9. Eingang in die Schmach Jesu[27] 1

1721.


Herr Jesu! Du hast mich in Deinen Schirm genommen,

Laß mich darinnen stets genau verwahret seyn!

So mag der Teufel selbst mit seinem Heere kommen,

Er legt an meiner Ehr nur Schimpf und Schande ein.

Ich bin durch Dich gerecht, und Deine tiefen Wunden

Sind mir ein freyer Ort und eine Arzeney;

Den Kranken helfen sie, nicht aber den Gesunden:

Gib, daß ich nur recht krank nach Deiner Liebe sey!

Will mir die Welt nicht wohl; wohlan, es wird mir gehen,

Wie es dem Haupte selbst vor dem ergangen ist;

Verdammt mich jedermann, so werd ich besser sehen,

Was Du selbst für ein Fluch und Scheusal worden bist.

Ich lege mich getrost zu Deinen Füssen nieder,

Und höre meine Pflicht aus Deinem Munde an:

Du singest in der Nacht die allerschönsten Lieder,

Ja einen Lobgesang, eh man Dich abgethan.

Und ich soll in der Noth nur Klage-Lieder heulen,

Ich soll bis in den Tod betrübt zu sehen seyn:

Das überlasse ich der Welt und ihren Eulen,

Ich dringe mit Geduld in Deinen Willen ein.

Vollkommner Prediger, der in der That erwiesen,

Was Er von dieser Kunst die Seinigen gelehrt,

Ach! würde doch an mir Dein Ebenbild gepriesen,

Und mein Bekentnis bald in Geist und Kraft verkehrt!

Ach! zieh mich doch hinein in den geheimen Willen,

Der Deiner Kinder Wink und Glük zu nennen ist:

Wird sich in Dessen Rath mein armes Herze stillen;

So weiß ich ganz gewiß, daß er mich nicht vergißt.

Du führst es wohl hinaus, die Ruhe folgt aufs Kämpfen:[27]

Und werd ich im Gebet recht ernstlich und getreu;

So wird Dein Arm für mich der Feinde Kräfte dämpfen,

Und Deine Güte mir an jedem Morgen neu.

Fußnoten

1 Zu Ebersdorf im Merz.


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 27-28.
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