Anhang zu dem Gold.

Von dem Goldmachen.

[95] Obwohl die freygebige Natur / wie ich in vorgehendem Titul gemeldet hab / in unterschiedlichen Bergen und Flüssen der Welt vieles Gold reichlich spendiret /so will es doch dem angebohrnen und unersättlichen Geitz der Menschen nicht erklecken / sondern es heißt da: Ars est simia naturæ, gleichwie die Affen denen Menschen fast alles wollen nachmachen / also will die Kunst in Herfürbringung des Golds der Natur es nachthun.20 Es bemühen sich nicht wenig / die in der Alchymi oder Kunst die Metallen zu scheiden etwas erfahren seynd / aus / weiß nicht was für allerley Materi den wahren Lapidem Philosophicum heraus zu bringen / und vermittelst desselben / anderes Metall in reines Gold zu verwandlen. Zu diesem End bemühen sie sich unendlich viel / sie studiren und speculieren /probiren / laboriren / proceßiren Tag und Nacht / eine auf dise / andere auf andere Weiß und Art. Ob es nun möglich sey durch die Kunst und würcklich wahres Gold zu machen / oder ob es bey einer puren Speculation verbleibe / das will ich da nicht disputirlich ma chen / sonder dahin lassen gestellt seyn. Ich will auch nicht taxiren / oder tadlen diejenige so fleissig als kunstreiche Laboranten / die mit ihrer Müh und Kunst nichts anders intendiren / oder suchen / als zu erforschen und der Welt die geheime Krafft und Würckung der Natur zu zeigen / und zu erweisen / wie selbe so wunderbarlich procedire in Verwandlung eines Metalls oder anderen Dings in das andere etc. Ich will auch nicht urtheilen diejenige / welche durch ihre Kunst und Fleiß kein anderes Zihl und End haben /als ein Gold Artzney weiß zu Erhaltung der Gesundheit zu wegen zu bringen etc. Aber diejenige welche aus sträfflichem Fürwitz / ohne gründliche und genugsame Wissenschafft und Erfahrenheit / aus eitel Geitz und unmäßiger Begierd reich zu werden / sich unterstehen wahrhafftes Gold zu machen / welche zu disem End alle Zeit und Mittel anwenden und verschwenden / sich selbst und die ihrige in Bettel und Armuth stecken / welche die Leuth mit falschem Schein / und leerer Hoffnung betrügen / sie um das ihrige bringen /und das Geld aus dem Beutel schwätzen / welche so hartnäckig und eigensinnig wider alles Einrathen und vernünfftige Einwürff dannoch in ihrem vorgenommen und eingebildeten Goldmachen unabläßlich verharren / auch nachdem es ihnen schon hundert mahl gefehlt hat / nachdem schon so offt das Silber samt der Hoffnung[95] aus dem Digel und Brenn-Ofen zum Camin ausgefahren und im Rauch aufgangen ist /nachdem sie schon so offt an statt der 10. Ducaten /die sie eingesetzt / etwann kümmerlich wiederum 5. oder gar nichts haben herausgenommen / dise / sage ich / so verbeinte und so vernarrete Goldmacher kan ich nicht ohngerupfft und ohngezupfft passiten lassen: sondern ich sag ihnen frey / und ohne Scheu / was es mit ihrem Goldmachen sey / nehmlichen:


Goldmachen ist ein solche Kunst /

Bey der die Zeit unds Geld umsonst:

Ja wanns allzeit dem Recht nachgieng /

Der Künstler offt am Galgen hieng:

Dann mehrentheils ists nur Betrug /

Ein falscher Schein / und lauter Lug.21

Die Kunst bringt gern um Haab und Guth /

Offt noch darzu um Leib und Blut.

Drum rath ich euch verlaffet sie /

Weils ja nichts nutzt und kost viel Mühe.

Es soll euch ja ein Warnung seyn

Der Schad / die Schand und Hertzens-Pein

Der schon so viel eures gleichen

Nicht haben können entweichen /

Eh sie euch gibt den letzten Stich /

Sagt / vor der Kunst GOtt b'hüte mich.


Dann wahrhafftig wie der hocherfahrne P. Kircherus S.J. anmercket / die sich gar zu starck auf die so mißliche Kunst des Goldmachens ergeben / denen stellt der Teufel gemeiniglich absonderlich nach: als welcher gar wohl weißt / daß die unmäßige Begierd reich zu werden / ein starckes und sich weit ausstreckendes Garn seye / die Menschen zu fangen: indem es gar offt geschieht / daß / indem die Goldmacher gar zu eyfrig und begierig seynd / sie unsägliche Mühe und Kosten darauf wenden / und doch immerdar einen Fehler oder Verhindernuß finden / wordurch sie eine Zeitlang zwischen Forcht und Hoffnung aufgezogen und angetrieben werden / immer mehr nachzuforschen / und ihre Mittel daran zu wagen. Endlich aber /indem sie keinen Ausgang finden / gerathen sie in Verzweifflung / begeben sich auf aberglaubisches Schatz-Graben und Teufels-Künsten / und lassen sich mit dem bösen Feind in Gemeinschafft und Bündnuß ein / von dem sie doch schändlich betrogen werden /sie finden kein Gold und verliehren die Seel. Viel dergleichen Traur-Fäll und leydige Casus seynd bey Delrio, Pererio und anderen zu sehen.

Wer der erste Goldmacher gewesen sey / ist nicht leicht zu errathen: doch können meines Erachtens die arme Goldmacher gar wohl den reichen Midas einen König in Phrygien / für ihren Principal und Heer-Führer erkennen / und verehren.22 Dann diser (wie die Poeten dichten) als er einstens den Gott Bacchum gastirt und wohl bewirthet hatte / bekame er zur Recompens von Baccho die Erlaubnuß ein Gnad zu begehren oder zu wünschen / was er immer wolle / mit Versicherung daß er es erhalten solle. Der geitzige Midas aber wünschte ihm nichts mehrers / als daß alles / was er immer anrühre / zu lauter Gold werden sollte. Der Gott Bacchus lachte zwar über dieses thorrechte Begehren: doch sein Wort zu halten / hat er ihne seiner Bitt gewähret / ja es soll geschehen. Midas ware voll der Freuden / weilen er die Goldmacher Kunst so leicht und bald ergriffen: Er tastete eylends bald dieses bald jenes grosse Stuck Holtz oder Stein an / und alles wurde unverzüglich in lauter Gold verwandlet. Als ihn aber Lust zum Essen ankommen / da setzt er sich zur Tafel / langet nach Speiß und Tranck: so bald er aber einen Bissen oder einen Trunck hat angerührt /und mit diesem dem Mund zufahren wollen / da ist augenblicklich alles zu lauter Gold worden / welches er ja weder essen noch trincken konnte / und also von Hunger und Durst gewitziget / hat lernen müssen /wie thorrecht er gehandelt habe. Er bate deßwegen die Götter auf ein neues / sie wollten doch diese allzugrosse Gnad /[96] oder vielmehr Straff und Plag ihme wiederum ab und zuruck nehmen / und an statt eines Klumpen Golds ein Stuck Brod vergonnen / den Hunger zu stillen. Sie habens auch gethan / und sich über ihn erbarmt mit Befehl: er solle sich in dem Fluß Pactolo baden / worvon dieser Fluß das Gold-Sand zu führen angefangen hat. Doch hat der Gott Apollo ihme zur Straff und Angedencken seines närrischen Wunsches an statt der Königlichen Cron ein langes paar Esel-Ohren aufgesetzt und wachsen lassen.

Ich lise von gewisen Indianer / bey welchen das Gold / wie gemeldet worden / so häuffig ist / daß wann sie von ihrem König zu Gast geladen werden /da thun sie für ein Zierd ihren gantzen blosen Leib mit Gold überschmieren / auch mit vielen guldenen Adlern sich behencken. Aber die jetzige Goldmacher vermögen mit all ihrer Kunst nicht einmahl einer Mucken die Flügel / will geschweigen / sich selber gantz zu vergulden oder guldene Adler aufzubringen. Ihr Hertz und ihre Gedanchen seynd zwar verguldet /ja voller Gold / aber nur in der Begierd und eitlen Hoffnung: in der Sach selbsten aber bleiben sie arm /oder wann sie es lang treiben / werden sie doch arm.

Dise Goldmacher kommen mir vor als wie des Æsopi Hund: dieser hat ein gutes Stuck Fleisch erwischt / mit diesem laufft er bey hellem Mond-Schein über einen Steeg / und siehet im Wasser in dem Schatten einen andern Hund / der noch ein grösseres hatte / er war ihm neidig darum und möcht es gern haben: als er aber das Maul aufthät / und darnach schnappte / ließ er sein eigenes ins Wasser fallen /verlohre es / und noch weniger bekame er ein grösseres.23 Eben also die etwas Mittel haben / und aus Geitz sich hinter das Goldmachen lassen / und in Hoffnung reicher zu werden / ihr Geldlein darwenden / die bekommen von neuem nichts und verliehren das Alte: die Hoffnung zu dem Gold fallet in das Wasser /und das Silber verschwindet in dem Lufft oder gehet in dem Rauch auf.

Es kan zwar das Gold füglich auch mit der Weißheit / ja mit der Tugend insgemein verglichen werden wegen seiner Schön- und Kostbarkeit / wegen dem Glantz und der Reinigkeit / wegen dem schweren Gewicht / der Daurhaffte und Nutzbarkeit. Aber das Goldmachen (verstehe das so mißlich und betrügliche Goldmachen) ist weder ein Tugend / noch ein Weißheit / sonder vielmehr ein Laster und Thorheit: inmassen es ja ein Thorheit ist / sein Haab und Gut in ein so mißliches und gefährliches Spiel setzen / welches so selten wohl / gemeiniglich aber sehr übel ausschlagt: Ein Laster aber und Boßheit ist es / weilen es ehrlichen Leuthen durch leere und betrügliche Hoffnung / durch falschen Schein das ihrige abnehmen /das Geld aus dem Beutel schwätzen / und in das Verderben bringen thut.

Nun sihe ich ein andere weit sicher- und richtigere Kunst Gold zu machen / die unvergleichlich nützlicher und einträglicher ist: nehmlich aus eisenen und bleyenen Wercken lauter silberne und guldine zu ma chen das ist / aus indifferenten Wercken / die an ihnen selber weder gut noch böß seynd / und keinen Werth oder Verdienst haben / als wie lesen / schreiben / gehen etc. GOtt gantz gefällig und hochverdienstlich zu machen.24 Diese Kunst aber bestehet in dem / daß wir alles / was wir thun und lassen / aus reiner guter Meynung und aus Liebe GOttes thun /dann weil die Liebe / wie erwiesen worden / dem Gold gleichet / so thut sie all unsere Werck / die aus Lieb GOttes geschehen / gleichsam vergulden / ja zu lauter Gold machen. Diese Kunst und Weiß geistliches Gold zu machen / lehren und rathen die H H. Vätter und alle geistliche Lehrer: Ja Christus der HErr selbsten hat sie mehrmahlen seinen Liebhabern als höchst nutzlich und verdienstlich persöhnlich gerathen und anbefohlen. Dise gut und reine Meynung /wann sie von Hertzen gehet und zum öfftern wiederholet wird / ist der wahre Lapis Philosophicus oder Gold-Stein / der andere Materien / die erberührt / in Gold verwandlet. Da hingegen[97] alle obwohlen vor den Augen der Menschen höchst ansehnlich und hochgepriesene Werck ohne die Liebe und gute Meynung /als gantz nichtig und unnutz von GOtt angesehen / ja gäntzlich verworffen werden; darumen ermahnet uns der Apostel getreulich / sprechend: Ihr esset oder trincket / oder thut etwas anders / so sollt ihr alles thun zu der GOttes Ehr.25

Wann man endlich ja auch sichbarliches und Materialisches Gold haben will / so gibt es noch wohl eine zuläßliche und sichere Weiß und Art / Gold oder Geld zu machen: und dise bestehet kürtzlich in deme / daß der Mensch nach seiner Stands-Gebühr auf ein oder andere Wissenschafft / freye Kunst / ehrliches Gewerb / oder Handthierung mit beständigem Fleiß sich begebe und derselben emsig oblige / oder wann es sein Stand zulasset / ein Æconomie oder Haußhaltung mit Nutzen und Vortheil / klug und vorsichtig anstelle /mäßig lebe / in der Kleydung / Nahrung und in dem Hauß-Geräth / Recreation etc. keinen Uberfluß ihme selber und den Seimgen gestatte: forderist aber durch tägliches Gebett den Göttlichen Seegen fleißig erbitte / und beynebens der Wercken der Barmhertzigkeit /absonderlich deß Allmosens nicht vergesse.26 Auf solche Weiß sage ich / wird man leicht so vil Gold machen / welches wo nicht zur Reichthum und Uberfluß / doch zur Nothdurfft und ehrlichen Unterhalt erklecken mag.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 95-98.
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