Der 1. Absatz.

Von dem Gold.

[90] Es hat das Gold / weiß nicht was sonderbares / und ein heimliche Krafft in sich / also daß auch der blose Nahm desselben ein Aufmercksamkeit und Begierd oder aufs wenigst eine Hochschätzung erwecket bey deme / der es auch nur nennen höret.3 Auch dises nicht unbillich / dann was die Sonn am Firmament unter denen Planeten / das ist das Gold auf der Erden unter denen Metallen: nehmlich das fürtrefflichste /edelste / schönste / reiniste / kräfftigst und gesundeste. Das Gold ist eine cörperliche Substanz, welche viel besser fixirt, ausgekocht und purificirt / folgends auch glantzender / vester und daurhaffter ist / als die andere Metall: dann es bestehet in rein ausgekochtem und wohl fixirtem Schwefel und dem besten coagulirten Mercurio, welches theils aus der hohen Farb des Golds erhellet (die ein klares Anzeigen des Schwefels ist) theils weil es ohne Mercurio oder Quecksilber nicht flüßig wäre / und auf keine Weiß konnte geschmeltzt werden. Die Reinigkeit des Golds vor anderen Metallen erscheinet aus dem / daß wann es geschmeltzt wird / nicht abnimmt noch weniger wird / als wie andere Metall / die mit Unreinigkeiten /welche durch das Feur evaporiren / vermischt seynd. Es ist auch viel daurhaffter als andere / es wird von keinem Element verzehrt / corrumpirt oder verderbt; weilen es nehmlich selbsten / als ein fürtreffliches corpus mixtum die Elementen in dem besten Temperament oder Mäßigung in sich schliesset: das Gold ist nicht leicht zerbrechlich / weilen es gar vest / und nicht so poros ist / das ist / nicht so Lufft-Löchlein oder kleine Hölenen hat / als wie andere corpora mixta, und aber eben darum ist es schwerer / als alle andere Metall. Absonderlich ist das Gold sehr gut Artzney-weiß zu gebrauchen / inmassen es grosse Krafft hat unterschiedliche Anligen und Kranckheiten zu curiren / bevorab wann es pulverisirt / oder hingegen in ein liquidum resolvirt wird / und das sogenannte aurum potabile daraus gemacht worden / dann es stärcket gewaltig das Hertz etc.

Wegen so viel fürtrefflichen Eigenschafften ist das Gold jederzeit auch in dem alten Testament æstimirt und hochgeschätzt worden: Es hat auch der gottseelige König David dessen ein erstaunliche Menge mit grossem Fleiß und Mühe zusammen gebracht / welches sein Sohn und Nachfolger der weise Salomon alles zur Auszierung und Ausstaffierung des Tempels zu Jerusalem verwendet hat.

In der Königen Chronick ersten Theil c. 29 v. 4. erzehlet David dem Volck / wie daß er aus allen Kräfften sich bearbeitet habe / allen Vorrath zu dem Hauß GOttes zuzubereiten / Gold / Silber und Ertz / zu guldinen silbernen und ährnen Geschirren etc. Uber dises / setzt er hinzu / gib ich in den Tempel meines GOttes / tria millia talenta auri, de auro Ophir, & septem millia argenti probatissimi: 3000. Centner Golds von Ophir / und 7000. Centner des besten Silbers die Wänd zu vergulden etc. Auch Exodi am 38. c.v. 24. stehet geschrieben: Alles Gold das verarbeitet ist in disem gantzen Werck der heiligen Wohnung ist 29. Centner / 730. Sickel. Ja es hat GOTT selbsten in dem Mosaischen Gesatz Exodi c. 25. & 28. ausführlich andictirt alles / was für Leuchter / Rauch-Fässer / Ring oder Handheben etc. und anderes Geräth zum Dienst GOttes in dem Tempel von lauter reinistem Gold solle gemachet werden. Die Salomonische Schätz und Reichthumen waren so groß / daß wie die Heil.[90] Schrifft bezeugt /kein König ihme auf der Welt jemahl hierinn gleich gewesen ist. Annoch heutiges Tags ist auch bey mächtigen König- und Fürsten ein grosse Menge Golds zu finden. Die König in Persien haben im Brauch niemahl anderst als auß gantz guldenen Geschirr zu essen und zu trincken. In West-Indien solle vormahls so viel Gold gewesen seyn / daß sich die Peruanische König mit klein und grossen guldenen Gefäß oder Geschirren nicht vergnügten / sonder auch so gar Stühl und Trag-Sänfften von lauter Gold haben machen lassen. Die Menge des Golds so man aus Indien nacher Hispanien bringt ist nicht wohl zu beschreiben.

An gewisen Orthen als zu Caruma etc. findet man Gold in Steinen / oder grosse Stein die gantz mit Gold durchzogen: und wiederum andere / welche halb Gold und halb Stein seynd. Es gibt auch nicht wenig Flüß /welche unter ihrem Sand häuffiges Gold führen / als wie der reiche Fluß Tagus in Portugall: Pactolus in Asien: Ganges in Ost-Indien: Cuba und Puerto-Rico in West-Indien etc. sonsten wird insgemein das Gold aus denen so genannten Gold-Aderen in denen Bergen gegraben / und das beste und köstlichste solle sich in Peru und Valdivia befinden. In dem Indisch- und Sinesischen Lust-Garten fol. 1107. wird erzehlt / daß einstens ein Schiff von Dorado nacher Carthagena ankommen / in welchem ein grosser Riß von purem Gold gemacht / mitgebracht worden seye / welcher 47. Spanische Quintal / das ist / unsers Gewichts bey 47. Center gewogen habe und biß dorthin von denen Indianern für einen Abgott seye verehrt worden. Weil sie aber unter die Christenheit und unter den Gewalt des Königs von Spanien kommen / so haben sie ihre Devotion gegen GOTT und dem König zu bezeugen /disen guldenen Risen überschickt.

In dem goldreichen Hispaniola (ist eine Provintz in America) solle einstens ein Massa oder Stuck reinen Golds gefunden worden seyn / so 3600. Realen gewogen hat / auch mehrmahlen Gold-Granen oder Körner 8. Pfund schwer.

In dem Jahr 1623. hat ein Englischer Kauffmann aus Japan geschrieben / es habe der damahlige Japonische Kayser grosse Gemacher oder Kammern voller Gold: neben dem sehr grossen und schweren Gold-Klumpen / so ihm aus einer gewisen Castell zukommen / an deren einem etliche Persohnen genug zu tragen haben. Sihe ein mehrers in dem Indisch- und Sinesischen Lust- und Staats-Garten. V. Gold.

Unbeschreiblich groß und eben so schädlich ist die unmäßige Lieb und Begierd der eitlen Welt-Menschen zu dem Gold: dem Gold zu Lieb thut und leydet man alles / man waget alles zu Wasser und zu Land /kein Gefahr ist zu groß / in die man sich nicht einlasset / kein Mühe und Arbeit / die man nicht auf sich nimmt / ein Stücklein Gold zu erhaschen / welches doch öffters / wann mans erhaschet hat / zu eignem ewigen Untergang gereichet.4

Wie es unter vil tausend andern mit höchstem Schaden erfahren hat jenes unglückseelige geitzige Weibs-Bild in Franckreich / welches unter dem Schein der Andacht und Frommkeit eine grosse Summe Gelds für die Arme und Gefangene von guthertzigen Leuthen erbetten und gesammlet hat / aber nicht das mindeste darvon zu vorgewendtem Zihl und End verwendet / sonder aus unersättlichem Geitz alles zusammen behalten hat / in ihrer Behausung heimlich ein Grub in den Boden gegraben / einen grossen Hafen darein gesetzt und alles Geld / das sie bekommen / darein geworffen / und fleißig mit einem Stein zugedeckt.5 Als nun der Hafen mit Silber und Gold angefüllt / da ware auch die Lebens-Zeit des Geitzigen Weibs-Bild erfüllet: Sie ist gestorben / und gleichwie ihr Geld in der Erden / also ihr Seel in der Höll begraben worden. Nach ihrer Begräbnuß haben die anwesende Geistliche ihre Magd gefragt: wohin auch ihre verstorbene Frau so viel gesammletes Geld habe angewendt / ob[91] sie noch Zeit gehabt selbiges denen Armen auszutheilen? die Magd gabe zur Antwort / sie wisse nichts darum / und habe auch nie gesehen / daß sie denen Armen einen Kreutzer mitgetheilet / wohl aber alles in ihre Kammer getragen habe: worüber man sich höchlich verwunderet / fleißig nachgesucht / und den verborgenen Schatz gefunden hat / auch alles dem Bischoff angezeiget. Diser aus billichem Eyfer bewegt / befahle das Grab zu eröffnen / und alles Geld auf ihren Cörper hinein zu schütten / mit Vermelden / da hast du gleichwohl den Schatz / so du gesammlet hast / GOTT wird denen Armen Vorsehung thun. Nun sihe Wunder der göttlichen Rach! die nächst folgende Nacht darauf höret man ein erbärmliches Heulen und Weheklagen dieses unglückseeligen Weibs / mit deutlichen Worten: daß sie von dem zerflossenen feurigen Gold jämmerlich gebrennt und gepeiniget werde. Als nun dises Schreyen und Jammeren drey Nächt lang gedauret eröffnete man abermahl das Grab und fande / daß wahrhafftig das Gold / als wie in einem Feur-Ofen zerschmoltzen in den Mund des Todten-Cörpers einflosse / und ein schwefelächtige Flamm von sich gab. Alsdann hat man zu GOtt gebetten / daß / nachdeme nun die Schuld und Straff dieser Gottlosen dem Volck schon genugsam bekandt worden / die Plag aufhören / und das Ubel von dem Leib / nimmer aber von der Seel abgewendt werden möchte: welches auch geschehen ist / und nach wieder verschlossenem Grab forthin nichts mehr von dem Geschrey ist gehört worden.6

Eben auch sehr übel ist das zusammen gescharrte Gold bekommen dem geitzigen Calipho einem Kriegs-Haupt bey den Mahometanern; dann als dieser eine grosse Summe Gelds / die er hatte sollen auf ein Kriegs-Heer verwenden / hinderschlagen / und für sich selbsten behalten hat / da ist er von einem mächtigen Feind dem Haolono einem Bruder des grossen Tartar Chams in der Stadt Balduch belägeret und überwunden worden / welcher ihn in einen Thurn hat einsperren und ihm einen grossen Schochen Gold und Silber für die Augen legen lassen / hingegen aber aller Lebens-Mittel beraubt / nichts zu essen und zu trincken geben / sprechend: Nun friß dir genug von diesem Gold und Silber / du unersättlicher Geitz-Halß /wann du disen Schatz wohl hättest angewendt / so wärest du bey dem Leben und die Stadt bey der Freyheit erhalten worden. Adam Weber. in arte discur.


Auri sacra fames, quid non mortalia cogis Pectora.


So mächtig ist des Gelds Begierd

Das Hertz dardurch bezwungen wird.


Doch aber hinderet die unmäßige Begierd zu dem Gold / und desselben üblen Gebrauch mit nichten /daß es an sich selber nicht hochschätzbar und fürtrefflich seye.7 Ja es kan wegen seiner Kostbarkeit gantz füglich mit der Liebe vergliechen werden in vielen Dingen. Dann gleichwie das Gold das edliste / schönste / daurhaffteste und fürnehmste unter denen Metallen ist / also ist die wahre Lieb die edelste / schönste /stärckist- und fürnehmste unter denen Tugenden / wie der Apostel selber bezeugt sprechend: Nunc autem manent Fides, Spes & Charitas, tria hæc. major autem horum est Charitas.8 Jetzt aber bleiben Glaub Hoffnung und Lieb / diese drey: aber die Liebe ist die gröste unter ihnen. Wann sie aber die gröste und fürnehmste ist unter denen Theologischen Tugenden / so ist sie es auch unter denen andern.

Das Gold ist daurhafft und beständig / also / daß weder Feuer noch Wasser es beschädigen / verderben oder vermindern kan. Auch die wahre Lieb ist daurhafft und unveränderlich in Freud und Leyd / in Glück und Unglück: weder das Feuer der Versuchung /weder das Gewässer der Trübsal und Widerwärtigkeiten vermögen sie zu verstöhren. Aquæ multæ non potuerunt extinguere charitatem:9 Vil Wässer haben die Lieb nicht mögen auslöschen / noch die Wasser-Ström sie ersauffen mögen. Die[92] Lieb / die wahre Lieb ist aurum ignitum probatum,10 jenes feurige / oder mit Feur bewährte Gold / welches uns zu kauffen gerathen wird / auf das wir reich werden. Gleichwie das reine Gold die Prob des Feurs ausstehet / ohne daß es abnimmt / verzehrt wird / oder im Rauch aufgehet / ja noch schöner und glantzender wird / also die wahre Lieb / wann sie schon viel leyden muß / so verschwindet sie doch nicht / sie nimmt nicht ab / ja sie laßt sich nur desto herrlicher sehen. Semper diligit, qui amicus est. Ein wahrer Freund liebet beständig.

Ferners das natürliche Gold ist würcksam und kräfftig in der Artzney / es stärcket das Hertz und macht ein fröliches Gemüth / auch das sittliche Gold der Liebe ist sehr kräfftig / fortis ut mors dilectio.11 Sie ist starck als wie der Tod / und also würcksam /daß wann sie nicht würcket / für keine wahre Lieb zu halten ist: Sie stärcket gewaltig das Hertz des liebenden / daß er alles mit Freuden thut und leydet. Wiederum das Gold lasset sich gar leicht durch den Hammer Blättlendinn oder Faden-zart schlagen / also daß aus einem kleinen Partickel Golds (als etwann aus einer eintzigen Ducaten) gar viel Hand-breite Blättlein oder viel lange Gold-Fäden können gemachet werden. Ja Plinius bezeuget / daß aus einer eintzigen Untzen Gold durch die Kunst eines guten Gold-Arbeiters wohl etlich hundert Gold-Blättlein jedes vier Finger breit und lang können geschlagen werden. Auch die Lieb lasset sich gar leicht mit dem Hammer der Trüsal und Verfolgung schlagen / ohne daß sie zerbreche. Charitas patiens est, omnia sustinet.12 Die Lieb ist gedultig / sie übertragt alles. Sie thut sich auch in alle Weite ausbreiten / und über alle erstrecken über Feind und Freund / niemand thut sie ausschliessen / ja auch sogar operit multitudinem peccatorum,13 sie bedeckt die Menge der Sünden.

Endlichen die / so mit vergulden umgehen / und das Kupffer vergulden / pflegen ein Gold in Mund zu nehmen / welches verhinderet / daß der ungesunde Rauch oder Dampff / der von dem Kupffer ausgehet /ihnen nicht schade / eben also die mit bösen Menschen umgehen / oder in bösen Gelegenheiten sich aufhalten müssen / sollen mit dem Gold der Liebe versehen seyn / auf daß sie von ihnen nicht angesteckt und beschädiget werden.

Aber neben so viel guten Eigenschafften / hat das Gold auch dieses Vitium oder Untugend / daß je schöner und glantzender es ist / je stärcker thut es die Augen verblenden / und das Gesicht schwächen / absonderlich wann die Sonn starck darein scheinet.14 Ein Fürstlicher Printz und Caroli M. Enckel ware einer Perduellion oder deß hohen Verraths wieder den Kayser schuldig befunden / und hätte ihme deßwegen / sowohl als andern seines gleichen / zur Straff die Augen sollen ausgestochen werden: aber man hat ihme in soweit geschont / daß man ihme ein guldenes Hand-Becken / in welches die Sonn ihre häuffige Strahlen / geworffen / für die Augen gehalten hat /dises hat er so lang müssen anschauen / biß er vor Hefftigkeit des glantzenden Golds gäntzlich verblendet ist. O wie vil werden hin und wider gefunden /welchen das glantzende Gold / ich will sagen / etwann ein verguldtes Pocal oder Lavo, ein guldene Kette /oder ein Säcklein voller Ducaten / das Gesicht also genommen / und die Augen also verblendet hat / daß sie gar nicht mehr sehen / will geschweigen / votieren oder urtheilen können / was recht und billich ist. Dann wie der weise Mann sagt: Xenia & dona excæcant oculos judicum, & quasi mutus in ore avertit correptiones eorum.15 Geschenck und Gaaben verblenden die Augen der Richter / und machen sie als Stumm / daß sie nicht straffen können. Es verbietet auch GOTT / du sollest keine Geschenck annehmen / welche auch die weise blind machen /und verkehren die Wort der Gerechten.16 Disem stimmet der Poet bey:


Auro pulsa fides, auro venalia jura.


Glaub und Treu dem Gold muß weichen /[93]

Recht und G'rechtigkeit deßgleichen.


Eben so viel will sagen jenes Sprüchlein:


Mutnegra cum murva faciunt rectissima curva:


Liß hinder sich / die Sachen

Alles was krumm / grad machen.


Mit einem guldenen Schlüssel thut man leicht den Mund und das Hertz auf und zusperren: Das Gold ist wie ein Haupt-Schlüssel / wo er nur eingehet / da macht er auf. Ut aves laqueo sic homines auro capiuntur, sagt der Heil Gregorius Nazian. Gleichwie man die Vögel mit Stricken und Maschen fangt / also fangt man die Menschen mit dem Gold und Geld. Die Gerechtigkeit hat eben darum die Augen verbunden /damit sie die Persohn und Schanckungen nicht ansehe / oder damit sie vom Gold nicht verblendt werde.

Aber auch die Liebe verblendet / und in diesem Stuck kommt sie mit dem Gold übereins: wie es wohl erfahren hat Dulcitius ein Land-Vogt Kaysers Diocletiani.17 Dann Agape Chionia und Irena haben GOtt ihre Jungfrauschafft verlobt / und aufgeopffert: Dulcitius aber ware gegen ihnen mit unziemlicher Lieb entzündt / und brache derowegen bey finsterer Nacht mit Gewalt in ihre Behausung / da sie würcklich dem Gebett und der Betrachtung oblagen: diser vor unsinniger Lieb brennend / kommt an statt des Zimmers in die Kuchel / und wird aus Schickung GOttes also verblendt / daß er die rußige Kessel / Häfen und Pfannen für die Jungfrauen angesehen hat / dise verküsset und umhalset er nacheinander / als hätte er seinen verlangten Schatz würcklich in Händen / unwissend wo er seye / und was er thue.18 Er konnte schier kein End machen mit carisiren und Liebkosen / also daß er vom Ruß gantz Kohlschwartz worden / da unterdessen die HH. Jungfrauen im Gebett verharreten. Als aber der Tag angebrochen und der saubere Dulcitius nacher Hauß kehrte / ist er auf der Gassen von jedermann als Kohlschwartz für einen Narren gehalten /und auch als ein solcher tractirt / mit Koth geworffen und abgeprügelt worden. Als er endlich nacher Hauß kommen / und den Spiegel um Rath gefragt / woher ihm dieses Tractament komme / da hat dieser ihme klar gewiesen / daß er so schwartz aussehe als wie der Teufel / und daß ihne seine unsinnige Lieb also verblendet / vor GOtt und denen Menschen zu einem Narren gemacht habe. Baron. ad ann. 749.

Ja die Lieb ist selber blind / wann sie nicht von der Vernunfft erleuchtet und angewiesen wird / da gehet sie gantz blind darein / und sihet nicht / was zu thun oder zu lassen ist.


Quid decet insano nemo in amore videt.


Die närrisch Lieb ist gantz verwirrt /

Sieht nicht / was recht und sich gebührt.


Amor insaniæ proximus est, sagt der Heil. Hieronymus: die Lieb (verstehe die unmäßige oder ungezähmte Lieb) ist der Thorheit nächstens verwandt und zugethan.

Ein so verblendter und thorrechter Liebhaber ist unter tausend anderen gewesen jener adeliche Herr /der seiner Liebsten einen Brief geschrieben / und damit selbiger nicht leer ohne Schanckung einlauffe /ihme selbst einen Finger abgeschnitten und eingeschlossen hat / ihr seine so närrisch / als grosse Affection dardurch zu bezeugen.19

Noch stärcker ware von der Lieb verblendt Galeatius Mantuanus ein sonst tapfferer Held / der zu Pavia nach bezogenem Winter-Quartier in eine junge Weibs-Persohn also verliebt ware / daß / als er sie auf der Bruck eines Flusses zu Pferd gehling hat angetroffen / da bezeugte er mit vielem Wort-Gepräng und Complimenten seine grosse Neigung und Æstime gegen ihr: worauf sie Schertz-weiß sagte / wann nun deme also sey / und es von Hertzen gehe / so solle er ihr zu Gefallen eins wagen / und mit dem Pferd in den Fluß hinab springen. Also gesagt / also geschehen /der Ritter besinnet sich nicht lang / gibt dem Pferd[94] die Sporn / und stürtzt sich in den reissenden Fluß hinab /worinnen auch das Pferd ertruncken / er aber kümmerlich mit dem Leben darvon kommen ist.

Widerum ein anderer hat auf Gesundheit seiner Liebsten den Ranff des ausgetrunckenen Glaß um und um abgebissen / mit den Zähnen zermahlen / und als wäre es lauter Zucker gantz begierig gefressen und hinab geschluckt / also daß ihme das Blut über das Maul abgeloffen / das Inngewayd dardurch zerrissen /mithin die Venus-Brunst samt dem Leben ersteckt und ausgelöscht worden ist: O blinde und thorrechte Lieb! Also wahr ist / was Augustinus sagt: Omnia sæva & immania prorsus facilia & nulla efficit amor. Alles was grausam und unmenschlich ist macht die Lieb leicht und ring / ja gar nichts daraus. Nemlichen:


Starck ist die Lieb (beynebens blind)

Nichts ist das sie nicht überwind:

Auch die gröst Leib- und Lebens-Gfahr /

Acht sie so wenig als ein Haar.


Mithin bleibt es noch im Zweifel stehen / ob das Gold oder die Liebe die Augen und das Gemüth der Menschen mehr verblenden thue / inmassen man sowohl aus grosser Begierd des Golds / als aus hefftigem Antrieb der Liebe solche Ding thut und leydet / ab welchen die gesunde Vernunfft / wann sie nicht gebunden oder verblendet wäre / ja die Natur selbsten ein billiches Abscheunen tragen sollte.


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 90-95.
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