Paßions-Betrachtung

[14] Luca am 22 Cap. v. 1. 2.

Serenata.

Jesus, die Kirche, der Mensch.


Jesus


Die Liebe zu den Menschen-Orden

Treibt mich anjetzt zum Creuzes-Holz,

Da ich vor ihm zum Fluch geworden,

So fällt des Satans frecher Stolz.

Die Liebe zu den Menschen Orden,

Treibt mich anjetzt zum Creuzes-Holz.


Der Mensch:


Mein Schatz, mein Seelen-Freund, mein Trost und Heyl,

Mein Schirm, mein Beystand, Schutz und Leben!

Wie hast du doch die Adams-Kinder,

Die allergrößten Sünder,[14]

So freund- und brüderlich, so inniglich geliebt!

Du hast in Eil

Den Himmels-Thron verlassen,

Und wilst nur gar am Creuzes-Stamm erblassen.


Die Kirche:


Ich freue mich auf dieses Fest,

Da Jesus zu den Leiden gehet,

Und uns zu gut am Geissel-Pfahle stehet,

Und gar sein heilges Leben läßt.


Jesus:


Und wenn ich diesen Gang nicht gieng;

So müßtet ihr nach Mosis Ausspruch sterben,

Und unter dessen Fluch verderben;

So aber such ich euch aus Liebe von dem Bösen,

Von Sünd und Straf, durch meine Marter zu erlösen.


Der Mensch:


Ich weine fast vor Freuden,

Weil mich mein Jesus durch sein Blut und Leiden,

Von Sattans Band und Ketten,

So liebreich will erretten.


Die Kirche:


Die Stunde ist nunmehr erschienen;

Da Gott die Menschen will versühnen.

Gott löschet Gottes Zorn-Glut aus,

Verstöhrt des Sattans finstres Haus,

Und hat uns nun den Frieden,

Durch diesen Gang beschieden,

Die Stunde ist nunmehr erschienen,

Da Gott die Menschen will versühnen.


Jesus:


Wie könnt ich freundlicher, ihr Menschen-Kinder! seyn?

Ich gehe zu der größten Schmach und Pein,

Nur bloß um euret willen.

Seht, ich erwerbe euch

Des Vaters Thron und Reich,

Und suche eure Brust mit Seegen zu erfüllen.[15]

Wie viele trachten jetzt in Sünden

Lust und Vergnügen zu empfinden;

Ich geh zu meinem Leiden,

Und ihr wollt euch auf Wollusts-Auen weyden;

Ich geh zu meinen Marter-Tod.

Ihr aber welzet euch in Sünden-Koth;

Ich muß jetzt zittern, schwitzen, weinen, klagen,

Ihr aber wollt nach Lust und Lachen fragen.


Die Kirche:


Ach! ihr Sünder denket,

Denkt an Jesus Todes-Pein!

Daß ihr ihn nicht kränket,

Stellet eure Sünden ein!

Ach! ihr Sünder denket,

Denkt an Jesus Todes-Pein!


Jesus:


Wer fragt nach diesen Worten und Befehl?

Man sucht vor allen Dingen

Mich umzubringen.

Mein eigenes Geschlecht

Verfolgt mich wider Billigkeit und Recht.

Die Hohen-Priester trachten

Mich, als das rechte Osterlamm

Am Creuzes-Stamm

Zu würgen und zu schlachten.


Der Mensch:


Selbst die Deinen, als Du kommen.

Haben Dich nicht aufgenommen.


Die Kirche:


Jesus wird von seinen Freunden

Biß zum Creuzes-Tod verfolgt.

Wer von seinem Fleisch gebohren,

Hat ihm fast den Tod geschworen.

Jesus wird von seinen Freunden,

Biß zum Creuzes-Tod verfolgt.


[16] Die Kirche:


Allein, woher entsteht die Furcht und Scheu,

Daß sie nicht öffentlich

Das Sterben meines Heylands suchen?


Jesus:


Sie fürchten bloß des Volkes Zorn und Fluchen.

Denn dieses bleibt darbey,

Ich sey der Heyland dieser Erden,

Durch welchen Glauben

Sie nimmermehr betrogen werden.


Der Mensch:


Die Armen folgen dir mein Heyland! gern,

Und ehren dich als ihren Gott und Herrn,

Sie suchen dich von Herzens Grund zu lieben;

Da dich die Grossen dieser Welt betrüben.


Jesus:


Gott wird die Welt zu rechter Zeit

Um ihre Boßheit strafen.

Die Stolzen können nicht bestehn,

Sie werden mit Erstaunen sehn,

In welchen sie gestochen;

Gott läßt nichts ungerochen.


Ich theile meine Herrlichkeit

Mit meinen Glaubens-Schafen.

Gott wird die Welt zu rechter Zeit

Um ihre Boßheit strafen.


Quelle:
Sidonia Hedwig Zäunemann: Poetische Rosen in Knospen, Erfurt 1738, S. 14-17.
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