Dritter Auftritt


[28] Die Vorigen, ohne den Vorbeter und sein Gefolge.


IMĀM beiseite, zum Scheik.

Das war sehr klug, o Scheik!

KĀDI ebenso, einstimmend.

Sehr klug, o Scheik!

IMĀM.

Höchst einsichtsvoll!

KĀDI.

Höchst einsichtsvoll, o Scheik!

SCHEIK zu ihnen beiden.

Das rechte Wort zur rechten Zeit, nichts weiter!


Wieder zum Throne zurückkehrend, zu Allen.


Doch warne ich! Als dieser Mensch es wagte,

Im Stehen und aus freiem Mund zu beten,

Da sah ich die Gefahr, die uns bedroht,

In ihrer ganzen, schwarzen Mißgestalt.

IMĀM.

Ist er denn Christ?

KĀDI.

Ein heimlicher?

SCHEIK.

Noch nicht,[28]

Doch ohne meine Peitsche kann ers werden.

Und darum will ich Peitsche sein, Kurbātsch,


Klatscht.


Kurbātsch für Alle und Kurbātsch für Jeden,

Der mit dem Geist des Abendlandes äugelt

Und ihm erlaubt, sich bei uns einzunisten!

Denn dieser Geist ist es, nur dieser Geist,

Der an das große, edle Fürstenwort

»Europa, wahre deine heilgen Güter«

Die niedrige, die frevle Mahnung fügt

»Von Asien aber nimm, so viel du willst!«

BABEL.

So sei denn du der Geist des Morgenlandes,

Und sammle deine Scharen gegen ihn!

IMĀM.

Wer soll es sonst wohl wagen, wenn nicht du!

KĀDI.

Du bist Abū Kitāl, des Kampfes Vater!

SCHEIK stolz.

Abū Kitāl, der Scheik der Ān'allāh,

Den niemals je ein Sterblicher besiegte,

Im Schach so wenig wie im Waffenspiel!

Der »Geist des Morgenlandes« soll ich sein?

Es wäre Wahnsinn, wenn ich es nicht wäre!

Doch dieser Geist war stets ein Ān'allāh

Und kann nicht über Nacht Mongole werden.

Wohlan, wohlan, ich will es nicht nur sein,

Ich bin es schon, ich bin es wirklich, wirklich,

Denn wenn es Geister gibt, so sind sie Menschen,[29]

Und Mensch bin ich auf jeden Fall


Von oben herab lächelnd.


wohl auch!

BABEL.

Der größte, den es gibt!

IMĀM.

Der mächtigste!

KĀDI.

Der klügste auch!

SCHĒFAKĀ kindlich schwärmerisch.

Des Vaters Ideal!

SCHEIK.

So sei es denn! Der Kādi hat zu sprechen!


Der Kādi steht auf, um nach dem »Teppich der Rede« zu gehen. Da aber erhebt der Märchenerzähler Einspruch.


HĀKAWĀTI.

Noch nicht, noch nicht! Laßt erst das Märchen reden!

SCHEIK zum Hākawāti.

So sprich!

HĀKAWĀTI steht auf.

Ich danke dir – – – ich danke dir!


Wird, während der Kādi sich wieder setzt, von Schēfakā nach dem »Teppich der Rede« geführt. Auf Schēfakā gestützt, spricht er von dieser Stelle aus.


Mit ihrem Geiste kam die Bibel einst – – –

SCHEIK ihn unterbrechend.

Das alte Märchen! Immer nur dies Märchen!

SCHĒFAKĀ zum Scheik.

So laß ihn doch!

BABEL ihr beistimmend.

Er hat ein Recht dazu![30]

HĀKAWĀTI wieder beginnend.

Mit ihrem Geiste kam die Bibel einst

Zum »Menschen der Gewalt« im Lande Babel.

Der nahm sie nur für kurze Jahre auf,

Dann stieß er sie hinaus, doch ihren Geist

Behielt er heimlich hier im Turm zurück

Und ließ dafür den seinen mit ihr gehen.

Seit jenem Tage wird die heilge Schrift

Von diesem Geiste der Gewalt bemeistert;

Der wahre Geist der Bibel aber schmachtet


Auf den Turm zeigend.


Im tiefen Fundamente unsers Turmes,

Und Niemand hat den Mut, ihn zu befreien,

Weil über ihm Kitāl, der Drache, wohnt,

Vor dem sich selbst die größten Helden fürchten.

SCHEIK.

Kitāl bin ich – – – in seinem Auge ich!

HĀKAWĀTI fortfahrend.

Doch stets am Abende vor großen Tagen

Hört man im Turm die Harfen der Psalmisten – – –

SCHEIK einfallend.

Ich hörte sie noch nie!

SCHĒFAKĀ.

Doch aber ich!

HĀKAWĀTI spricht unbeirrt weiter.

Denn vor dem allergrößten dieser Tage

Wird sich die Bibel wieder heimwärts finden,

Geleitet von der Hand der Menschheitsseele – – –

SCHEIK schnell.

Doch hoffentlich die echte Menschheitsseele,[31]

Und nicht ihr Zerrbild, Mārah Dūrimēh,

Die morgen kommt, mir Trotz und Schach zu bieten!

HĀKAWĀTI.

Zu gleicher Zeit erscheint an unserm Turme

Der längst ersehnte, erste Edelmensch,

Um mit der scharfen Klinge des Kismēt

Kitāl, den Kampf, den Drachen, zu besiegen,

Den wahren Geist der Bibel zu befreien

Und ihn auf


Zum Scheik, auf den Thron deutend.


diesen deinen Thron zu setzen.

SCHEIK.

Ein Wahnsinn sondergleichen, dieses Märchen!

Der erste Edelmensch der Weltgeschichte,

Sargāni, Herr und König von Akkād,

Hat vor sechstausend Jahren hier gesessen,

Hier, auf demselben Throne! Man bedenke!

Und der soll noch nicht dagewesen sein!

HĀKAWĀTI ohne auf diesen Einwurf zu achten.

Und dann geht heilger Friede von uns aus,

Von uns, die wir den Kampf zum Herrscher haben.

Denn dieser Kampf muß, ohne daß er will,

Nur aus sich selbst heraus den Frieden zeugen. –


Macht eine kurze Pause, dann weiter.


Das Märchen sagt, was es zu sagen hat;

Ob ihr es hört, das ist nur eure Sache.

Wollt Ihr den Kampf, so kann ich es nicht ändern,

Doch hier am Turm sei Friede, immer Friede,

Damit, wenn einst die Harfen wieder klingen,

Kein Menschenblut grad an der Stätte fließe,

An der der Mensch zum Menschen werden soll.


Steigt, von Schēfakā unterstützt, vom »Teppich der Rede« herab und wird von ihr bis an seinen Sitzt geführt.[32]


SCHEIK ironisch.

An der – – – der Mensch – – – zum Menschen werden soll!

Zum – – – Edelmenschen?


Stark und drohend.


Etwa zum Kirām?

Denn die Kirām –


Spuckt verächtlich aus.


Allah ver-


Klatscht.


damme sie! –

Bezeichnen sich allein als Edelmenschen,

Hingegen uns als Menschen der Gewalt,

Die noch nicht sind, was sie zu werden haben.


Drohend.


Das, was wir sind, das wird sich morgen zeigen,

Und was wir werden, wissen wir schon heut.

Der Kādi hat zu sprechen – – – ohne Märchen!


Der Kādi steht wieder auf und geht nach dem »Teppich der Rede«.


KĀDI.

Ich klage an die Stämme der Kirām,

Die in Afdāla und Amāna hausen

Und darum sich für bessre Menschen halten

Als alle Andern, die auf Erden sind – – –

SCHEIK.

Die Hunde, die nach uns gebissen haben,

Noch beißen und auch ewig beißen werden!


Spuckt verächtlich aus, alle Andern ebenso, nur Schēfakā, Babel und den Hākawāti ausgenommen.


KĀDI fortfahrend.

Sie trachten nach dem Turm der Ān'allāh,

Nach allen Wundern und nach allen Schätzen,

Die er, geheim, in seinem Innern birgt.

Und weil sie sich zu schwach zum Kampfe fühlen – – –[33]

SCHEIK fällt, sich brüstend, ein.

Kitāl, Kitāl, das Drachenungeheuer!

KĀDI fährt fort.

So haben sie das Abendland gerufen

Und sich mit Mārah Dūrimēh verbündet,

Um uns den Turm zu nehmen und den Raub

Dann unter sich – – –

SCHEIK einfallend.

Wie brüderlich!

KĀDI fortfahrend.

zu teilen.

Ihr neuer Scheik, der Bēn Tesālah heißt,

Der »Sohn des Friedens« – – –

SCHEIK einwerfend.

Ich, »des Kampfes Vater!«

KĀDI fährt fort.

Hat Krieger aus Europa kommen lassen,

Um seine Beduinen einzuüben;

Kanonen sind bereits schon unterwegs,

Und kommen wir dem Streiche nicht zuvor,

So wird der Krieg wie ein empörtes Meer

Um unsern Turm und unsrer Schätze wogen

Und Alles, Alles, selbst auch uns, verschlingen.

SCHEIK grimmig.

Und das darf sich den »Sohn des Friedens« heißen!


Spuckt aus, die Andern ebenso, mit Ausnahme der schon Genannten.


Ist noch ein Knabe, zwanzig Jahre alt!


Spuckt aus, die Andern mit.


Der keinen Vater, keine Mutter hat!


Abermaliges Ausspucken.


Er wurde schmutzig, wie ein Ungeziefer

Im Dorngestrüpp der Wüste aufgefunden,[34]

Ein Wechselbalg, ein Bankert, ein Bastard,

Der morgen auch mit kommt, mir Schach zu bieten!


Nochmals Ausspucken Aller, außer den Drei.


KĀDI fährt fort.

Ich klage an auch Mārah Dūrimēh,

Die Herrin von Kulūb und Märdistān – – –

SCHEIK einfallend.

Das alte Geisterweib, die Lügnerin,

Die euer Hohn zur »Menschheitsseele« macht.

Allāh verdamme und vernichte sie!

HĀKAWĀTI von seinem Platze aus, schnell.

Allāh behüte sie, die einzig Wahre,

Die niemals lügt, sie irre denn sich selbst!

SCHEIK.

Du bist die Sage, und du bist das Märchen.

Was weißt denn du von Mārah Dūrimēh!

SCHĒFAKĀ.

Verzeih, o Scheik, da muß ich ihm wohl helfen!

Doch grad als Sage und doch grad als Märchen

Muß er die Menschheitsseele besser kennen

Als jeder Andre, dich nicht ausgenommen!

SCHEIK nachsichtig verweisend.

Du bist ein Kind – – –

SCHĒFAKĀ heiter.

Jawohl, das Schreckenskind!

SCHEIK fortfahrend.

Und hast ja schon als Tochter deines Vaters

Wohl keinen Grund, das Weib in Schutz zu nehmen.

Denn als er einst


Geht zu Babel hin, nimmt das Buch »Der Menschengeist« und zeigt es.


das Buch vom »Geiste« schrieb[35]

Und es ihr dann als Ehrengabe sandte,

Da hat sie es begeifert und verworfen.

Und als sie kürzlich von der »Seele« hörte,


Zeigt das Buch »Die Menschenseele«.


Die hier im Manuskripte vor uns liegt,

Da hat sie nur so obenhin gelächelt!

SCHĒFAKĀ.

Das kann sie auch, wenn sich der Vater irrt.

Bedenke doch, er ist ja nur ein Mensch,

Doch aber sie, sie stammt aus Sternenwelten,

Ist viele, viele tausend Jahre alt,

Mit langem, weißem Haar in starken Zöpfen,

Die vorn herab bis fast zur Erde reichen.

Wenn sie zur Ebene herniedersteigt,

Trägt sie den Strahlenpanzer von Kristall – –

SCHEIK einfallend, ironisch.

Und bleibt sie oben, was sie immer tut,

Denn von uns Keiner hat sie je gesehen,

So sitzt sie mit Gespenstern an dem Brette

Und spielt um Menschenseelen Schach mit ihnen.

Sie heißt mit Recht die Hexe des Schatrāndsch1,

Denn wer Jahrtausende um Seelen spielt,

Der wird in allen Kniffen wohlgeübt

Und kann zuletzt den Teufel überlisten.

IMĀM.

Auch dich?

KĀDI.

Auch dich?

BABEL.

Den weltbekannten Meister?[36]

SCHEIK.

Auch mich? Das ist ja heut die Lebensfrage!

Ich lade sie seit lange jährlich ein,

Zum Turm der Ān'allāh herabzukommen,

Um den Entscheidungskampf mit mir zu wagen,

Und sie, sie hat es immer abgelehnt – – –

IMĀM.

Aus Angst natürlich!

KĀDI.

Nur aus Angst!

ALLE durcheinander.

Aus Angst!

SCHEIK.

Doch jetzt, in diesem Jahre, mir zum Staunen,

Ging sie auf meine Ladung ein; sie kommt.

Das hat natürlich einen eignen Grund,

Den ihr erfahren werdet. Kādi, weiter!

KĀDI.

Ich klage gegen sie, die Heuchlerin,

Die öffentlich als unser Gast erscheint

Und aber heimlich ihre Truppen sammelt,

Um uns mit Mord und Brand zu überfluten.

Sie hält es mit dem Geist des Abendlandes

Und leistet ihm Gefolge, wo sie kann.

Soeben jetzt, wo er nach alten Göttern

Und neuen Bahnen hier im Lande strebt,

Beschützt sie ihn bei Allem, was er tut.

Ihr alle wißt es, daß sie morgen kommt,

Um gegen uns ein großes Schach zu reiten,

Auf freiem Feld, mit lebenden Figuren

Und Pferden allererster Qualität.[37]

Sie wird mit großem Prunke hier erscheinen,

Und reich an Zahl wird ihr Gefolge sein,

Vor dem ich euch – – –

SCHEIK die Peitsche erhebend.

Paßt auf!

KĀDI fortfahrend.

zu warnen habe.

Es kommt mit ihr der Geist des Abendlandes

Mit einer Menge fremder Offiziere,

Die spionieren und vermessen sollen – – –

SCHEIK.

Als unsre Gäste! Welche Niedertracht!

KĀDI spricht weiter.

Natürlich sind sie Alle wohl verkleidet

Und Jeder wohlgeübt in seiner Rolle – – –

SCHEIK.

Figuren zu dem Schachbrett Nummer Zwei!

ERSTER AELTESTER.

Dem Schachbrett Nummer Zwei?

ZWEITER AELTESTER.

Dem Schachbrett Nummer Zwei?

DRITTER AELTESTER.

Dem Schachbrett Nummer Zwei?

SCHEIK.

Jawohl!

KĀDI.

Jawohl, dem Schachbrett Nummer Zwei![38]

SCHEIK ihnen erklärend.

Das Schach, das wir im freien Felde reiten,

Das wird uns von dem Gegner vorgeschoben,

Um uns zu täuschen, uns zu überlisten.

Ich spreche da vom Schachbrett Nummer Eins.

Doch, während wir auf dieses eine starren,

Um Mārah Dūrimēh den Preis zu nehmen,

Sitzt hinter uns, ganz heimlich, unbemerkt,

Der Geist des Abendlandes an dem zweiten

Und macht uns māt, bevor wir es nur ahnen.

BABEL warnend.

Und macht uns māt!

IMĀM.

Und macht uns māt!

KĀDI.

Und macht uns māt!

ALLE durcheinander.

Und macht uns māt!

ERSTER AELTESTER.

Bevor wir es nur ahnen!

ZWEITER AELTESTER.

Bevor wir es nur ahnen!

ALLE durcheinander.

Bevor wir es nur ahnen!

SCHEIK sich an die Brust schlagend.

Doch aber hier, der Scheik der Ān'allāh,

Den ihr den Geist des Morgenlandes nennt,

Durchschaut den Plan gleich mit dem ersten Blicke[39]

Und lächelt über diese grobe List.


Entschlossen.


Ich spiele mit! Ich spiele gegen beide!

Und noch viel mehr: Ich habe schon gezogen.

Ich spiele gegen Mārah Dūrimēh

Nur um der Ehre, um des Namens willen,

Doch gegen ihn, den Geist des Abendlandes,

Geht es um unsern Turm, um unser Reich,

Um unser Land, ja, um die ganze Erde

Und außerdem um unsern heilgen Glauben,

Der mir so herrlich und so köstlich war,

Daß ich für ihn, wie ihr ja alle wißt,

Mein Weib und Kind hinweggeworfen habe – – –

Mein Weib!


Niedergeschlagen.


O Bēnt'ullāh, o Bēnt'ullāh! – – –


Sich zusammenraffend.


Für ihn bin ich noch andrer Opfer fähig.

Man komme nur: man taste mir ihn an!

Man kennt ihn nicht; man kennt auch uns nicht mehr.

Die Zwerge sind so klein, so klein geworden,

Daß sie nicht mehr an Riesen glauben können.

Noch aber lebt Allāh, noch leben wir,

Und im Kurān liegt Kraft zu tausend Siegen.

Sprich weiter, Kādi!

ERSTER AELTESTER.

Weiter!

ZWEITER AELTESTER.

Weiter!

ALLE durcheinander.

Weiter!

KĀDI.

Wahrscheinlich ist der Geist des Abendlandes

Mit Mārah Dūrimēh schon in Hillēh,[40]

Von wo er morgen hier erscheinen wird,

Natürlich nur in irgend einer Maske,

Durch die er aber uns nicht täuschen kann.

Und heute kam ein Bote aus Djedūr

Und brachte uns die sonderbare Kunde,

Daß sich der Scheik der Stämme der Kirām

Von dort zu uns herüberwenden werde,

Um in dem Schach mit Mārah Dūrimēh

Als »König« ihrer Seite mitzureiten.

Er habe sie noch nie, noch nie gesehen

Und freue sich, sie hier bei uns zu finden – – –

SCHEIK schnell.

Da habt ihr es ganz offen, das Komplott:

Das Abendland mit seinen Offizieren,

Das alte Weib mit Spähern und Spionen

Und endlich gar der liebe »Sohn des Friedens«,

Der heimlich rüstet, uns zu überfallen.

Die haben wir beisammen – – –


Wiederholt, indem er jedes Wort einzeln betont.


hier – – – bei – – – sammen!

Das ist doch mehr als nur ein Fingerzeig.

Die hat Allāh zu uns herbeigetrieben,

Und wir verstehen ihn, wir greifen zu!

ERSTER AELTESTER.

Wir greifen zu!

ZWEITER AELTESTER.

Wir greifen zu!

DRITTER AELTESTER.

Wir greifen zu!

ALLE durcheinander, mit Waffengeklirr.

Wir greifen zu![41]

KĀDI.

So habe ich mein letztes Wort zu sagen,

Indem ich euch an eure Pflicht erinnre,

Das heilge Recht der Ān'allāh zu schützen.

Ich fordere den Krieg – – –

HĀKAWĀTI sich erhebend.

Und ich den Frieden!

KĀDI.

Und bitte die Dschemmāh, ihn zu beschließen.

Der Scheik befrage des Kismēt!


Kehrt nach seinem Platze zurück.


SCHEIK.

Es sei!


Zieht die krumme Klinge aus der Gürtelschnur, hält sie mit beiden Händen, die eine am Griff, die andre an der Spitze, hoch über den Kopf und fährt fort.


So zeige ich nach alter Stammessitte

Nun der Dschemmāh die Schärfe des Kismēt

Und frage nach dem Kampf und nach dem Frieden.

Wer will den Frieden?

HĀKAWĀTI die Hand hebend.

Ich!


Sich umschauend, klagend.


Nur ich allein!

SCHEIK zum Hākawāti, indem er die Klinge sinken läßt.

Dein Friede ist, wie du, ja nur ein Märchen!


Zur Versammlung.


Wer aber will den Kampf?

KĀDI will sich eben setzen, bleibt aber stehen.

Wer will den Kampf?

ERSTER AELTESTER die Hand erhebend.

Den Kampf![42]

ZWEITER AELTESTER die Hand erhebend.

Den Kampf!

DRITTER AELTESTER die Hand erhebend.

Den Kampf!

IMĀM die Hand erhebend.

Wir alle!

ALLE die Hände erhebend, mit Waffengeklirr.

Alle!

HĀKAWĀTI.

So gehe ich!

SCHĒFAKĀ ihn stützend.

Und ich, ich gehe mit.

HĀKAWĀTI im Gehen, zu ihr, aber so, daß auch die Andern es hören.

So wirst du Gäste grüßen, meine Gäste.

SCHEIK zu ihm.

Du sprichst von Gästen?

HĀKAWĀTI stehen bleibend.

Ja.

SCHEIK.

Wer ist es wohl?

HĀKAWĀTI.

Du weißt es ja. In meinem armen Zelte,

Das fern, entlegen von den andern steht,

Kehrt Niemand ein als nur die Phantasie.

SCHEIK schnell und animiert.

Die Phantasie? So ist sie wieder da?

HĀKAWĀTI.

Mit einer Schülerin.

SCHEIK.

Und weiter, weiter?[43]

Sie meidet uns. Wir kennen sie noch nicht.

Hast du gesagt, daß ich sie sehen will?

Daß ich sie gern zu unserm Spiele brauche?

HĀKAWĀTI zurückhaltend.

Ich sagte ihr, daß Schattenspieler kommen,

Mit ihrer Kunst die Gäste aufzuregen,

Und du zu mir den Wunsch geäußert habest,

Daß sie, die größte aller Künstlerinnen,

Hierbei die Schatten unterstützen möge.

SCHEIK dringend.

Und weiter doch! Ist sie bereit dazu?

HĀKAWĀTI.

Das weiß ich nicht, doch wird sie hier erscheinen,

Um dich zu sehen und es dir zu sagen.

Ich warne dich!

SCHEIK.

Vor ihr?

HĀKAWĀTI.

O nein, vor dir!

Die Phantasie ist keine Bettlerin

Und keine Narretei, die man belächelt.

Nur wer Sitāra kennt, das wunderbare

Und hochgelegne Land der Sternenblumen,

Der wird von ihr besucht, kein Anderer.

Bei dir erscheint sie heut nur mir zu Liebe;

Drum warne ich. Nimm dich vor dir in Acht!


Hākawāti mit Schēfakā ab.[44]


Fußnoten

1 Schach.


Quelle:
Babel und Bibel. Arabische Fantasia in zwei Akten von Karl May. Freiburg i.Br. 1906, S. 45.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Babel und Bibel
Babel und Bibel: Arabische Fantasia in zwei Akten

Buchempfehlung

Auerbach, Berthold

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 5-8

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 5-8

Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.

554 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon