Minnedienst

[158] An L. von ***.


Zwar jedes Herz ist vom Geschick

Zu zarter Sklaverei erkohren:

Doch segn' ich stets den Augenblick,

Der meine Herrscherinn geboren.


Der eine dient um feiles Gold,

Der Andre, daß er Ruhm gewinne:

Doch nimmer ist ein Dienst so hold

Als der verschwiegne Dienst der Minne.


Sonst war mein Herz so leicht und frei,

Und Rosen kränzten meine Stunden:

Doch Scherz und Lachen sind vorbei,

Seit deine Fesseln mich umwunden!


Und ach, doch ist mein Schmerz so süß,

Viel süßer als die schönsten Freuden,

Und wahrlich, für kein Paradies

Möcht' ich aus diesen Fesseln scheiden.


Nimmst du, o gütiges Geschick,

Was Jeder von uns wünscht, zu Herzen,

So kränze sie mit ew'gem Glück,

Und mir laß' ewig meine Schmerzen.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 4, Leipzig 1819–1820, S. 158-159.
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