§ 15

[175] Die Forderung, die Aussenwelt als einen im Denken gegebenen, mit ihm gleichzeitigen, identischen Prozess anzusehen, ist für den Erfahrungsmenschen hart; sie ist aber unerbittlich; sie ist die einzige Möglichkeit, das tausendjährige Problem über die Art der Verbindung von Seele und Leib zu schlichten; ein Problem, das Descartes nocheinmal in seiner ganzen Unerbittlichkeit für den modernen Menschen hinstelte, und das Spinoza wohl formell löste, indem er es durch einen rein begrifflichen Machtspruch aufhob, aber nicht anschaulich machte. Denn mit dem Hauptsaz seiner Lehre: Ausgedehntes und Gedachtes (res extensa und res cogitans) seien nur Attribute ein und derselben Substanz (natura naturans) von der einen oder anderen Seite betrachtet, dekretirt er einen extramundanen Beschauer, der Grott oder Spinoza selbst ist, eine überirdische Intelligenz, von der wir bei aller Anstrengung nicht begreifen können, dass sie[175] Ausgedehntes und Gedachtes in einer Betrachtung vereinige5. In dem vorliegenden Versuch ist dagegen auf einen psichischen Akt, auf eine innere, unmittelbare Erfahrung hingewiesen, die Tausende von Menschen erlebt haben, ohne deshalb krank zu sein, auf die Halluzinazion, in der faktisch Gedachtes und Ausgedehntes in einem Prozess vereinigt ist.

Quelle:
Oskar Panizza: Die kriminelle Psychose, genannt Psichopatia criminalis. München 1978, S. 175-176.
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