Jacta alea est!

[59] 1841


Wiewohl mein' fromme Mutter weint,

Da ich die Sach' hätt' g'fangen an:

Gott woll' sie trösten, es muß gahn,

Und sollt' es brechen auch vorm End',

Will's Gott, so mag's nit werden g'wend't,

Darum will brauchen Füß' und Händ'.

Ich hab's gewagt.

U. Hutten


Ich hab's gewagt! und meine Fehde,

Sie währe fort;

Ich hab's gewagt! so steh' ich Rede

Für Manneswort.

Und vor des Thrones Stufen,

Wenn ihr nach meinem Rechte fragt,

Will ich mit Hutten rufen:

Ich hab's gewagt!


Von gestern ist mein Brief und Siegel,

Mein Pergament;

Ich weiß, daß außer meinem Spiegel

Mich niemand kennt.

Ihr laßt die Dämmrung gelten,

Bevor der helle Morgen tagt –

Wohlan – wer will mich schelten?

Ich hab's gewagt!


Ja, gibt der greise Knecht die Zölle

Dem Laster frei,

Dann sei der Jugend Glut die Hölle

Der Tyrannei.

Schaut her, die ihr am Alten

Euch euer Leben müde tragt,

Werft euer Haupt in Falten:

Ich hab's gewagt!
[59]

Ich sah in manch gepriesnem Tempel

Die Unnatur,

Auf manch erlauchter Stirn den Stempel

Des Kain nur;

Und ich ward ungeduldig,

Daß alles zagt und niemand klagt,

Ich donnerte ein: »Schuldig!«

Ich hab's gewagt!


Ich sah viel feige Riesen strecken

Zu Boden sich,

Manch übermütig Zwerglein recken

Sich fürchterlich;

Ich lacht' und sprach: O Zwerge,

Ob ihr auch aus dem Kote ragt,

Ihr seid drum keine Berge!

Ich hab's gewagt!


Ich sah im Hohepriesterkleide

Die Unvernunft,

Gleich Rohr zerbrechen ihre Eide

Die Henkerzunft;

Ich sah von schnöden Hunden

Der Freiheit Edelwild gejagt,

Und wusch ihm still die Wunden:

Ich hab's gewagt!


Dürft' ich an einer Marmorsäule

Ein Simson stehn,

In meiner Faust Herakles' Keule

Zum Schwunge drehn,

Wenn die Paläste brechen –

O Gott, was hast du mir's versagt? –

Zu den Despoten sprechen:

Ich hab's gewagt!


Quelle:
Herweghs Werke in drei Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1909], S. 59-60.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Geistliche Oden und Lieder

Geistliche Oden und Lieder

Diese »Oden für das Herz« mögen erbaulich auf den Leser wirken und den »Geschmack an der Religion mehren« und die »Herzen in fromme Empfindung« versetzen, wünscht sich der Autor. Gellerts lyrisches Hauptwerk war 1757 ein beachtlicher Publikumserfolg.

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon