Gegen Rom

[61] 1841


Noch einen Fluch schlepp' ich herbei:

Fluch über dich, o Petri Sohn!

Fluch über deine Klerisei!

Fluch über deinen Sündenthron![61]

Nur Gift und Galle war, o Papst,

Was du vom Pol bis zu den Tropen

Der Welt mit deinem Zepter gabst,

Mit deinem Zepter von Ysopen.


Weh dir! Europas Kanaan,

Das einen Brutus einst gezeugt

Und jetzt sich vor dem Vatikan

Mit feigem Sklavengruße beugt;

Im Fleisch der Menschheit ward zum Pfahl

Die Wiege des Rienzi Cola,

Seit Luthern traf des Bannes Strahl

Und seit loyal dort nur Loyola.


Der Boden, der von Honig troff,

Nur Tränen bringt er noch hervor,

Seit Heinrich in des Pfaffen Hof,

Ein Knecht im Büßerhemde, fror;

Sein Weihrauch ist ein Grabgeruch,

Das Eden wurde zur Sahara,

Und zu Italiens Leichentuch

Die farbenglühende Tiara.


Doch spreiz' dich nicht, du stolzes Rom,

Dir ist ein baldig Ziel gesetzt;

Du bist ein längst versiegter Strom,

Der keines Kindes Mund mehr letzt;

Du bist ein tief gefallen Land,

Du bist das auferstandne Babel,

Der Trug ist deine rechte Hand,

Dein Schwert das Märchen und die Fabel.


Und ob du Diener dir erkürst

In aller Welt, du mußt vergehn;

Es kann wohl ohne Kirchenfürst

Der Geist, der heilige, bestehn.

Du Autokrat im Höllenpfuhl,

Empfange noch mein letztes Zeter!

Du Herrscher auf St. Petri Stuhl,

Fürwahr! du gleichest jenem Peter –


Dem keine Glut ins Antlitz flammt,

Wenn man ob Göttern hält Gericht,

Der, wenn man sie zum Kreuz verdammt,

Noch ruft: »Ich kenn' die Menschen nicht!«[62]

Der, wenn die Erde selbst sich härmt

Und tief in sich zusammenschaudert,

Am Feuer seine Hände wärmt

Und mit des Richters Mägden plaudert.


Du bist kein Fels, wie Petrus war,

Du bist nur feig und schwach, wie er;

Ein Morgenhauch bringt dir Gefahr

Und streut dein Reich wie Sand umher!

Du wirst erliegen, Lügenhirt,

Empören werden sich die Denker,

Das Brausen des Jahrhunderts wird

Zertrümmern seine letzten Henker!


Quelle:
Herweghs Werke in drei Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1909], S. 61-63.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Strindberg, August Johan

Gespenstersonate

Gespenstersonate

Kammerspiel in drei Akten. Der Student Arkenholz und der Greis Hummel nehmen an den Gespenstersoirees eines Oberst teil und werden Zeuge und Protagonist brisanter Enthüllungen. Strindberg setzt die verzerrten Traumdimensionen seiner Figuren in steten Konflikt mit szenisch realen Bildern. Fließende Übergänge vom alltäglich Trivialem in absurde Traumebenen entlarven Fiktionen des bürgerlich-aristokratischen Milieus.

40 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon