Affinität [1]

[104] Affinität, eine geometrische Verwandtschaft zwischen zwei ebenen oder räumlichen Systemen, dadurch charakterisiert, daß den Punkten des einen Systems die Punkte des andern so zugeteilt sind, daß die Verbindungslinien entsprechender Punkte parallel laufen; die Schnittpunkte entsprechender Geraden liegen in einer Geraden (der Affinitätsachse) oder in einer Ebene (der Affinitätsebene).

Die Affinität ist ein spezieller Fall der zentrischen Kollineation ebener oder räumlicher Systeme. Das Kollineationszentrum liegt dabei in unendlicher Ferne, desgleichen sind die Gegenachsen bei ebenen, und die Gegenebenen bei räumlichen Systemen unendlich fern. Die Richtung, in der das unendlich ferne Kollineationszentrum liegt, heißt die Affinitätsrichtung. Zwischen den Entfernungen entsprechender Punkte von der Affinitätsachse bezw. -ebene, d.h. zwischen den Abschnitten eines Affinitätsstrahles innerhalb entsprechender Punkte und der Affinitätsachse bezw. -ebene befiehlt das konstante Verhältnis Δ. – Folgende Fälle der Affinität zweier Systeme können auftreten: Beide Systeme sind eben und liegen in verschiedenen Ebenen; das eine System ist eine rechtwinklige oder schiefwinklige Parallelprojektion des andern; beide Systeme sind eben und liegen in der nämlichen Ebene. Die Systeme sind z.B. zwei verschiedene Parallelprojektionen eines andern ebenen Systems in eine Projektionsebene; ebenso besteht Affinität zwischen der rechtwinkligen oder schiefwinkligen Parallelprojektion einer ebenen Figur und ihrer Umlegung in die Projektionsebene, desgleichen zwischen den Parallelprojektionen einer ebenen Figur auf zwei verschiedene Projektionsebenen nach der Umlegung der letzteren in eine Ebene, u.s.w. So sind der Grund- und Aufriß einer ebenen Figur, z.B. eines Dreiecks (s. Fig. 1), affine Figuren, die Affinitätsachse ist eine gerade S1,2; sie ist sowohl der Grundriß wie auch der Aufriß der Schnittgeraden der Dreiecksebene mit der Halbierungsebene des Nebenwinkels der beiden Projektionsebenen. Zwei ebene affine Systeme sind vollständig bestimmt, sobald man drei Bestimmungsstücke beider Systeme kennt, z.B. ein Paar entsprechender Punkte, die Affinitätsachse und -richtung u. dergl. Sind die beiden Systeme räumlich, so müssen fünf Bestimmungsstücke gegeben sein, beispielsweise die Affinitätsebene, ein Paar entsprechender Punkte und die Affinitätsrichtung. Zwischen den Inhalten entsprechender Gebilde zweier ebenen oder räumlichen Systemaffinen besteht das konstante Verhältnis Δ. Läuft die Affinitätsrichtung parallel zur Achse bezw. Ebene der Affinität, so wird Δ = +1, d.h. es besteht zwischen den Inhalten entsprechender Gebilde beider Systeme Gleichheit. Wird Δ = –1, so tritt zur Affinität noch die Involution hinzu; man erhält die rechtwinklige bezw. schiefwinklige Symmetrie der Systeme hinsichtlich der Affinitätsachse bezw. -ebene (s. Fig. 2 u. 3).

Vonderlinn.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 104.
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