Antwort auf einen Brief des Malers Oskar Coester

[272] Ein Wort auf das, was du gesprochen.

Stütz guten Kopf in gute Hand

Und laß dein Herz ans Weinglas pochen:


Heimat ist kein begrenztes Land.

Auch wo man Muttersprache spricht,

Ist Heimat nicht.

Mich deucht, es will auch nichts besagen,

Ob einer seine Heimat kennt.
[272]

Denn Lüge ist, was auf Befragen

Das Heimweh uns als Heimat nennt.


Ein schmutzig Loch kann rührend sich verkneifen,

Und höchste Würde kann zur Blase reifen.


Stich fest in das Humorische!


Heimat? Wir alle finden keine,

Oder – und allerhöchstens – eine

Improvisatorische.

Es kommt auch gar nicht darauf an. – –


Ich danke dir für den Vergleich

Mit einem braven Reitersmann.

Man tue möglichst, was man kann.


Coester, du bist von Gott aus reich.

Schäum aus, was du zu schenken hast;

Das Letzte wäre dir noch Last.

Und warte frech, doch fromm auf Leiden.


Denn du wächst neben dem Jahrhundert.

Du bist der größre von uns beiden.

Ich habe dich so oft bewundert. –

Wie kläglich ist es zu beneiden. –


Du wurdest leider mir von fern

Noch lieber, als du warst im Nahen.

Nun, da wir lange uns nicht sahen,

Bild ich mir ein: Du hast mich gern.

Ach bitte komme bald zurück

Mit offnem, unverwitzeltem Vertraun.


Ich wünsche dir fürs neue Jahr viel Glück,

Eine Frau (zur Hochzeit mich einladend)

Und andre große Nebenfraun

Und was du sonstens wichtig brauchst.

Daß du nie anders, als wie badend,

Auch für Minuten nur untertauchst.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 272-273.
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