|
[25] Die Vorigen. Der schwarze Vorbeter. Hinter ihm seine Adjuvanten. Er läutet die Gebetsbretter und singt dazu auf einem und demselben hohen Tone:
Heeehhh alas salāh! Heeehhh alal = felāh! Auf zum Gebete! Auf zum Heile! Heeehhh alas salāh! Heeehhh alal = felāh! Allāh akbar! Allāh hu!
Hierauf kniet er nieder, hinter ihm die Adjuvanten auch. Sie beginnen ihr schreckliches Ūmehā, und alle Anwesenden fallen ein, nur Schēfakā ausgenommen. Als es genugsam wiederholt worden ist, steht der Neger mit seinen Adjuvanten auf. Sie falten alle die Hände, und er spricht: »Laßt uns die heilge Fāt'ha beten!« Hierauf rezitiert er.
»Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Lob und Preis sei Gott, dem Weltenherrn, dem Allerbarmer, der da herrschet am Tage des Gerichtes! Dir wollen wir dienen, und zu dir wollen wir flehen, auf daß du uns führest den rechten – – –«
Er kommt nicht weiter, denn der Scheik eilt von seinem Throne herbei, auf ihn zu, knallt ihm die Peitsche vor das Gesicht und ruft zornig.
SCHEIK.
Was fällt dir ein, du Wurm, du Laus, du Milbe!
Wasch dir den Mund mit Seife von Ischnān,
Doch wage niemals, so mit Gott zu sprechen,
Als ob er wenigstens dein Freund und Vetter,
Wohl gar der Onkel deiner Tante sei![25]
Du hast nach meinem Formular zu beten,
Kein Wort hinzu und keines davon weg;
Allāh ist Herr, und was ich will,
Klatscht mit der Peitsche.
geschieht!
Ich weiß es wohl: Seitdem in unserm Schlamme
Das Christentum nach Heidengöttern gräbt
Und so ein »Baal« kaum zehn Piaster kostet,
Ist auch Allāh im Preis bei euch gesunken.
Da schreit nun jeder Esel stracks zum Himmel,
Indem er meint, die Allmacht habe sich
In allerhöchster, eigener Person
Direkt um seinen Häcksel zu bekümmern.
Doch aber uns, vom heilgen Īmamāt,
Die wir allein, allein berufen sind,
Die Seligkeit im Volke zu verteilen,
Uns will man plötzlich überflüssig finden!
Zu Allen.
Ich sage euch, Allāh soll wieder steigen,
So hoch, so hoch, daß euch die Lust vergeht,
Nach ihm zu pfeifen, wie es euch beliebt!
Zum Vorbeter.
Ich will das Ūmehā noch einmal hören!
Der Schwarze kniet wieder nieder, seine Adjuvanten mit ihm. Das Ūmehā wird wiederholt, samt den Verbeugungen. Der Scheik schlägt mit der zusammengelegten Peitsche den Takt dazu, gibt nach einiger Zeit das Zeichen, aufzuhören und fährt dann fort.
Es mag genügen! Merkt euch diese Lehre,
Und betet nach der altbewährten Weise!
Das schnappt und klappt! Das ist so fest gefügt!
Das bricht sich Bahn! Wer kann da widerstehen!
Ein solch Gebet steigt wie in Wehr und Waffen
Zum Himmel auf und muß selbst Gott besiegen!
Das ist der alte, eiserne Islām,[26]
Der nicht zu klappern und zu plappern braucht
Wie die,
Zum Vorbeter.
nach denen du jetzt schnattern wolltest.
Ich selbst, ich bete nur das Ūmehā
Und weiß, daß ich mit diesem Schlachtenkeil
Zunächst die alte Mārah Dūrimēh,
Sodann mit ihr die Stämme der Kirām
Spuckt aus.
Und endlich gar das Christentum besiege.
Und hörst du mich einmal aus freiem Munde,
Und wärs auch nur die kurze Fāt'ha, beten,
So kannst du tausend Eide darauf schwören,
Daß es mit mir zum raschen Ende geht!
VORBETER erschrocken über diese Herausforderung des Schicksales, hebt abwehrend den Arm und weicht zurück.
Daß es mit dir – – –
SCHEIK knallt mit der Peitsche.
Hinaus mit euch, hinaus!
VORBETER beendet seinen Satz.
Zum raschen Ende geht!
SCHEIK.
Hinaus, hinaus!
Vorbeter mit Gefolge ab.[27]
Ausgewählte Ausgaben von
Babel und Bibel
|
Buchempfehlung
Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro