Enttäuschung

[23] Ja, ich habe dir verziehen,

Deiner Schuld gedenk ich nicht;

Aber dich auf ewig fliehen

Heißt mich eine höh're Pflicht.


Und das Wort selbst der Vergebung,

Drauf sich nun dein Hoffen baut,

War in schmerzlicher Erhebung

Meiner Liebe Sterbelaut.


Mit emporgewandtem Haupte

Sank ich einstens vor dir hin,

Weil ich wahnbefangen glaubte

Daß du edler, als ich bin.
[24]

Von der Höh' herabgeschmettert,

Ledig der geträumten Zier,

Deines Adels baar, entgöttert,

Stehst du nun – wie klein! – vor mir.


Was mir blieb von meinem Lieben

Stolzes Mitleid ist's allein.

Laß den Scheidebrief geschrieben

Drum für alle Zeiten sein.


Besser ist's dem Glück entsagen

Muthig, ein für alle Mal,

Als, befleckt, im Herzen tragen

Ein entwürdigt Ideal!

Quelle:
Betty Paoli: Neue Gedichte. Pest 21856, S. 23-25.
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