[77] Adiabatische Zustandsänderung heißt in der Wärmetheorie nach Rankine die Zustandsänderung eines Körpers (s. Zustand), wenn dabei Wärme weder zugeführt noch entzogen wird (von διαβαίνειν, hindurchgehen). Da alsdann die in der Wärmetheorie Entropie (s.d.) genannte Größe konstant bleibt, so hat man den fraglichen Vorgang auch nach Gibs als isentropische Zustandsänderung bezeichnet.
Geht der Körper aus dem Drucke p1 und Volumen υ1 in den Druck ρ und das Volumen υ über, so lautet unter den gewöhnlichen Voraussetzungen der Wärmetheorie (s. Wärmetheorie, mechanische) das Gesetz der adiabatischen Zustandsänderungen für Gase, die dem Boyle-Gay-Lussacschen Gesetze folgen, pυk = p1υ1k. Diese Beziehung wird mitunter nach einem[77] ihrer Entdecker (der erste war Laplace) Poiffonsches Gesetz genannt. Es ist darin k = cp : cυ das Verhältnis der spezifischen Wärmen bei konstantem Drucke und konstantem Volumen, das für atmosphärische Luft und andre schwerst kondensierbare Gase gleich 1,41 gesetzt wird. Für gesättigte Wasserdämpfe läßt lieh obige Gleichung als Näherungsformel verwenden, wobei nach Zeuner [2] k = 1,035 + 0,1 x1 anzunehmen, unter x1 > 0,7 die anfängliche spezifische Dampfmenge verbanden. Auch für überhitzte Wasserdämpfe gilt die angeführte Beziehung innerhalb der gewöhnlichen Grenzen von ρ, υ näherungsweise; es wird dann meist k = 4/3 gewählt (s. jedoch Dampf, überhitzter). Adiabatische Zustandsänderungen kommen selten genau vor, doch werden sie häufig als vorhanden angenommen, indem man die Wärmeleitung vernachlässigt. Findet dabei eine Ausdehnung des betrachteten Körpers unter Druck statt, so muß er einen Wärmeverlust erleiden, da die Arbeit zur Ueberwindung des äußeren Drucks (s. äußere Arbeit) nur auf Kosten der Körperenergie geleistet werden kann. Umgekehrt ist mit adiabatischer Kompression ein Wärmegewinn des komprimierten Körpers verbunden, indem die Arbeit des äußeren Drucks sich in Körperwärme umwandelt. Während die hiermit eintretenden Temperaturänderungen oft unerwünfeht sind (Mehrarbeit und Erhitzung der Maschinenteile bei Kompression, Betriebsstörungen infolge Eisbildung bei Expansion u.s.f.), hat man sie auch nützlich verwenden können (Kältemaschinen von Windhausen, Kirk, Giffard, pneumatisches Feuerzeug u.s.f.). Cailletet hat von jener Erkaltung in Verbindung mit starkem Druck Gebrauch gemacht, um die Verflüssigung atmosphärischer Luft und andrer schwerst kondensierbarer Gase zu erreichen [5]. Nach seiner Methode ist die tiefste bis jetzt erhaltene Temperatur von rechnungsmäßig t = 263,9oC. erreicht worden [6]. Auch in Lindes Maschine zur Erzeugung niederfter Temperaturen (s. Kälteerzeugungsmaschinen) werden adiabatische Zustandsänderungen verwendet [2], S. 289, [7], und ebenso spielen diese bei Behandlung der Wärmemotoren und kosmischer Probleme eine Rolle. Wird für adiabatische Zustandsänderungen die eine der den Zustand bestimmenden Größen (z.B. υ) als Abszisse, die indre (z.B. p) als Ordinate aufgetragen, so erhält man eine adiabatische Kurve. Die obige Gleichung drückt für die in Betracht gezogenen Fälle das Gesetz derselben aus. S.a. Gase und Dampf, gesättigter und überhitzter.
Literatur: [1] Grashof, Theoretische Maschinenlehre, Leipzig 1875, I, §§ 20, 35, 41. [2] Zeuner, Technische Thermodynamik, Leipzig 1900, I, §§ 6, 27; II, Leipzig 1901, §§ 11, 15, 34, 42. [3] Hertz, Graphische Methode zur Bestimmung der adiabatischen Zustandsänderung feuchter Luft, Meteorologische Zeitschrift 1884, I, S. 421. [4] Ritter, Beitrag zur Theorie der adiabatischen Zustandsänderungen, Wiedemanns Annalen 1889, XXXVII, S. 44, 633. [5] Cailletet, Compt. rend. 1877, LXXXV, S. 1016, 1212, 1270 und 1878, LXXXVI, S. 97. [6] Olszewski, Ein Versuch, das Helium zu verflüssigen, Wiedemanns Annalen 1896, LIX, S. 184. [7] Linde, Maschine zur Erzielung niedrigster Temperaturen u.s.f., Zeitschr. f. d. gesamte Kälte-Industrie 1897, S. 7, 23.
Weyrauch.