§ 28

[195] Nagt an Dir ein Gedanke: Denke ihn weg (Stirner); verzehre ihn, indem Du ihn intensiv in die Arbeit nimst, und er ist weg; du bist frei; die Illusion zerstört. – Eine andere rükt nach? – Selbverständlich! Aber die erste ist fort. Und mit der zweiten mach es ebenso. Das erwarte Du nicht, dass Du auf dieser Welt zu einem Ziel gelangest! Du musst jagen. Windhundartig treibt Dich die Einrichtung Deines Gehirns – und der Ungenante, der dahinter steht – von Illusion zu Illusion. Diese aufzulösen ist Deine Aufgabe. Das ist der Sisifus-Felsen, den Du wälzest. Kanst Du das nicht, versinkst Du in Quietismus, so bist Du im günstigsten Fall Wiederkäuer – wie die katolische Teologie seit Hunderten von Jahren – die sich den gleichen Illusions-Fras immer wieder vorlegt. Bist Du aber Kämpfer, bist Zerstörer, und damit auch Baumeister, dann eilst Du von Bau zu Bau, von Konstrukzion zu Konstrukzion; denn, was Du errichtet, Glüklicher, darfst Du wieder zerstören. Und lebst Du in einer Zeit, in der angefressene Monumentalbauten und Chinesische Mauern in Masse vorhanden sind, dann schäze Dich zweimal glüklich, indem Du sie niederwirfst und Plaz machst für Neues. Denn Dein Wesen, Mensch, ist Bewegung, nicht Ruhe. Tief in Dir lebt unauslöschlich der Destrukzionstrieb des Tieres.

Quelle:
Oskar Panizza: Die kriminelle Psychose, genannt Psichopatia criminalis. München 1978, S. 195.
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