Mensch und Tier

[273] Wenn ich die Gesichter rings studiere,

Frage ich mich oft verzagt:

Wieviel Menschen gibt's und wieviel Tiefe? –

Und dann hab' ich – unter uns gesagt –

Äußerst dumm gefragt.


Denn die Frage interessiert doch bloß

Länderweis statistische Büros,

Und auch diese würden sich sehr quälen,

Um zum Beispiel Läuse nachzuzählen.


Dummer Mensch spricht oft vom dummen Vieh,

Doch zum Glück versteht das Vieh ihn nie.

In dem neuen Korridor von Polen

Gaben sich zwei Pferde einen Kuß,

Und die Folge war ein dünnes Fohlen,

Welches stundenlang

Immer anders, als man dachte, sprang.


Wenn es auch in Polen

Sehr viel Läuse gibt, – –

Aber wer ein solches Fohlen

Sieht und dann nicht liebt,

Bleibe mir gestohlen.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 273-274.
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