Als der Kaiser die Kaiserin nahm.

[132] Das war am Tage des heiligen Ritters Georgi. Ein Montag war's – sonst für manche der unangenehmste Morgen der ganzen Woche. Der liebe Sonntag ist vorbei und hat nichts zurückgelassen, als einen leichten Geldbeutel und etwa einen schweren Kopf; und zuvor stehen wieder sechs lange, alltägliche Gesellen, oft mager beim Tisch und herb bis in die Nacht hinein. Da seufzte zwar unser Knecht Markus allemal, wenn der Haushahn die Montagsfrühe krähte, aber schließlich brummte er: »Arbeiten ist auch kein Unglück!« und sprang flink vom Bette auf. Und heute, als die Leute zum Frühstück zusammen kamen, sahen sie mit Verwunderung das schneeweiße Tischtuch mit den roten Querstreifen, welches so groß war, daß es an allen Seiten weit über den Tisch hinabhing, eine Erscheinung, die mich allemal an das Bild vom letzten Abendmahl Christi erinnerte. Und auf dem Tische lagen ringsum die beinernen Löffel, jeder seines Mannes oder Weibes harrend, dessen Ernährung er übernommen hatte. Diese Löffel waren von einem Bauer in Wenigzell aus Kuh- oder Ochsenhörnern verfertigt und wiesen je nach der gesprenkelten Farbe der Hörner die prächtigsten Zeichnungen. Mein Vater besaß deren ein Dutzend, hielt sie die meiste Zeit in seiner Truhe verwahrt und gab sie nur zu besonderen Anlässen und Festlichkeiten in Gebrauch. Endlich kam heute auf den Tisch auch noch die große Porzellanschüssel mit den gemalten roten Blumen; sie war voll gelblichweißer Milch, in welcher diesmal nicht[133] das mindeste von jenem unliebsamen bläulichen Ton bemerkbar war, über welchen der Knecht Markus einmal die Worte gesagt hatte: »Jesses Maria, heut' ist uns die Suppen ertrunken!«

Wir sahen ihn damals alle erschrocken an, wie er das meine? »Im Wasser ertrunken,« fuhr er fort, »seht's denn nicht, daß sie schon ganz blau angelaufen ist?«

Aber heute, als er in der Milch das erfreuliche, zarte Gelb sah, und wie jetzt noch weißes Brot hineingeschnitten wurde, schmunzelte er, zerbrach sich aber den Kopf darüber, was denn in dieser Woche für eine hantige (herb:) Arbeit kommen müsse, daß sie mit solcher Kost anfange.

Nun die Leute beisammen waren, kam mein Vater in schneeweißen Hemdärmeln und hatte die Haare gekämmt und seine schöne rote Weste an.

»Jetzt setzt's euch zur Suppen,« sagte er, »und nachher mögt's euch anlegen gehen.«

Sie stutzten, sie waren ja schon angelegt (angezogen).

»Das bessere Gewand meine ich,« fuhr der Vater fort, »wir halten heut' einen Feiertag.«

Da hellten sich die Augen auf und die Magd lobte den Hausvater, daß er ein so großer Verehrer vom heiligen Georgi sei.

»Nicht deswegen,« antwortete der Vater, »der heilige Georgi ist wohl auch nicht zu verachten, aber für den ist gestern in der Kirche schon etwas getan worden. Heut' ist's wegen was anderm, heut' ist dem Kaiser seine Hochzeit.«

Das war eine helle Verwunderung und so fragte der Vater, ob sie denn nicht gehört hätten, wie es der Pfarrer von der Kanzel verkündet.

Ja, meinte der alte Knecht, gehört hätte er wohl so etwas vom Kaiser, aber er hätte gemeint, es gehöre nur zu der Predigt und hätte nicht weiter darauf geachtet.[134]

»Tut's halt jetzt fleißig in die Kirchen gehen, Leutl, und beten. Wird schon ein Glück zu brauchen haben, wenn's auch der Kaiser ist.« So sagte mein Vater, und wir – ich bin dazumal das lose ins Leben guckende Bürschel gewesen – richteten uns zusammen zum Kirchgang.

Und als unsere Leute unterwegs waren und gleich auch die Morgensonne ganz anders golden war, als an einem ordinären Montag, da führten zwei Mägde unter sich folgendes Gespräch:

»Aber na,« sagte die eine, »jetzt heiratet der Kaiser auch! Der wird was eine Noble nehmen!«

»Das kannst dir denken,« sprach die andere, »eine Postmeisterische zum Niedrigsten, vielleicht gar eine Verwalterische.«

»Meinst!«

»So ein Herr, da!«

»Aber na – mei!«

»Ihr redet so viel närrisch daher,« bemerkte eine dritte, »der Kaiser wird 'leicht doch wohl eine Prinzessin nehmen.«

»Gibt's denn Prinzessinnen auch noch?« fragte die erste sehr überrascht, »jetzt hätt' ich vermeint, die wären nur so in den alten Geschichten drinnen. Na, nachher wohl.«

Hierauf sagte ein Knecht: »'s ist doch auch nicht, daß er eine Prinzessin nimmt. Hat's ja der Pfarrer verkündet, daß er eine Bäuerische heiraten wird.«

»Eine Bäu'rische? Geh', Rüppel, da lugst 'leicht doch.«

»Wenn der Pfarrer lugt, lug ich auch.«

»Ah na, der Pfarrer nit – das nit – der Pfarrer nit. –«

»Ja, ja,« sagte ein anderer, »es ist richtig, ich hab's auch gehört, eine Bäu'rische nimmt er.«[135]

Darüber kamen nun alle Mägde in eine zuckende Aufregung. Und der Ältesten wurde es zuerst klar: »Wenn er schon so ist und eine Bäu'rische mag, so hätt' er auch auf mich können verfallen! Gefehlt wollt' ihm bei mir nichts haben, ich bin nicht so, daß ich etwan grob wär'. Kochen kann ich auch was. Das Kaiserhaus hätt' ich ihm schon sauber hergeputzt und alle Wochen hätt' mir der Fußboden müssen hinausgewaschen werden, na, das hätt' ich nicht anders getan.«

Die Magd war nicht so dumm, daß sie das bloß dachte, sie war so dumm, daß sie es auch vor sich hinsagte. Da lachten die anderen Mädchen hell auf und riefen: »Die Kathel will Kaiserin sein!«

Der Haber-Michel-Anton – ein verabschiedeter Soldat, dem im Neunundvierzigerjahr eine piemontesische Kugel durch den linken Arm gefahren war – trat nun auf die Kathel zu und sagte: »Kathel, es ist zu spat, heut' hält er Hochzeit. Grimm' (gräme) dich nicht, kriegst den Kaiser nicht, so nimmst einen Kaiserlichen. Schaust meinen Kragen an, so wirst es sehen, daß ich Feldwebel bin. Leider Gottes habe ich den Abschied, bin aber erst einunddreißig Jahr alt und möcht' doch noch einmal einrucken. Kathel, pack' ihn z'samm', den Kaiserlichen!«

»Wenn du meinst, Anton, daß dich deine linke Hand nicht irrt?«

»Aber schon gar nicht, Kathel. Die Kugel ist heraußen, das Loch ist verwachsen. Geh' du, es wär' gar nicht dumm, wenn wir uns heut' miteinander täten versprechen.«

Und die Kathel – gut kaiserlich war sie – –

»Geh' schau, daß du weiter kommst, kleiner Spatz! Da tröttelt er unsereiner alleweil hinten nach.« So grollte die Kathel, meinte aber nicht den durchschossenen Feldwebel, sondern mich, der hinter beiden einhergelaufen war und sich[136] nur für den piemontesischen Kugelschuß interessiert hatte. So eilte ich nun zu den anderen, die immer noch darüber hin und her redeten, daß es kaum glaublich sei, wie der Kaiser eine Bäu'rische nehmen könne.

So kamen wir zur Kirche. Dort, wo das schöne Lindenbäumchen stand, welches jemand zur schuldigen Danksagung für die glücklich abgewendete Gefahr des 18. Februar 18561 pflanzen ließ, standen heute auch die fünf Musikanten, welche an hohen Festen mit Trompeten, Klarinetten, Geigen und Trommel zusammenwirkten, um dem lieben Gott oder einem seiner Heiligen ein Ständchen zu bringen. Als nun der Herr Pfarrer im Talare vom Pfarrhof den Kirchberg heranstieg, begann das klingende Spiel. Dem Pfarrer brachten sie's, dem Kaiser vermeinten sie's. Der war weit weg in der Wienerstadt, dem konnten sie persönlich die Ehre nicht antun, seiner Braut auch nicht, so bereiteten sie dieselbe dem Fürnehmsten der Gemeinde. Der Pfarrer jedoch sah sich im Volke um und entdeckte den achtzigjährigen Höfelbauer mit seinem Weibe, beide tief gebeugt am Stock und weiß an Haaren und halb taub. Vor mehreren Jahren schon hätten sie die goldene Hochzeit halten können; die Jahre waren dazu da, aber das Gold nicht, um ein Fest zu machen, und so lebten die Leutchen still über den Gedächtnistag hinaus. Dieses greise Paar nahm nun der Pfarrer in seine Arme, so, daß sie zur Rechten und er zur Linken war und stellte sich mitten auf dem Kirchplatze auf. Als die Musikanten ihr erstes Stück zu Ende gespielt hatten, nahm der Priester das Wort und sprach folgendes:

»Es ist recht erfreulich, liebe Pfarrkinder, daß ihr so zahlreich erschienen seid, um den heutigen Tag zu ehren[137] und Gott zu bitten, daß er unserm allergnädigsten Kaiser Franz Josef, der sich heute mit Elisabeth, der schönen und tugendreichen Prinzessin aus dem erlauchten bayerischen Hause, vermählt, ein langes Leben, Glück und Segen für das durchlauchtigste Kaiserhaus und für unser geliebtes Österreich bescheren möge. Wolle Gott unserem geliebten jungen Kaiser, der ritterlich ist wie der heilige Georg, dessen Gedächtnis die Kirche heute begeht, die Kraft und Gnade verleihen, den Drachen zu besiegen, der in dieser bewegten Zeit Reich und Thron noch immer bedroht! – Weil es aber nach dem Willen Gottes ist, daß seine Ehre wieder den Menschen zugute komme und weil es nach dem Wunsche unseres gnädigsten Kaisers ist, daß die heutige Festfreude auch den Ärmsten des Reiches zuteil werde, so habe ich hier unsere guten, alten Höfelbauerleute aufgefunden und lade euch ein, mit mir zuerst in der Kirche und dann im Wirtshause bei einem frohen Glas Wein, schlicht, wie es ohne alle Vorbereitung nur sein kann, dieses betagten Paares goldenes Ehegedächtnis zu begehen. Und das ist halt wie ein Gebitt an den lieben Gott, es möchten auch der Kaiser und die Kaiserin den goldenen Hochzeitstag erleben!«

So sprach er, und da drängten die Leute auf ihn ein und riefen: »Das ist brav, Herr Pfarrer, das ist brav! – Wir sind alle dabei!«

Die alten halbtauben Höfelbauerleute hatten wohl ihre Ohren gespitzt und dem Herrn Pfarrer stockscharf auf den Mund geschaut, was er denn da zwischen ihnen heute für eine schöne Predigt halte – aber sie konnten es doch nicht recht loskriegen, um was es sich eigentlich handle. Fragend blickten sie umher, bis ihnen einer recht ins Ohr schrie: »Eure goldene Hochzeit ist heut'!«

»Jesses und Josef!« ächzte das Weib erschrocken auf[138] und sah nach allen Seiten auf ihr Gewand hinab, das freilich nicht gerade hochzeitlich war.

Nun tat auch der Höfelbauer den Mund auf – ach, der arme Alte hatte sich an der harten Nuß eines achtzigjährigen Lebens alle Zähne ausgebissen – und fragte mit seiner heiseren Stimme: »Eine goldene Hochzeit ist heut'? Ei, so wohl! Und wenn man fragen darf: wer denn?«

»Unsere ist, du alter Lapp!« schmetterte ihm das Weib freudvoll unters runzelige Kinn hinein.

Da fiel schon wieder die Musik ein, und mit den Klängen des »Kaiserliedes« zogen wir in die Kirche. Die zwei alten Leute kamen auf die Ehrenbank vor dem Altar; der Mann sah immer noch höchst verwundert drein, das Weib preßte ihre Schürze ins Gesicht.

Der Gottesdienst war recht feierlich, selbst die Buben hinterseits des Chores, wo die Glockenstricke hingen, ließen heute ihr heimlich Kartenspiel, zogen aber um so heftiger an den Stricken, damit das Geläute recht hell und weit hinausklinge in die Berge und Wälder, wo der junge Frühling aufstand.

Ich hockte unter dem Seitenaltar des heiligen Michael und befliß mich der Andacht. Ich hatte drei Bitten: Erstens für das junge Kaiserpaar, zweitens für die alten Höfelbauerleute und drittens für mich selber. Mein Anliegen war, ob mich der Knecht Markus wohl ins Wirtshaus mitnehmen werde. Ein kleiner Bub', der kein Geld hat und sich auch noch keinen Kredit zu machen weiß, kann nur unter dem Horte eines Erwachsenen zu den gesegneten Tischen gelangen. Nun hatte ich aber wohl die Erfahrung gemacht, daß der Markus der Ansicht war, kleine Buben gehörten nicht ins Wirtshaus. Doch heute schien auf mein Gebet Gott den alten Knecht wunderbar erleuchtet zu haben, denn als wir[139] aus der Kirche gingen und mir der braune Brustfleck zitterte vor dem Moment, da der Markus sagen werde: So, du gehst jetzt heim, Bub'! Aber daß du mir unterwegs keine Allotria treibst! – nahm er mich am Arm und sagte: »Darfst heut' ein Glasel Wein mit mir trinken, Peter!«

So gingen wir alle miteinander ins Wirtshaus. Ich kam just neben einem sehr angesehenen Mann zu sitzen, dem Schneider Natz, der nachmals mein Lehrmeister geworden ist. Der nahm plötzlich eine Semmel aus dem Korb, brach sie mitten auseinander, legte die eine Hälfte zu seinem Glase, die andere Hälfte vor mich hin und sagte: »Die gehört dein, Bub, daß du auch was zu beißen hast.«

Wir kannten uns nicht weiter und er hatte gewiß keine Ahnung, daß er mit dem Jungen, mit dem er jetzt die Semmel teilte, dereinst ein Stück Leben zu teilen haben würde. In mir ist aber an jenem Tage das erstemal der Gedanke erwacht: Ich möcht' auch so ein braver Schneider werden.

Die alten Höfelbauernleut' saßen beim vordersten Tisch; sie verzehrten umständlich, doch mit stillem Behagen den vorgesetzten Braten, sie nippten vom Wein, das Weib tat Zucker ins Glas und tauchte die Semmel ein und nun begann ihre Glückseligkeit, an welcher wir alle uns freuten. Bald wurde Gesundheit getrunken und der Haber-Michel-Anton stand auf – dem saß die Kathel richtig schon bei – pochte mit dem Glase auf den Tisch und brachte einen Trinkspruch aus auf das kaiserliche Brautpaar in der Wienerstadt.

»Ich wünsch' Glück!« sagte er, »das Heiraten ist freilich leicht, wenn der Bräutigam so mannbar ist und die Braut so schön. Das Beieinanderleben ist auch leicht, wo sich zwei so gern haben. Aber halt das Länderregieren! Gleich auf einmal neununddreißig Millionen Leut' in Ordnung[140] zu halten, wenn Krieg ist und wenn Sturm ist und die Leut' auf sind und selber nicht wissen, was sie wollen! Da gehört ein Kopf dazu! Unsere Hausteinerpfarr' hat vierhundertsechzehn Seelen, und was das schon immer einmal ein Kreuz ist! Nicht wahr, Herr Pfarrer? Na, ich sag's ja. Und erst so ein unsinniger Leuthaufen, wo die einen ungarisch sind, die anderen böhmisch, slovakisch, wällisch, deutsch, polnisch – was weiß ich! Aber wenn's einer imstand ist, so sag' ich: Unser Kaiser Franz Josef hält's auf gleich! Denn warum: sie haben ihn alle gern. Drum heb' ich mein Glasel Wein zu Gott dem Herrn: Der Kaiser soll leben und die Kaiserin daneben!«

Nach diesem Spruch war das beim Wirt und der Kellnerin ein Rennen und Laufen, denn alle Gläser waren auf einmal leer geworden. Und die Kathel, wie sie stolz war darauf, daß ihr Beisitzer so fürnehm reden konnte, und so gesetzt und so gescheit! Ja, wer einmal bei den Kaiserlichen gewesen, gleich ganz was anderes ist's!

Wie alt er denn täte sein, der Bräutigam z'Wien?

»Nicht ganz vierundzwanzig Jahr.«

»Just recht. Und die Braut?«

»Ist siebzehn.«

»Schau du! Schon gar blutjung. Na, ist auch recht, älter wird der Mensch.«

Und jetzt kam man auch auf das Mißverständnis, daß sie keine Bäu'rische, sondern eine Bayerische sei, und da wurde rechtschaffen gelacht.

»Es ist viel,« meinte ein Bauer, »daß ein so junger Herr schon das Haus Österreich regiert.«

»Vor sechs Jahren ist er noch jünger gewesen,« berichtete der Anton, »und der Kaiser ist gar über die Revolution Herr geworden.«[141]

»Ja, das hat man gehört.«

»Ich nicht, wenn ich ein achtzehnjährig Bürschel bin, ich nicht,« sagte ein anderer und tat stolz darüber, daß er hier auch mitreden konnte.

»Aber einer muß doch sein, der sich traut. Wenn der Kaiser Ferdinand auf einmal hergeht und sagt: ich mag nimmer regieren, das Volk ist mir zu bockbeinig. Soll's ein Jüngerer probieren. Was wirst denn ma chen? Einen Bruder hat der Ferdinand, der ist nicht viel jünger als er selber, der macht einen Deuter mit der Hand und sagt: Mich laßt's aus, ich bin nicht für das und will mein' Fried' haben. – Hat auch recht gehabt, der alte Herr, ich hätt' ihnen's g'rad so gesagt. Das Kaisersein wäre schon recht, aber das Länderregieren ist eine verkieselte Sach'! Ich nicht, ich; lieber den ganzen Tag holzhacken im Wald '«

»Das sag' ich auch.«

»Nun, und so hat der Erzherzog – vom Kaiser Ferdinand der Bruder – gesagt: Wenn mein Sohn, der Franzel, will, der ist jung und stark, die Leut' haben ihn auch gern, so soll er's im Gottesnamen probieren. Der Franzel aber hat ihm zur Antwort gegeben: Herr Vater, ums Kaisersein ist mir gar nichts, aber wenn ich's übernehme, so tue ich's, weil einer sein muß, der sich die Sach' angelegen sein läßt und ihr vor sein kann. Die Österreicher sind im Grund brave Leut', ich komme mit ihnen schon wieder auf gleich. Ich fahr' überall herum und mach' gute Gemeinschaft mit jedem Land extra, und frage die Leut', was sie für Gesetze haben wollen, und dieselbigen mach' ich ihnen nachher. Ich bin nicht der Mensch – hat er gesagt – der sich auf was kapriziert; wie es dem mehreren Teil recht ist, so soll's sein. – Hat darauf sein Vetter, der gute Kaiser Ferdinand, gesagt: Franzel, das gefallt mir von dir, du[142] bist der Rechte. Auf das, ob du als Regent selber glücklich sein wirst, darfst nicht schauen, aber 's Land mach' glücklich. – Ausgeredet ist's gewesen und Österreich ist gleich ganz verliebt worden in seinen braven blutjungen Kaiser.« So redeten sie und der alte Höfelbauer legte die hohlen Hände an die Ohren, daß er den Schall der Worte hineinleite, und murmelte dann traurig: »Daß ich aber schon gar nichts versteh'!«

Der Pfarrer teilte ihm's mit, und da nickte der Alte gar befriedigt mit seinem weißen Haupt und dann sagte er: »Na das! So hätten wir schon seit sechs Jahren einen neuen Herrn? Nicht ein bissel was hab' ich davon gehört; halt dasselbig' ist mir letzt' Zeit her wohl vorgekommen, daß alles einen anderen Lauf hat. Hab' ich's nicht immer einmal gesagt, Alte, ich weiß nicht, was das ist, daß jetzt die Welt ganz anders kugelt, als voreh!«

»Freilich, freilich, Alter, wie sie voreh ist kugelt, da sind wir alleweil untenauf gewesen. Jetzt heben wir uns bissel in die Höh'!«

Für die Weiber war das kein Gespräch; die wollten lieber von der »Frau Kaiserin« was wissen, wann und wie die zwei so nahend wären bekannt worden, daß es zur Heirat geführt hätte.

»Wie werden sie denn auch sein bekannt worden?« belehrte der Toni, »hat halt gehört sagen von der schönen Prinzessin im Bayerland. Darauf hat er sich als Rittersmann verkleidet und ist hingereist und hat sie gefragt, ob sie ihn nehmen wollt'. Sie schaut ihn an und gibt zur Antwort: Tu' der Herr halt mit meinen Eltern reden. Die Eltern – versteht sich – die haben ihm gleich zu verstehen geben, die Prinzessin dürfte wohl doch nicht recht passen für so einen einfachen Rittersmann, und er solle ihnen[143] nichts für ungut halten. Darauf hat er geantwortet: wenn sie schon für den einfachen Rittersmann nicht paßt, leicht paßt sie für den Kaiser von Österreich. Könnt euch wohl denken, daß jetzt keine Dreinred' mehr gewesen ist; aber die Prinzessin hat gesagt: ich heirate ja nicht den Kaiser von Österreich, ich heirate meinen Franzel.«

»Schau, das ist brav!« sagten die Bauern und bissen fest in ihre Pfeifenrohrspitzen. Und die Weiber waren über die Geschichte schier glückselig, und die Kathel gestand sich's nun auch, ihr sei eigentlich nicht so sehr um den Kaiserlichen zu tun, als um den Anton. Die Kaiserhochzeit wäre nach Bauernart noch des weitern erörtert worden, hätten die Musikanten den Dingen nicht einen anderen Lauf gegeben. Dieser andere Lauf ging in der Stube rund im Kreis herum. Das alte Paar selbst mußte ein Ehrentänzchen reigen. –

Die Wirtshausfreuden haben dazumal sicherlich bis tief in die Nacht hineingedauert. Bei mir waren sie am Nachmittage, als der Kirchturmschatten das Wirtshaus strich, zu Ende.

Der Markus stand auf, langte mir das Filzhütlein von der Wand, sagte noch: »Trink' aus dein Neigel.« Ich tat's, wandte mich noch zum Meister Natz und sagte kleinlaut: »Ich bedank' mich nochmals für die halbe Semmel.« Dann gingen wir heimwärts.

Zu jener Abendstunde, als in der Hofburgkirche zu Wien im Feststrahle von tausend Kerzen und des milden Abendrotes unser Kaiser mit seiner Erwählten getraut worden war, gingen wir durch den stillen lenzenden Wald!

1

Attentat auf Kaiser Franz Josef I. in Wien.

Quelle:
Peter Rosegger: Waldheimat. Band 2: Der Guckinsleben, Gesammelte Werke von Peter Rosegger, Band 13, Leipzig 1914, S. 132-144.
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