§ 17

[179] Leugung der Aussenwelt! – In der Tat ist dies die selbverständliche und unvermeidliche Konsequenz unserer Anschauung. Wenigstens wenn man die materjalistische Aussenwelt darunter versteht, eine ausserhalb und unabhängig von unserem Denken gegebene räumliche Welt, deren Gegenstände unser Denken beeinflussen sollen. Wir leugnen diese Welt, wie wir die »Gestalten« des Halluzinanten leugnen. Unsere Welt ist für unser Denken eine Halluzinazion, mit der wir übrigens um so mehr rechnen müssen, als unser gleichzeitig mithalluzinirter Körper mit diesem Denken, unserer gegenwärtigen Betätigung, unzertrennlich verbunden ist. Wir leugnen also nicht die halluzinirte Welt. Sie ist eine unvermeidliche Illusion, deren[179] Erkentnis nur für unser Denken von Bedeutung, die Erscheinungen dieser Welt selbst aber, unter sich, wie in ihrem scheinbaren Verhältnis zu unserem Denken, im Uebrigen intakt lässt. – Wir befinden uns im Hinblik auf die Aussenwelt wie auf einer uns fremden, weltentlegenen Insel, auf die wir, wie Odysseus, schlafend gebracht wurden. Die dortigen Menschen, ihre Zeichen, ihre Sprache, ihre Geberden und Münzen, sind, obwohl wir deutlich erkennen, dass sie nicht die unsrigen sind, doch die einzige Möglichkeit uns zu betätigen, uns zu verständigen, und unser Leben zu fristen; und wir müssen uns ihrer nolens volens bedienen. Sicher sind wir nur, dass diese Insel-Welt – die Aussenwelt – nicht die unsrige ist, und das irgend eine Verbindung mit unserer Heimat – Denken – existirt, oder bestanden hat, sonst wären wir nicht hier. Es hängt nur von der Intensität meiner Erinnerung an das Schiff und die Heimat – Eingebung – ab, ob ich diese Insel-Welt für meine wirkliche halte, mit ihr zufrieden bin, oder ihre Fremdartigkeit erkenne. –

Quelle:
Oskar Panizza: Die kriminelle Psychose, genannt Psichopatia criminalis. München 1978, S. 179-180.
Lizenz:
Kategorien: