Einem Künstler

[266] Ist's denn nicht mehr schon als genug,

Im eig'nen Glanz dich zu erblicken?

Mußt du auch noch durch holden Trug,

Durch süße Täuschung uns bestricken? –


Doch nein! nicht Trug und Täuschung nicht,

Wie blendend auch und vielgestaltig,

Es strahlet nur der Wahrheit Licht

So hell, so geisterhaft gewaltig!


Sie lehrt dich in der Vorzeit Fluth

Zu werthem Fund die Hand zu tauchen,

Mit deiner Seele Kraft und Gluth

Dem Tode Leben einzuhauchen! –
[267]

Die in viel tausend Herzen hie

Und da verstreuten, einzlen Flammen,

In deinem Herzen schlagen sie

Zu einem lohen Brand zusammen!


Die in so viele Leben sich

Getheilet, die getrennten Quellen,

O wie sie stolz und königlich

In dir zum Katarakte schwellen!


Und höre ich den gold'nen Strom

Melod'schen Schalles mich umrauschen,

Ist mir's, als dürft' ich, still und fromm,

Der Menschheit ew'gem Herzschlag lauschen!

Quelle:
Betty Paoli: Neue Gedichte. Pest 21856, S. 266-268.
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