[330] Vor ziemlich zwei Jahren war es, als ich diese Zeitung gründete und im Programm derselben schrieb: »Die Geschichte aller Zeiten und die heutige ganz besonders lehrt: daß diejenigen auch vergessen wurden, welche an sich selbst zu denken vergaßen.«
»Wohlauf, meine Schwestern, vereinigt euch mit mir, damit wir nicht zurückbleiben, wo alle und alles um uns und neben uns vorwärts drängt und kämpft. Wir wollen auch unser Teil fordern und verdienen an der großen Welt-Erlösung, welche der ganzen Menschheit, deren eine Hälfte wir sind, endlich werden muß.«
[330] »Wir wollen unser Teil fordern: das Recht, das Rein-Menschliche, in uns in freier Entwickelung aller unserer Kräfte auszubilden und das Recht der Mündigkeit und Selbständigkeit im Staat.«
»Wir wollen unser Teil verdienen: wir wollen unsere Kräfte aufbieten, das Werk der Welt-Erlösung zu fördern, zunächst dadurch, daß wir den großen Gedanken der Zukunft: Freiheit und Humanität (was im Grunde zwei gleichbedeutende Worte sind) auszubreiten suchen in allen Kreisen, welche uns zugänglich sind, in den weitern des größern Lebens durch die Presse, in den engern der Familie durch Beispiel, Belehrung und Erziehung. Wir wollen unser Teil aber auch dadurch verdienen, daß wir nicht vereinzelt streben, nur jede für sich, sondern vielmehr jede für alle; und daß wir vor allem derer zumeist uns annehmen, welche in Armut, Elend und Unwissenheit vergessen und vernachlässigt schmachten.«
Zwei Jahrgänge dieser Zeitung liegen dem Publikum zur Beurteilung vor. Es wird ihr das Zeugnis geben müssen, treu an diesem Programm festgehalten zu haben, und die stets wachsende Teilnahme, welche dieselbe durch Abonnenten und Mitarbeiter-Kräfte fand, und zwar fand unter den ungünstigsten Verhältnissen, welche eine demokratische Zeitschrift nur haben konnte (- das sächsische Blatt begann im April 1849, die dritte Nr. erschien unterm Belagerungszustand), wird es selbstredend bestätigen, daß dies Programm nicht vergebens geschrieben ward.
Es ist nicht Eitelkeit und Selbstlob: es ist die Freudigkeit der Erfahrung zweier Jahre, mit der ich heute sagen darf: Die Frauen-Zeitung hat gehalten, was sie versprochen; was sie beabsichtigt und gewollt, hat sie erreicht und bezweckt. Sie hat »dem Reich der Freiheit Bürgerinnen geworben«, sie hat unzählige Frauen aufgeweckt aus ihrem Halbschlummer und angeregt, »ihr Teil zu fordern«, und noch mehr, »ihr Teil zu verdienen«, sie hat vor allem es dahin gebracht, daß nicht mehr nur »jede für sich« strebte, sondern vielmehr »jede für alle« – sie hat es auch dahin gebracht, »daß diejenigen, die nicht vergaßen, an sich selbst zu denken, auch nicht vergessen worden sind«. Die Erfahrungen der letzten Zeit und das neue Preßgesetz selbst bestätigen dies.
Weit entfernt von der allgemeinen Ausdrucksweise anderer Gesetze, hebt es § 12. des Preßgesetzes besonders hervor, daß nur »männliche Personen« Redaktionen von Zeitschriften führen dürfen. Es ist also kein Zweifel, daß man an die Frauen diesmal nicht zu denken vergessen hat. Insofern haben wir durch unsere Bestrebungen der letzten Jahre es wirklich dahin gebracht, daß man Rücksichten auf die Frauen nimmt, wie sie früher niemals genommen worden sind. – Als wir vor zwei Jahren unser Programm versendeten, dachten wir freilich bei jener Stelle nur an die Austeilung von Rechten an alle Staatsangehörige, wobei wir nicht vergessen sein wollten – wie jetzt die Sachen stehen, handelt es sich im Gegensatz um Entziehung von Rechten, und von unserm Standpunkt aus ist es jetzt nicht minder ehrenvoll für uns: auch dabei nicht vergessen worden zu sein, als es bei den frühern Verhältnissen, im umgekehrten Fall, das Gleiche gewesen wäre.
Ich bin hier zur Anführung des Grundes gekommen, aus dem ich die Frauen-Zeitung eingehen lassen und heute dies Abschiedswort schreiben muß.
Er ist enthalten in § 12. des Preßgesetz-Entwurfes: »Die verantwortliche Redaktion einer Zeitschrift dürfen nur solche im Königreich Sachsen wohnhafte männliche Personen führen« – usw. Die übrigen Bedingungen der Redaktionsübernahme[331] sind nicht nötig zu wiederholen, diese eine erklärt die Unmöglichkeit des längern Bestehens einer »Frauen-Zeitung«, da auch »bei der Mitredaktion beteiligte Personen dieselben Eigenschaften haben müssen«. – Alle den anderen nachfolgenden Bedingungen zur Fortführung der Redaktion würde ich haben genügen können, auch die Stellung der Kaution würde uns kein Hindernis gewesen sein – aber Frauen sind ein- für allemal nicht mehr zu einer Redaktion zulässig, und so bleibt mir nichts übrig, als samt der Frauen-Zeitung Abschied zu nehmen von ihren Lesern und Leserinnen.
Es fällt mir nicht ein, den Einflüsterungen klügelnder Schmeichler zu glauben, welche mir einreden wollen, man habe – (weil eben noch nirgends und durch kein anderes deutsches Preßgesetz den Frauen die Führung von Redaktionen verboten worden) in dem betreffenden sächsischen Preßgesetz-Entwurf auf mich speziell Rücksicht genommen – allein ich kann nicht umhin, darin eine Anerkennung des Wirkens der »Frauen-Zeitung« zu finden, denn ehe sie bestand und ehe die Frauen selbst sich fühlen lernten als Frauen eines Volkes und sich berufen fühlten, seiner Sache zu dienen mit gleicher Begeisterung wie die Männer, wenn auch in anderer Weise, hätte allerdings so leicht kein Gesetz »zur Zügelung und gegen den Mißbrauch der Presse« es berücksichtigt, daß diese Schutzwehr auch mit gegen die Frauen aufzurichten sei.
Scheinbar nur in die alte Unmündigkeit zurückgeworfen, sind die Frauen nie für mündiger in den Dingen des Staats erklärt worden als durch diesen Gesetzesparagraphen. Sie werden an Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen gewinnen, was man ihnen jetzt durch Entziehung eines Rechts geraubt hat. –
Noch zwar ist jener Preßgesetz-Entwurf nicht als Gesetz publiziert, aber wir haben dies jedenfalls in kürzester Frist zu erwarten, und so hielten wir es für unangemessen, erst ein neues Quartal zu beginnen. – Vielleicht aber kann man fragen: warum, wenn ich auch gezwungen bin, von der Redaktion zurückzutreten, die »Frauen-Zeitung« nicht dennoch forterscheine unter einem zulässigen Redakteur?
Ich bin gewiß, daß wenigstens die Frauen nicht so fragen werden, welche von der Tendenz und den leitenden Prinzipien der »Frauen-Zeitung« durchdrungen sind. Wir wollten und wollen unser Recht uns selbst verschaffen und verdienen – und wir weichen lieber der Gewalt, als daß wir als unmündige Kinder unsere Zuflucht zu einem Schirmherrn nehmen, dessen wir nicht mehr bedürfen. Wir unterwerfen uns freiwillig keinen Oktroyierungen. Wissen wir nun doch, daß die Ideen, welchen unsere Zeitung das Wort geredet, nicht getötet werden können, wie dies arme Blatt – das ja auch selbst, wenn es heute stirbt, vielleicht nicht allzulange seiner Auferstehung entgegenzuschlummern hat.
Dennoch, obwohl ich diese freudige Gewißheit mit mir nehme und obwohl ich in diesem augenblicklichen Untergang der Frauen-Zeitung keinen Untergang sehe für die Prinzipien, denen sie diente, kann ich nicht ohne Wehmut, ja sogar nicht ohne Schmerz dies Abschiedswort schreiben, und darum gestatte man mir, daß ich so lange dabei verweile, wie man Abschied nimmt von einem treuen Gefährten und zugleich, wie von ihm, aus einem ganzen großen lieb gewordenen Kreise scheidet.
Als ich die Zeitung begann, zweifelten viele an dem Gelingen des Unternehmens und andere daran, daß es wirklich ein Bedürfnis sei. Die Zweifel beider haben durch die gemachten Erfahrungen verstummen müssen. Wir begannen zu einer Zeit, wo die Verhältnisse für die demokratische Presse immer ungünstiger[332] wurden, aber wir haben ihnen standgehalten, wir haben unserer Sache Opfer gebracht, aber andere mit uns haben dies auch getan, und wir danken allen, welche unsere Bestrebungen und unsern redlichen Willen unterstützten. Wie sehr aber eine Zeitung wie diese ein Bedürfnis war, dafür bürgt die weite Verbreitung, welche sie erhielt, dafür bürgen unzählige Briefe begeisterter Frauen von nah und fern, die ihre Zustimmung, ihre Freude zu erkennen gaben, daß endlich ein Organ geschaffen sei für ihre Interessen, ein Organ, welches mit ihren höheren Angelegenheiten sich beschäftigte und zugleich ein Band der Vereinigung webe für die gleichen und bisher doch vereinzelten Elemente. Viele unserer besten Schriftsteller und Schriftstellerinnen wendeten ihre Tätigkeit dem Blatte zu und bewiesen durch diese Unterstützung des Unternehmens, wie zeitgemäß dasselbe sei. Zu unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gehörten:
Karl Albrecht, Eugenie Blum, Dr. Diesterweg, Adele Erbe, Hugo Göring, Heinrich Hoffmann, Benno Haberland, Th. Jäckel, G. Jung, Eduard Kauffer, Louise Kindscher, Wilhelm Lüders, M. Norden, August Peters, Hermann Rollett, Hermann Semmig, Emilie Spreu, Emilie Lecerf, Ludwig Wittig, Kathinka Zitz, Joseph Zembrod, Minna Zimmermann u.a.
Unter den Vornamen schüchterner Frauen, die sich scheuten, ihren ganzen Namen der Öffentlichkeit zu verraten, erinnern wir an: Georgine, Emmy, Friederike, Alma, Anna, Caroline, Meta usw., die sich viel leicht inniger und tiefer in manches gleichfühlende Frauenherz eingegraben haben als die berühmtesten Namen. Korrespondenten und Korrespondentinnen, und zwar in den gesperrt gedruckten Städten regelmäßige, hatten wir in Altenburg, Aarau, Altona, Breslau, Berlin, Braunschweig, böhmische Grenze, Coburg, Chemnitz, Dresden, Erzgebirge, Freiberg, Großstrelitz, Hamburg, Hirschberg, Hanau, Kiel, Königsberg, Leipzig, Lausitz, Mecklenburg, Mainz, Meißen, Marggrabowo, Nancy, New-York, Provinz Preußen, Plauen, Oberschlesien, Rastatt, vom Rhein, Ravendsberg, Straßburg, Schleswig, Wien, Voigtland, Zürich u.a.
Zu scheiden aus diesem Kreise, dessen Mittelpunkt ich bis jetzt war – auseinanderfallen zu sehen, was nicht ohne Müh' geeinigt worden – aufzugeben eine Arbeit, die ziemlich zwei Jahre lang mein größtes Glück war und deren befriedigende Resultate, wo es sich um die Verbreitung und weitere Entwickelung unserer Tendenzen handelte, mich für vieles Trübe entschädigen, was diese traurige Zeit uns allen bietet – ich fühle es heute, wie schwer dies ist. Ich werde aus diesem teueren Kreise meiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Leser und Leserinnen scheiden, aus diesem bewegten Leben der Journalistik zurückkehren in die stumme Einsamkeit, und man wird wenig von mir hören, vielleicht mich vergessen. Aber ich nehme den Trost mit mir, daß ich nach Kräften das beste gewollt und erstrebt und daß der Samen, welchen die »Frauen-Zeitung« ringsum ausgestreut, nicht überall auf dürres Land gefallen ist und aufgehen, keimen und fortblühen wird, wenn die Hand, die ihn streuete, auch vergessen ist und keinen neuen hinzufügen kann. – Und ich nehmen noch etwas mehr mit als diesen Trost: die Hoffnung, daß die Frauen-Zeitung heute nicht für immer begraben wird.
Ich betrachte das heutige Aufhören dieser Zeitschrift eigentlich mehr nur als eine Suspensation. Es ist jetzt in Deutschland, in Sachsen ja beinah alles[333] suspendiert. – warum nicht auch die Frauen-Zeitung? – Es werden wieder andere, menschlichere Zeiten kommen, wo diese Suspensierungen aufhören, auch die der Preßfreiheit – dann werden wir wieder an unserm Platze sein. Dann wird die »Frauen-Zeitung« wieder erstehen mit neuer Kraft in dem alten Geiste – und dann wird er nicht mehr gehemmt sein durch Verordnungen, Verbote, Verwarnungen und Konfiskationen, dann werden wir wieder frei sprechen und schreiben dürfen, und wie man jetzt ein Recht uns weigert, das bisher noch niemals in Frage kam, wird man dann keines mehr uns weigern von alle den Rechten, die jetzt vielleicht noch in Frage sind. – Bis dahin, deutsche Schwestern, wollen wir in der Stille wirken im Dienst der Freiheit, der allgemeinen, und darum auch der unseren, wir wollen ihr Bürgerinnen werben im Haus, in der Familie, wir werden es noch überall vermögen, wenn es auch durch die Presse nicht mehr wie vordem geschehen kann. Und wenn dann die Stunde der Erlösung kommt, auf die wir alle warten, so werden wir derselben besser dienen können und würdiger auf sie vorbereitet sein, als wie es vor Jahren der Fall war.
Bis dahin, lebet wohl – auf Wiedersehen!
Die Redaktion
1 Dieser Artikel war bereits einmal in der Verbrüderung, Organ der ›Arbeiterverbrüderung‹, Nr. 8, am 27. 10. 1848 erschienen.
2 Dieser Aufsatz ward vorm Jahr für den »Leuchtthurm« geschrieben; ich nehme keinen Anstand, ihn hier wieder abdrucken zu lassen, da er ein Thema behandelt, das mir vorzüglich nötig erscheint, in den Kreis unserer Besprechungen zu ziehen. Zugleich ersuche ich alle Leserinnen, welche Gelegenheit haben, die Lage der armen Arbeiterinnen näher kennenzulernen, um freundliche Mitteilung ihrer Erfahrungen.
D.R.
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Aufsätze aus der »Frauen-Zeitung«
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