Epilog zum Kriege

[272] Germania, der Sieg ist dein!

Die Fahnen wehn, die Glocken klingen,

Elsaß ist dein und Lotharingen;

Du sprichst: »Jetzt muß der Bau gelingen,

Bald holen wir den letzten Stein.«


Gestützt auf deines Schwertes Knauf,

Lobst du in frommen Telegrammen

Den Herrn, von dem die Herren stammen,

Und aus Zerstörung, Tod und Flammen

Steigt heiß dein Dank zum Himmel auf.


Nach vierundzwanzig Schlachten liegt

Der Feind am Boden, überwunden;

Bis in die Stadt voll Blut und Wunden,

Die keinen Retterarm gefunden,

Brichst du dir Bahn – du hast gesiegt!


Schwarz, weiß und rot! um ein Panier

Vereinigt stehen Süd und Norden;

Du bist im ruhmgekrönten Morden

Das erste Land der Welt geworden:

Germania, mir graut vor dir!


Mir graut vor dir, ich glaube fast,

Daß du, in argen Wahn versunken,

Mit falscher Größe suchst zu prunken[272]

Und daß du, gottesgnadentrunken,

Das Menschenrecht vergessen hast.


Schon, lenkt ein Kaiser dich am Zaum,

Ein strammer, strenger Zepterhalter.

Hofbarden singen ihre Psalter

Dem auferstandnen Mittelalter,

Und 89 wird ein Traum.


Ein Traum? Du sahst, wie Frankreich fiel

Durch einen Cäsar, sahst die Sühne

Vollzogen auf der Schreckensbühne –

Deutschland, gedeihe, wachse, grüne,

Geläutert durch dies Trauerspiel!
[273]

Quelle:
Herweghs Werke. Berlin und Weimar 1967, S. 272-274.
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