nur Ein Stück einzustreuen und Aufmerksamkeit auf sie zu erregen. Weit bin ich damit noch nicht gekommen, und insonderheit fehlte mir zu zwei[177] oder dreien Stücken Platz, die manche kaum dem Namen nach kennen werden – – doch Zeit hat Ehr.

Wie wünschte ich, daß Bodmer in jüngern Jahren auf Sammlung dieser Art Gedichte und Lieder gefallen wäre! oder Lessingen es bessere Arbeiten erlaubten, seine Kenntnisse Deutscher Literatur, die wohl die Einzige ihrer Art seyn möchten, auch hier zu verfolgen. Die Beiträge, die die Herren Eschenburg, Anton, Seybold u.f. im Deutschen Museum geliefert, sind schätzbar: es wäre gut, wenn dies Journal von mehrern dazu angewandt würde. – –

Mir sey es erlaubt, hier nur noch eine reiche Quelle von gemeinen, insonderheit Trink- und Buhlliedern anzuführen, es sind die Uebersetzungen Fischarts. In seinem verdeutschten Rabelais, zumal in der Litanei der Trunkenen, und sonst beinahe durchhin ist eine solche Menge lustiger Lieder, wenigstens dem Anfange nach und Strophenweise angeführt, daß mancher kleine feyne Allmanach von lustigen Gesängen und Volksliedern aus dieser Einigen Quelle einen Strom erhalten könnte, mit der allgemeinsten und unendlichsten Bibliothek Wette zu laufen. Für mich war nichts darinn; indessen läugne ich nicht, daß viele Lieder eine Fröhlichkeit verrathen, zu der manche neuere in dieser Gattung als trocknes, nachgedrechseltes Werk erscheinen möchten. Desgleichen ists mit ein paar Trinkliedern in Sittewalds Gesichten,40 denen das Evoe des Dithyrambenschwunges gewiß nicht fehlet; sie ziemten indessen nicht in diese Sammlung.

Meine Leser verzeihen, daß ich in diesem ganzen Punkt mehr habe sagen müssen, was ich nicht, als was ich gegeben habe? Weder Titel noch Mittel verpflichtet mich, Deutsche[178] Originallieder (wie sich die Herren Zeitungsschreiber ausgedruckt haben) noch weniger, solcher und keiner andern Gestalt, und in solcher und keiner andern Menge zu liefern. Liefre sie ein Jeder der Herren: ich habe eine Menge genannt und stehe mit einer noch grössern Menge zu Diensten. Es ist lächerlich, daß nicht jedem Autor oder Sammler sein Plan bleiben soll, wieviel oder wie mancherlei Absichten er in ihn bringe. Nicht wie er wählt? (wähle ein andrer besser!) sondern wie er, was er wählte, ausführt? davon ist die Frage.

Ueberhaupt ists ja für jeden, der in der Geschichte das Heut und Gestern kennet, so gut als ausgemacht, daß Lyrische Dichtkunst, oder, wie die Herren sagen, Deutsche Originallieder nicht eben der Nerve unsres Volks und die erste Blume seiner poetischen Krone gewesen. Treuherzigkeit und ehrliche Lehrgabe war von jeher unser Charakter, so wie im Leben, so auch im Schreiben und in der Dichtkunst. Dies zeigt sich in allen Jahrhunderten, aus denen man Deutsche Geschichte, Chronik, Sprüchwörter, Reime, Erzählungen, Lehrsprüche u. dgl. selten aber Lieder und Lieder der Art kennet, die man noch jezt auftragen könnte. Liege es an Ursachen von innen oder aussen (wie gewöhnlich, liegts in beiden); so war von jeher die Deutsche Harfe dumpf, und die Volksstimmen niedrig und wenig lebendig. Eine Sammlung Lehr- und Sinngedichte liesse sich sehr reichlich und auch in den schlechtern Dichtern gute und leidliche Stellen dazu auffinden; eigentlicher Gesang aber ist entweder verhallet, oder wenn man nicht Koth und Unkraut zusammen auftragen will, ists schlimm und arm, ein Deutscher Percy zu werden. Leider aber hats schon mein erster Theil gesagt, daß zu einem solchen mir nie Sinn oder Muth gestanden – –

Der Anblick dieser Sammlung gibts offenbar, daß ich eigentlich von Englischen Volksliedern ausging und auf sie zurückkomme. Als vor zehn und mehr Jahren die Reliques of ancient Poetry mir in die Hände fielen, freuten mich einzelne Stücke so sehr, daß Ich sie zu übersetzen versuchte,[179] und unsrer Muttersprache, die jener an Kadenzen und Lyrischem Ausdruck auffallend ähnlich ist, auch ähnlich gute Stücke wünschte. Meine Absicht war nicht, jene Uebersetzungen drucken zu lassen, (wenigstens übersetzte ich sie dazu nicht) und also konnte auch meine Absicht nicht seyn, durch sie die Klassische Heiligkeit unsrer Sprache und Lyrischen Majestät zu betrüben, oder, wie sich ein Kunstrichter witzig ausdruckt, »den Mangel aller Korrektheit als meine Manier« zu zeigen. Sollten diese Stücke bleiben, was sie in der Urschrift waren: so konnten sie nicht mehr Korrektheit (wenn das unpassende Wort ja statt finden soll!) haben; oder ich hätte neue und andre Stücke geliefert. Wo im Original mehr Korrektheit war, suchte ich auch mehr auszudrücken; trug aber kein Bedenken, sie aufzuopfern, wenn sie den Hauptton des Stücks änderte und also nicht dahin gehörte. Jedem stehets frei, sie, wie er will, zu übertragen, zu verschönern, zu feilen, zu ziehen, zu idealisiren, daß kein Mensch mehr das Original erkennet; es ist seine und nicht meine Weise, und dem Leser stehet frei, zu wählen. Ein gleiches ist mit den Liedern aus Shakespear. Sie lagen vor zehn und mehr Jahren übersetzt da, ohne daß ich einem bessern Uebersetzer je damit hätte zuvor kommen oder nachbuhlen wollen. Sie waren für mich gemacht, nur das elende Gekreisch von Volksliedern und Volksliedern, wo jeder seinen eignen Schatten hetzte, bewegte im Unmuth mich, simpel und ohne Anmassung zu zeigen, was ich denn, der unschuldig dazu Gelegenheit gegeben haben sollte, unter Volksliedern verstünde und nicht verstünde? hätte oder nicht hätte? u. dgl.

Das ist auch die Ursache, warum ich den Ton dieses Theils ganz verändert und hie und da Stücke geliefert habe, die freilich, wie es mir niemand demonstriren darf, nicht Volkslieder sind, meinethalb auch nimmer Volkslieder werden mögen. Ich sah leider! beim ersten Theil, welche armselige Gestalt die gute Feldblume mache, wenn sie nun im Gartenbeet des weissen Papiers dasteht und vom honetten Publikum durchaus als Schmuck- und Kaiserblume gefälligst[180] beäuget, zerpflückt und zergliedert werden soll, wie gern und inständig sie dieses verbäte! Man hat einmal keinen andern Begrif von Lied und Leserei, als: was da ist, muß zur Parade da seyn; an Noth und einfältiges Bedürfniß ist kein Gedanke. Ich habe also in diesem Theil die artigen Leser und Kunstrichter, so viel ich konnte, geschont, von Englischen Balladen kaum zwei oder drei mehr geliefert, und auch zu diesen lieber die historischen Stücke, über deren Werth keine Frage mehr ist, z.E. Percy, Murray u. dgl. gewählet. Mit den andern die ich zu geben dachte, mit ihnen, als mit erbärmlichen Abentheuer- und Mordgeschichten, die zum Unglück wieder in meiner Manier, d.i. dem Mangel aller Korrektheit übersetzt seyn möchten, habe ich das korrekte Publikum verschonet.

Auch aus dem Spanischen habe ich nur wenig Stücke gegeben, weil nichts schwerer ist, als die Uebersetzung einer simpeln Spanischen Romanze. Uebersetze jemand, wenn sich ein langes historisches Gedicht herab, jede zweite Zeile auf ar endigt und damit im Spanischen prächtig und angenehm in der Luft verhallet, übersetze jemand so etwas in unsre Sprache! Uebrigens wiederhole ich, daß in Absicht auf Romanze und Lied von daher noch viel zu lernen sey und für uns dort vielleicht noch ein ganzes Hesperien blühe. Ausser dem Italienischen kenne ich keine neuere Sprache, die niedlichere lyrische Kränze flechte, als Iberiens Sprache, die überdies noch mehr klinget, als jene. Unsre Väter bekümmerten sich um sie, und Vater Opitz hat den schönen Doppelgesang des Gil Polo: Mientras el sol sus rayos muy ardientes selbst übersetzet. Cronegk liebte die Sprache und holte aus ihr die Blume her, die in seinen besten Gedichten so melancholischsüß duftet. Das kleine Liedchen, das Kästner übersetzt hat, das Gil-Blas aus dem Thurm singen hörte:


Ach, daß Jahre voll Vergnügen

Schnellen Winden gleich verfliegen;

Einen Augenblick voll Leid

Macht der Schmerz zur Ewigkeit –
[181]

welchen Lilienduft verbreitets um sich! und so sind Haine von Blumen und süssen Früchten, die verkannt und in Oede dort blühen – –

Aus dem Italienischen habe ich nur ein paar Lieder gegeben. Ihre Novellen sind von den grossen Meistern Boccaz und Pulci, Ariost und Scandiano bereits also behandelt worden, daß sie im höchsten Licht glänzen. Gewissermassen ist und bleibt Dante ihr grössester Volksdichter, nur ist er nicht eigentlich mehr lyrisch.

Was sich für andre Stücke in diese Sammlung verborgen haben, mag Buch und Register selbst weisen. Sie erscheinen unter dem bescheidensten Namen, »Volkslieder«; mehr also wie Materialien zur Dichtkunst, als daß sie Dichtkunst selbst wären. Bei vielen wuste ich nicht mehr, wo sie stehen? oder woher sie mir zugekommen waren, der ungenannte Name ihrer Verfasser oder ihres Vaterlandes, so wie überhaupt des Sammlers dieser demüthigen, armen, Blumenlese – ehrwürdiger Herr Pater, ist keine Sünde. Ich erbitte mir über das Gute in ihr, aus so mancherlei Orten und Zeiten es seyn mag, kein Wörtchen Lob oder Dank, so wenig ich mir Ein Wort Tadel oder Kritik


– vom grausam wilden Bär,

Wenn er vom Honigbaum kommt her,


oder von den Tauben und Schwänen des leibhaften Apollo selbst, verbitte. Mein einziger Wunsch ist, daß man bedenke, was ich liefern wollte, und allenfalls höre, warum ich dies und nichts anders geliefert habe? Mich dünkt, es ist weder Weisheit noch Kunst, Materialien für gebildete Werke, gebrochnes Metall, wie es aus dem Schoos der grossen Mutter kommt, für geprägte Klaßische Münze, oder die arme Feldund Waldblume für die Krone ansehen zu wollen, damit sich König Salomo oder ein lyrischer Kunstrichter, der etwa mehr als er ist, krönet.

Endlich kann ich nicht umhin, noch mit ein paar Worten merken zu lassen, was ich für das Wesen des Liedes halte. Nicht Zusammensetzung desselben als eines Gemäldes niedlicher[182] Farben, auch glaube ich nicht, daß der Glanz und die Politur seine einzige und Hauptvollkommenheit sey; sie ists nehmlich nur von Einer, weder der Ersten noch Einzigen Gattung von Liedern, die ich lieber Kabinett- und Toilettstück, Sonnett, Madrigal u. dgl. als ohne Einschränkung und Ausnahme Lied nennen möchte. Das Wesen des Liedes ist Gesang, nicht Gemälde: seine Vollkommenheit liegt im melodischen Gange der Leidenschaft oder Empfindung, den man mit dem alten treffenden Ausdruck: Weise nennen könnte. Fehlt diese einem Liede, hat es keinen Ton, keine poetische Modulation, keinen gehaltenen Gang und Fortgang derselben; habe es Bild und Bilder, und Zusammensetzung und Niedlichkeit der Farben, so viel es wolle, es ist kein Lied mehr. Oder wird jene Modulation durch irgend etwas zerstört, bringt ein fremder Verbesserer hier eine Parenthese von malerischer Komposition, dort eine niedliche Farbe von Beiwort u.f. hinein, bei der wir den Augenblick aus dem Ton des Sängers, aus der Melodie des Gesanges hinaus sind, und ein schönes, aber hartes und nahrungsloses Farbenkorn kauen; hinweg Gesang! hinweg Lied und Freude! Ist Gegentheils in einem Liede Weise da, wohlangeklungne und wohlgehaltne lyrische Weise; wäre der Inhalt selbst auch nicht von Belange, das Lied bleibt und wird gesungen. Ueber kurz oder lang wird statt des schlechtern, ein beßrer Inhalt genommen und drauf gebauet werden; nur die Seele des Liedes, poetische Tonart, Melodie, ist geblieben. Hätte ein Lied von guter Weise einzelne merkliche Fehler; die Fehler verlieren sich, die schlechten Strophen werden nicht mit gesungen; aber der Geist des Liedes, der allein in die Seele wirkt und Gemüther zum Chor regt, dieser Geist ist unsterblich und wirkt weiter. Lied muß gehört werden, nicht gesehen; gehört mit dem Ohr der Seele, das nicht einzelne Sylben allein zählt und mißt und wäget, sondern auf Fortklang horcht und in ihm fortschwimmet. Der kleinste Fels, der sie daran hindert, und wenns auch ein Demantfels wäre, ist ihr widrig; die feinste Verbesserung, die sich gibt, statt den Sänger zu geben,[183] die hundert Sänger und ihre tausend Gesänge über Einen Leisten zieht und modelt, von dem jene nichts wusten; so willkommen die Verbesserung für alle Meister und Gesellen des Handwerks seyn mag, und so viel sie an ihr, wie es heißt, lernen mögen, für Sänger und Kinder des Gesanges ist sie


– purer puter Schneiderscherz

Und trägt der Scheere Spur

– nichts mehr vom grossen vollen Herz

Der tönenden Natur.


Auch beim Uebersetzen ist das schwerste, diesen Ton, den Gesangton einer fremden Sprache zu übertragen, wie hundert gescheiterte Lieder und lyrische Fahrzeuge am Ufer unsrer und fremden Sprachen zeigen. Oft ist kein ander Mittel, als, wenns unmöglich ist, das Lied selbst zu geben, wie es in der Sprache singet, es treu zu erfassen, wie es in uns übertönet, und festgehalten, so zu geben. Alles Schwanken aber zwischen zwo Sprachen und Singarten, des Verfassers und Uebersetzers, ist unausstehlich; das Ohr vernimmts gleich und haßt den hinkenden Boten, der weder zu sagen noch zu schweigen wuste. Die Hauptsorge dieser Sammlung ist also auch gewesen, den Ton und die Weise jedes Gesanges und Liedes zu fassen und treu zu halten; obs überall geglückt sey, ist eine andre Frage. Indessen mag diese Anmerkung wenigstens den Inhalt mancher Stücke rechtfertigen; nicht der Inhalt, sondern ihr Ton, ihre Weise war Zweck derselben. Ist diese gelungen, klingt sie aus einer andern in unsre Sprache rein und gut über; so wird sich in einem andern Liede schon der Inhalt geben, wenn auch kein Wort des vorigen bliebe. Immer ists alsdann aber besser, neue bessere Lieder zu geben, als verbesserte, d.i. verstümmelte alte. Beim neuen Liede sind wir völlig Herr über den Inhalt, wenn uns nur die Weise des alten beseelet; bei der Verbesserung sind wir meistens ohn alle Weise, wir nähen und flicken; daher ich alte Lieder wenig oder gar nicht geändert habe. – Dies ist meine Meinung über das Wesen des[184] Liedes, andrer Meinungen unbeschadet, und jedem Jüngerlein freigestellt, jezt viel von Weise eines Liedes zu gacken, wie es bisher von Wurf gethan hat; ich will hier weder widerlegen, noch theorisiren, sondern erläutern und vorbereiten, was zum Gebrauch und Inhalt dieser Sammlung dienet.[185]

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Darf ich hier, wenn auch an unrechtem Orte, ein ziemlich verkanntes Geschenk unsrer Sprache, einen Nachgesang Homers, wenn nicht von seinem Freunde und Mitsänger, so doch gewiß von seinem ehrlichen Diener, der ihm lange die Harfe getragen, rühmen: es ist die Uebersetzung Homers von Bodmer. Freilich leidet sie, wie keine Uebersetzung auf der Welt, Vergleichung mit dem Urgesange; wenn man indessen diesen vergißt, und sie nicht mit dem Auge ließt, sondern mit dem Ohr höret, hie und da die Fehler menschlich verzeihet, die sich bisweilen auch dem Ohr nicht verbergen und ihm sagen: »so sang wohl Homer nicht!« – Dies abgerechnet, wie man bei jedem menschlichen Werk, und bei Homers Uebersetzung gewiß, etwas abrechnen muß, wird man, dünkt mich, auf jeder Seite den Mann gewahr, der mit seinem Altvater viele Jahre unter einem Dache gewohnt und ihm redlich gedient hat. Die Odyssee insonderheit war ihm, so wie uns allen näher, und ist viele Gesänge durch gar hold und vertraulich. – Dies ist meine Meinung und etwa ein kleiner Dank für das Werk vieler Jahre, dessen Arbeit sich im Genusse wohl über allen Dank belohnt hat; andrer Meinung und künftige Uebertreffung unbeschadet.

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Th. I. S. 266. u.f.

16

S. Eckhard Commentar. de reb. Franc. Orient. Tom. II. p. 948 Schilter. Thes. antiquit. T. I. Vieles in der Bibliothek zu Wien nach Lambecks Anzeige.

17

Schilter. T. II.

18

Der Deutlichkeit wegen merke ich für unsre gelehrten Kunstrichter an, daß Opitz ihn nicht gemacht, sondern gefunden und zuerst herausgegebenhabe. Er steht, ausser Opitzens Ausgabe, in Schilters erstem Theil und in Bodmers leider! nicht vollendetem Opitz.

19

Ekhard. Comment. Franc. orient. T. II. p. 864.

20

Meibom. rer. Germ. T. III.

21

Priester.

22

Strafe, Genugthuung.

23

heilige.

24

Trillers Sächs. Prinzenraub. S. 232. 235.

25

Heims Henneb. Chronik. Th. 3. S. 277–79.

26

S. 185.

27

S. 228.

28

S. 587. Pfefferkorn Merkwürd. von Thüringen S. 458. Desgleichen steht ein Lied von Eroberung des Schlosses Hohenkraen in Senkenbergs select. iuris et histor. T. IV. Ein Lied vom Ritter Georg in Schamel. Beschreibung des Georgenklost. vor Naumb. S. 26. Schlechte Bergreihen in Albini Meißn. Bergchronik S. 47. u.a.

29

Von Rosenplut: s. Reinhards Beitr. zur Gesch. Frankenlandes Th. 1. und Th. 2.

30

Schöttgens und Kreisigs Diplomat. Nachlese Th. 5. S. 114–116.

31

Tom. I. p. 1210.

32

p. 92. b

33

Th. 2. S. 383.

34

Lessings Beiträge aus der Wolfenb. Bibliothek Th. 1.

35

Z.E. Drei schöne neue Lieder vom grossen Scharrhansen zu Wolfenbüttel: von der Niederlage Herzog Heinrichs zu Braunschweig: ein Heerlied für die Kriegsleut 1546. Ein neu Lied von Moritzen, Herz. zu den Sachsen: Wahre Histor. von Herz. Moriz. Ermahnung an die Fürsten, sich der Stadt Wittenberg anzunehmen. Von Ueberziehung des Kaisers, von Belagerung der Stadt Leipzig. Entschuldigung Herz. Moriz, warum er den Kaiser nicht mit Krieg überzogen: von der Bremer Schlacht u.f. Dazwischen Fastnachts- und geistl. Lieder.

36

S. Paullini Philosoph. Feierabend S. 717. Hilscher de Dominica Laetare. Lips. 1690. Hilscher wegen des zur Fasten- und Osterzeit eingerissenen Aberglaubens. Dresd. 1708. Mich dünkt, in den Abhandlungen Böhmischer Gelehrten den Anfang dieses Liedes Böhmisch gelesen zu haben, nebst einer Abhandlung darüber.

37

Die Geschichte von Lazarus und dem Reichen: die meisten Evangelien: u.f.

38

Das Lied des Herrn von Freundsberg, so er nach der Schlacht bei Pavia selbst gemacht, und das Adam Reusner nachher zu seinem Lobe parodiert hat. Es heißt: Mein Fleiß und Müh ich nie gespart, und steht auch hinter der Geschichte desselben. Es scheint zu Luthers cantione de aulis Gelegenheit gegeben zu haben, die etwa 2. Jahr jünger ist und dieselbe Weise hat.

39

Auf der Wiener Bibliothek sind bei Lambeck unter der Nummer 421 bis 440. viele Deutsche Ritter- und Liebesgedichte genannt, die zu Maximilians Handbibliothek gehört haben und ihm sehr lieb gewesen; von ihrem Inhalt aber wird nichts mitgetheilt. Sollte nicht eine nähere Nachricht der Mühe werth seyn?

40

Th. 2. S. 153. 157. So war mir das theure Lied:

Willt du nichts von Liebe hören,

nennst das Freien Ungemach –

ach, du kennst noch nicht die Pein

alt und doch noch Jungfer seyn u.s.w.

unter des edlen Coridons Namen längst bekannt; es verführte mich aber keinen Augenblick zur Anzeichnung, bis ichs jetzt, nebst dem: Hylas will ein Weib, und Hylas will kein Weib haben u.a. in der Lyrischen Blumenlese finde. Es muß also wirklich klassisch schön seyn.

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Stimmen der Völker in Liedern. Stuttgart 1975, S. 167-187.
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