[417] Autotypie, ein photographisches Reproduktionsverfahren zur Herstellung von Halbtonbildern (Tonätzung), bei dem volle Flächen (Halbtonbilder, Gemälde, photographische Naturaufnahmen aller Art) in Linien oder Punkte zerlegt werden.
Man schaltet bei der photographischen Aufnahme des Originals ein Netz (schwarze Linien auf durchsichtigem Glase, sogenannte »Raster«) oder Kornplatten in den Strahlengang einer photographischen Camera ein, indem man diese Rasterplatten mehr oder weniger nahe vor der photographischen Platte anbringt. Durch diese Zwischenlage wird das Bild in Linien und Punkte zerlegt. Das so erhaltene photographische Negativ nennt man Autotypienegativ. Die meisten Raster besitzen ein System von rechtwinklig sich kreuzenden, dunklen Linien, die je nach der beabsichtigten Verwendung verschiedene Abstände haben. Grobe Raster für Zeitungs- und ordinären Illustrationsdruck haben Lineaturen von 3040, mittelfeine Raster von 60 Linien pro 1 cm und feinste Raster, die jedoch nur auf besonders geglättetem Kunstdruckpapier oder gestrichenem Papier gedruckt werden können, sogar 80 Linien pro 1 cm; bei derartig seinen Rastern ist die Lineatur mit freiem Auge kaum bemerkbar. Man stellt diese Raster dadurch her, daß man auf eine mit Aetzgrund überzogene Glasplatte ein System paralleler Linien einritzt, diese ins Glas mit Flußsäure vertieft ätzt, dann mit einer schwarzen Harz- oder Firnismasse ausfüllt; man erhält so eine Lineatur paralleler undurchsichtiger Linien, die man mit einer zweiten, ebensolchen Platte kombiniert, so daß sich die Linien unter 90° kreuzen und zwischen den Linien kleine, durchsichtige, quadratische Oeffnungen bleiben. Das Licht wirkt durch diese Oeffnungen auf die photographische Platte und erzeugt dort, falls der Abstand der Rasterplatte richtig gewählt war, größere oder kleinere Punkte, die an den hellsten Stellen des Originals sehr groß, kleiner in den Halbtönen und am kleinsten in den Schattenpartien sind. Das Zustandekommen von Bildpunkten in verschiedener Größe durch gleichgroße Rasteröffnungen erklärt sich dadurch, daß jede Rasteröffnung wie eine Lochcamera wirkt. Sie projiziert ein Bild der Objektivblende auf die photographische Platte. Dieses Blendenbild ist abschattiert, d.h. in der Mitte am hellsten, und wird nach dem Rande zu allmählich dunkler. Von den hellsten Stellen des Originals gelangt sehr viel Licht ins Objektiv und auf die Blende, so daß der abschattierte Punkt in seiner ganzen Ausdehnung (also als großer Punkt) auf der photographischen Platte erscheint und mit dem Nachbarpunkte fast zusammenfließt. An den Halbtönen herrscht weniger Helligkeit, und es wird nur die Mitte des Rasterpunktes genügend Licht bekommen, um einen photographischen Effekt zu geben, d.h. es wird der Punkt klein erscheinen. Außer diesem Phänomen spielen noch andre kompliziertere (Beugungs- u.s.w.) Erscheinungen eine nebensächliche Rolle. Für die Punktbildung ist auch der Abstand des Rasters von der photographischen Platte entscheidend, ebenso die Blendenform. Die auf diese Weise hergestellten Rasternegative können mittels Asphalt, Chromatgelatine, Chromateiweiß auf photographischem Wege (s. Photographie) auf Zink, Kupfer, Messing übertragen und hochgeätzt werden (s. Aetzen) und man erhält dann Klischees, die zum Druck in der Buchdruckpresse geeignet sind und hübsche Halbtonbilder (Autotypien) geben. In ähnlicher Weise wie für Buchdruckklischees kann das autotypische Bild auch auf den lithographischen Stein oder Aluminium (s.d., S. 161) photographisch übertragen werden.
Man ist übrigens nicht genötigt, den Raster bei der Herstellung des photographischen [417] Negativ einzuschalten, sondern man kann auch gewöhnliche Halbtonnegative mit zwischengelegten Rastern auf die Druckplatte einkopieren, welches Verfahren jedoch derzeit im allgemeinen weniger leistungsfähig ist. Die Autotypie wird meistens einfarbig zugleich mit dem Letternsatz in der Buchdruckpresse gedruckt; oder man druckt zwei Buchdruckklischees von demselben Gegenstande in derselben Größe, aber mit verschiedener Licht- und Schattenwirkung mit zweierlei Druckfarbe ähnlicher Nuance aufeinander, wobei ein Klischee die Tonplatte, das zweite die Zeichnungsplatte liefert (Duplex-Autotypie). Besondere Bedeutung hat die Autotypie für die polychrome Reproduktion farbiger Originale in ihrer Verwendung zum photographischen Dreifarbendruck (s.d.) gewonnen; bei diesem werden durch Uebereinanderdruck von gelben, roten und blauen Teilbildern farbige Reproduktionen hergestellt.
Literatur: [1] Hübl, Photograph. Reproduktionsverfahren, Halle 1898. [2] Eder, J.M., Der Halbtonprozeß (a. d. Engl. von Aarland), Halle 1896. [3] Husnik, Reprod. Photographie, 2. Aufl., Wien 1895. [4] Cronenberg, Die Praxis der Autotypie, Düsseldorf 1895. [5] Albert, Verschiedene Reproduktionsverfahren, Halle 1900. [6] Grebe, Verschiedene Abhandlungen in der Zeitschr. f. Reproduktionstechnik, Halle 1899. [7] Eder, J.M., Ausführliches Handbuch der Photographie, 2. Aufl., 2. Bd., 1897. [8] Jahrbücher für Photographie und Reproduktionstechnik, 18971904.
F.M. Eder.