Dritte Szene

[732] Ein Zimmer in Olivias Hause.


Junker Tobias und Maria.


JUNKER TOBIAS. Was zum Henker fällt meiner Nichte ein, daß sie sich den Tod ihres Bruders so anzieht? Es ist ausgemacht, der Gram zehrt am Leben.

MARIA. Auf mein Wort, Junker Tobias, Ihr müßt abends früher zu Hause kommen. Eure Nichte, das gnädige Fräulein, hat viel Einrede gegen Eure unschicklichen Zeiten.

JUNKER TOBIAS. So mag sie beizeiten Einrede tun, hernachmals aber schweigen.[732]

MARIA. Ja, es würde Euch aber besser kleiden, einen ordentlichen Lebenswandel zu führen.

JUNKER TOBIAS. Besser kleiden? Ich brauche mich nicht besser zu kleiden, als ich hier bin. Dieser Rock ist gut genug, um darin zu trinken, diese Stiefeln auch, sonst können sie sich in ihren eignen Riemen aufhängen lassen.

MARIA. Das Bechern und Trinken wird Euch zu Grunde richten. Mein Fräulein sprach noch gestern davon, auch von einem albernen Junker, den Ihr einmal abends als einen Freier für sie mitgebracht habt.

JUNKER TOBIAS. Wen meint Ihr? Junker Christoph von Bleichenwang?

MARIA. Ja, eben den.

JUNKER TOBIAS. Das ist so ein starker Kerl wie einer in ganz Illyrien.

MARIA. Was tut das zur Sache?

JUNKER TOBIAS. Nun, er bringt es im Jahr auf dreitausend Dukaten.

MARIA. Er wird es aber wohl nur auf ein Jahr mit allen seinen Dukaten bringen: er ist ein großer Narr und ein Verschwender.

JUNKER TOBIAS. Pfui, daß Ihr so reden könnt! Er spielt auf der Baßgeige, und spricht drei bis vier Sprachen Wort für Wort aus dem Kopfe, und ist mit vielfältigen guten Naturgaben versehn.

MARIA. Ja wahrhaftig, auch mit einfältigen. Denn bei seiner Narrheit ist er obendrein noch ein großer Zänker, und hätte er nicht die Gabe der Zaghaftigkeit, um seine Zanklust zu dämpfen, so meinen die Vernünftigen, ihm würde bald das Grab zur Gabe werden.

JUNKER TOBIAS. Bei meiner Faust! Schufte und Lügner sind's, die so von ihm reden. Wer sind sie?

MARIA. Dieselbigen, die auch behaupten, daß er sich alle Abend mit Euch betrinkt.

JUNKER TOBIAS. Freilich, auf meiner Nichte Gesundheit. Ich will so lange darauf trinken, als es mir durch die Kehle läuft und Getränk in Illyrien ist. Ein Hase und ein Lumpenhund, wer nicht meiner Nichte zu Ehren trinkt, bis sich sein Gehirn[733] auf einem Beine herumdreht wie ein Kräusel. Still, Mädel! Castiliano volto! denn hier kommt Junker Christoph von Bleichenwang.


Junker Christoph tritt auf.


JUNKER CHRISTOPH. Junker Tobias von Rülp! Wie steht's, Junker Tobias von Rülp?

JUNKER TOBIAS. Herzensjunker Christoph!

JUNKER CHRISTOPH. Gott grüß' Euch, schöne Dirne!

MARIA. Euch ebenfalls, Herr!

JUNKER TOBIAS. Hak' ein, Junker Christoph, hak' ein!

JUNKER CHRISTOPH. Wer ist das?

JUNKER TOBIAS. Meiner Nichte Kammermädchen.

JUNKER CHRISTOPH. Gute Jungfer Hakein, ich wünsche näher mit Euch bekannt zu werden.

MARIA. Mein Name ist Maria, Herr.

JUNKER CHRISTOPH. Gute Jungfer Maria Hakein –

JUNKER TOBIAS. Ihr versteht mich falsch; »hak' ein« heißt: unterhalte sie, wirb um sie, bestürme sie!

JUNKER CHRISTOPH. Auf meine Ehre, ich möchte sie nicht in dieser Gesellschaft vornehmen. Das bedeutet also »hak' ein«?

MARIA. Ich empfehle mich, meine Herren.

JUNKER TOBIAS. Wo du sie so davon gehn läßt, Junker Christoph, so wollt' ich, du dürftest nie wieder den Degen ziehn.

JUNKER CHRISTOPH. Wo Ihr so davon geht, so wollt' ich, ich dürfte nie wieder den Degen ziehn. Schönes Frauenzimmer, denkt Ihr, Ihr hättet Narren am Seile?

MARIA. Nein, ich habe Euch nicht am Seile.

JUNKER CHRISTOPH. Ihr sollt mich aber am Seile haben: hier ist meine Hand.

MARIA. Nun, Herr, Gedanken sind zollfrei: aber mich deucht, Ihr könntet sie immer ein bißchen in den Keller tragen.

JUNKER CHRISTOPH. Wozu, mein Engelchen? Was soll die verblümte Redensart?

MARIA. Sie ist warm, Herr.

JUNKER CHRISTOPH. Nun, ein Mädchen wie Ihr kann einen wohl warm machen.[734]

MARIA. Nein, Ihr habt ein kaltes Herz, das kann ich an den Fingern abzählen.

JUNKER CHRISTOPH. Das tut doch einmal!

MARIA. Ich habe es schon an Euern Fingern abgezählt, daß Ihr keine drei zählen könnt. Nun lasse ich Euch gehn. Ab.

JUNKER TOBIAS. O Junker, du hast ein Fläschchen Sekt nötig! Hab' ich dich jemals so heruntergesehn?

JUNKER CHRISTOPH. In Euerm Leben nicht, glaub' ich, außer wenn mich der Sekt heruntergebracht hat. Mir ist, als hätt' ich manchmal nicht mehr Witz, als ein Christensohn oder ein gewöhnlicher Mensch hat. Aber ich bin ein großer Rindfleischesser, und ich glaube, das tut meinem Witz Schaden.

JUNKER TOBIAS. Keine Frage.

JUNKER CHRISTOPH. Wo ich das dächte, so wollte ich's verschwören. Ich will morgen nach Haus reiten, Junker Tobias.

JUNKER TOBIAS. Pourquoi, Herzensjunker?

JUNKER CHRISTOPH. Was ist pourquoi? Tu's, oder tu's nicht? Ich wollte, ich hätte die Zeit auf die Sprachen gewandt, die mir das Fechten, Tanzen und Fuchsprellen gekostet hat. Ach, hätte ich mich doch auf die Künste gelegt!

JUNKER TOBIAS. Ja, dann hättest du einen stattlichen Kopf mit Haaren gekriegt.

JUNKER CHRISTOPH. Wieso? Wäre mein Haar davon besser geworden?

JUNKER TOBIAS. Ohne Zweifel. Du siehst ja, es will sich von Natur nicht kräuseln.

JUNKER CHRISTOPH. Es steht mir aber doch recht gut? Nicht wahr?

JUNKER TOBIAS. Prächtig! Es hängt wie Flachs auf einem Spinnrocken, und ich hoffe noch zu erleben, daß eine Hausfrau dich zwischen ihre Kniee nimmt und es abspinnt.

JUNKER CHRISTOPH. Wahrhaftig, ich will morgen nach Haus, Junker Tobias. Eure Nichte will sich ja nicht sehn lassen; und wenn auch, es ist zehn gegen eins, daß sie mich nicht will. [Der Graf selbst, hier dicht bei an, freit um sie.][735]

JUNKER TOBIAS. Sie will den Grafen nicht; sie will keine größere Partie tun, als sie selbst ist, weder an Rang, Jahren, noch Verstand. Das habe ich sie eidlich beteuern hören. Lustig! Es ist noch nicht aus damit, Freund.

JUNKER CHRISTOPH. So will ich einen Monat länger bleiben. Ich bin ein Kerl von der wunderlichsten Gemütsart in der Welt; manchmal weiß ich mir gar keinen bessern Spaß als Maskeraden und Fastnachtsspiele.

JUNKER TOBIAS. Taugst du zu dergleichen Fratzen, Junker?

JUNKER CHRISTOPH. So gut wie irgendeiner in Illyrien, er mag sein was er will, wenn er nicht vornehmer ist als ich.

JUNKER TOBIAS. Wie weit hast du es in der Gaillarde gebracht?

JUNKER CHRISTOPH. Mein' Seel', ich kann eine Kapriole schneiden, und den Katzensprung tu' ich aufs Haar so hoch, als irgendeiner in Illyrien.

JUNKER TOBIAS. Weswegen verbergen sich diese Künste? Weswegen hängt ein Vorhang vor diesen Gaben? Bist du bange, sie möchten staubig werden? Warum gehst du nicht in einer Gaillarde zur Kirche, und kommst in einer Courante nach Hause? Mein beständiger Gang sollte ein Pas à rigaudon sein; ich wollte mein Wasser nicht abschlagen, ohne einen Entrechat zu machen. Was kommt dir ein? Ist dies eine Welt darnach, Tugenden unter den Scheffel zu stellen? Ich dachte wohl, nach dem vortrefflichen Baue deines Beines, es müßte unter dem Gestirn der Gaillarde gebildet sein.

JUNKER CHRISTOPH. Ja, es ist kräftig, und in einem geflammten Strumpfe nimmt es sich leidlich aus. Wollen wir nicht ein Gelag anstellen?

JUNKER TOBIAS. Was sollen wir sonst tun? Sind wir nicht unter dem Steinbock geboren?

JUNKER CHRISTOPH. Unter dem Steinbock? Das bedeutet Stoßen und Schlagen.

JUNKER TOBIAS. Nein, Freund, es bedeutet Springen und Tanzen. Laß mich deine Kapriolen sehn: Hopsa! Höher! Sa! sa! – Prächtig!

Beide ab.[736]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 732-737.
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