§ 29

[195] Zerstören wir nicht den Gedanken, so zerstört der Gedanke uns. Machen wir nicht den Gedanken zur Tat und[195] entäussern uns seiner, so handelt er und richtet uns zu Grund: Ein Mann liebt ein Mädchen, sie refüsirt ihn; oder die Verhältnisse refüsiren ihn. Von diesem Moment an hat er es nicht mehr mit dem Mädchen, sondern mit dem Gedanken an das Mädchen zu tun. Die Sache liegt nicht mehr in seinem Willen, sondern hängt in seiner Weiter-Entwiklung von der Organisazion seines Gehirns ab. Und begreiflich erscheint es, dass ein solcher Mann, um sich von dem ihm über den Kopf gewachsenen Gedanken zu befreien, sich eine Kugel durch den Kopf schiesst. Er konte die Illusion nicht mehr zerstören. So zerstört sie ihn. Und er war noch der lezte Handlanger seines eigenen Spuks. Hätte er das Mädchen bekommen, so war er den Gedanken los, und die Illusion kurze Zeit darauf verflogen. Er hatte das Mädchen, und die »Illusion ging zum Teufel«, wie man sagt.

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Oskar Panizza: Die kriminelle Psychose, genannt Psichopatia criminalis. München 1978, S. 195-196.
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