[118] Photographie, die Herstellung von Lichtbildern. Hierzu werden photochemische Prozesse benutzt, und zwar dienen zu direkten photographischen Kopierprozessen lichtempfindliche Präparate, die im Lichte direkt ihre Farbe deutlich verändern (z.B. Chlorsilber), oder welche sich beim Belichten nicht oder nur wenig ändern und erst beim Behandeln mit sogenannten Entwicklern sich schwärzen (Brom-, Jod- und Chlorsilber mit Entwicklung), oder welche photochemische Reaktionsprodukte liefern, die durch sekundäre Reaktionen intensive Färbungen annehmen (z.B. lichtempfindliche Ferrisalze, die im Lichte zu Ferrosalzen reduziert werden und dann mit Ferricyankalium intensives Turnbullsblau geben: Cyanotypie).
I. Photographie bei Tageslicht.
Beim Belichten von Chlor- oder Bromsilber wird Chlor bezw. Brom abgespalten, und es entsteht dunkelgefärbtes Silberphotochlorid oder -photobromid, das entweder als Subhaloidverbindung des Silbers oder als feste Lösung von kolloidalem Silber in Haloidsilber aufgefaßt wird und sich vom metallischen Silber durch geringere Löslichkeit in Salpetersäure und durch eine größere Widerstandsfähigkeit gegen Fixiernatron, aber gesteigerte Reduktionsfähigkeit in reduzierenden Substanzen vom normalen Bromsilber unterscheidet. Beim Behandeln mit Thiosulfat, Cyankalium u.s.w. wird es schließlich größtenteils in sich lösendes Silberhaloid und zurückbleibendes metallisches Silber gespalten.
In den einfachsten Fällen, nämlich bei der sogenannten Lichtpauserei, kopiert man Zeichnungen u. dergl. unmittelbar auf lichtempfindliches Papier (s. Lichtpausen); in den weitaus zahlreichsten Fällen aber ist der Ausgangspunkt die Herstellung eines Negativs in der Kamera (s.d.). Bei dieser Negativerzeugung, bei der häufig geringe oder momentane Belichtung der photographischen Platte erfolgen kann, ist möglichst große Empfindlichkeit der sensibeln Schicht erwünscht. Die lichtempfindlichste Substanz, die man derzeit kennt, ist Bromsilbergelatine in Form von Trockenplatten. Sie verändert sich im Lichte zwar direkt nicht so schnell und wird nicht so intensiv schwarz, wie z.B. Chlorsilber, aber empfängt schon bei ganz kurzen Belichtungen ein unsichtbares (latentes) Lichtbild, das durch geeignete Reduktionsmittel (photographische Entwickler) zu metallischem Silber reduziert und dadurch geschwärzt wird, während das nicht belichtete Bromsilber intakt bleibt.[118]
Um bei den modernen höchst empfindlichen Trockenplatten ein entwicklungsfähiges Lichtbild zu erhalten, genügt schon eine Belichtung von 0,03 Sekundenmeterkerzen, d.i. die Belichtung mit einer Hefnerschen Amylacetatlampe im Abstand von 1 m während 0,03 Sekunden. Je schwächer das Licht, desto länger muß es einwirken, um denselben photographischen Effekt zu erzielen. Dies drückt die photographische Reziprozitätsregel aus: der photographische Effekt = i · t worin i die Lichtintensität, t die Belichtungszeit bedeutet. Diese Regel gilt zwar bei extrem schwachen sowie bei besonders starken Lichtintensitäten nicht genau, weil die Bromsilbergelatine die Eigenschaft hat, von der einstrahlenden Lichtenergie um so weniger für den photographischen Zweck zu verwenden, je langsamer die Energie zuströmt; dazu kommt, daß eine gewisse Anfangswirkung zur Auslösung des photochemischen Prozesses notwendig ist (photochemische Induktion).
Ueber die Herstellung der Bromsilbergelatine s. Bromsilbergelatine. Diese wird in Gießmaschinen auf Glas, Celluloid (Films) oder Papier aufgetragen. Films sind biegsame Häute; man unterscheidet hauptsächlich zwei Gruppen:
a) Rollfilms (auf dünnen Häuten von Celluloid oder von Kollodium und gegerbter Gelatine aufgetragen), die auf Walzen aufgewickelt und in eignen Rollkassetten beim Belichten in der Kamera (s.d.) abgerollt werden; hierher gehören auch die Streifen für Kinematographie;
b) Blatt- oder Flachfilms, die auf steife Celluloidblätter aufgetragen und in einzelnen Blättern, ähnlich wie Glasplatten, verarbeitet werden. Geringes Gewicht und Unzerbrechlichkeit gewähren Vorteile für Reisephotographen.
Die Bromsilberemulsion dient zur Herstellung sogenannter photographischer Negative in der Kamera; das latente Lichtbild wird durch chemische Entwickler (s.d.) sichtbar gemacht.
Die Empfindlichkeit der Platten wird mittels Sensitometer (s.d.) gemessen. Bromsilberplatten des Handels sollen mindestens 10°, Rapidplatten 1214°, Extrarapidplatten 1516° Scheiner aufweisen; letztere sind ungefähr viermal empfindlicher als die erstgenannten.
Normalbelichtete Platten geben bei korrekter Weiterbehandlung gute Negative. Bei zu kurzer Belichtung bleiben die Einzelheiten in den Schatten aus, während die Lichter im Entwickler zu starke Deckung annehmen. Zu lange belichtete Platten geben monotone, flaue Negative; bei sehr starker Ueberbelichtung (z.B. 1000030000fach) verliert das Bromsilber gradatim die Fähigkeit, im Entwickler geschwärzt zu werden (Solarisation), so daß beim Entwickeln mehr oder weniger eine Umkehrung in ein Diapositiv erfolgt.
Bei der Photographie sehr heller Objekte treten im Negativ seitliche Ueberstrahlungen auf (Lichthöfe, Irradiation), die hauptsächlich von der Reflexion des einfallenden Lichtes von der Glasplattenrückwand herrühren; Films, Bromsilberpapier geben weitaus geringere Lichthöfe als Glasplatten. Man wirkt der Lichthofbildung entgegen, indem man zwischen Bromsilberemulsion und Glasplatte rotgefärbte Gelatine anbringt, deren roter Farbstoff beim nachträglichen Fixieren im sauern Fixierbade entfärbt wird (lichthoffreie Platten, Isolarplatten). Ein andres Mittel besteht im Ueberziehen der Glasplattenrückseite mit schwarzen, roten oder braunen Firnissen, Dextrinschichten u. dergl.
Durch den Entwickler wird das belichtete Bromsilber zu metallischem Silber reduziert. Als Fixage dient eine Lösung von Natriumthiosulfat Fixiernatron oder saures Fixiersalz. Rapidfixiersalz ist ein Gemisch von Fixiernatron und Chlorammonium, das beim Auflösen Ammoniumthiosulfat bildet. Sind die fixierten Negative an Dichte nicht ganz richtig geraten, so werden sie nach dem Waschen und Trocknen, falls sie zu dünn sind, verstärkt, andernfalls abgeschwächt. Von den vielen Verstärkern sei die Behandlung mit zweiprozentiger Quecksilberchloridlösung, Waschen und Schwärzen mit verdünnter Ammoniaklösung oder Natriumsulfitlösung erwähnt. Quecksilberrhodaniddoppelsalz schwärzt Silbernegative in einer einzigen Operation (Agfaverstärker). Gemische von Ferricyankalium und Uranylnitrat lagern auf dem Silberbilde durch chemische Wechselwirkung einen rotbraunen Niederschlag von Ferrocyanuranyl ab, der verstärkend wirkt. Abschwächer sind Lösungsmittel für metallisches Silber, die das Bindemittel (Gelatine) nicht angreifen dürfen, z.B. Gemische von Fixiernatron und Ferricyankalium, saure Lösungen von Kaliumpermanganat, Gemische von Cyankalium und Jodtinktur u.s.w.
Die trockenen Negative werden in der Regel gefirnißt (sogenannter Negativlack, z.B. Lösungen von Schellack, Mastix, Sandarak, Dammarharz in Alkohol, der warm aufzutragen ist); Lösungen von Sandarak in Aceton, Benzol und Alkohol trocknen auch nach dem Auftragen bei Zimmertemperatur blank auf (Kaltlack), Mattlacke sind z.B. Lösungen von Sandarak, Mastix in Aether und Benzol. Außer Bromsilbergelatinetrockenplatten verwenden Reproduktionsanstalten häufig das alte nasse Kollodiumverfahren (s. Kollodium, photographisches).
Die gewöhnliche Bromsilbergelatine besitzt das Maximum der Empfindlichkeit gegen Hellblau, Blau, Violett und Ultraviolett des Spektrums; gegen Grün, Gelb und Rot fällt die Lichtempfindlichkeit enorm ab. Fügt man aber gewisse Farbstoffe zur Emulsion, so wird die Farbenempfindlichkeit für die Komplementärfarben erhöht (Farbensensibilisierung), indem die Lichtabsorption des Farbstoffes mit dem Sensibilisierungsmaximum im Zusammenhange steht. Hierher gehören die orthochromatischen und panchromatischen Platten (s. Orthochromasie).
Zur Bestimmung der Expositionszeit bedient man sich vielfach der sogenannten Expositionsmesser (s.d.).
Werden die Negative auf geeignete lichtempfindliche Papiere kopiert, so erhält man positive Bilder. Als lichtempfindliche Substanz der Kopierpapiere benutzt man gewöhnlich Chlorsilber; reines Chlorsilber schwärzt sich allerdings im Lichte nicht kräftig genug; wird es aber durch Zusatz von Silbernitrat, -ziträt u.s.w. oder andre Substanzen, die das beim photographischen Schwärzungsprozeß abgespaltene Chlor des Chlorsilbers binden, sensibilisiert, so schwärzt es sich beim Belichten durchgreifend. Derzeit werden Chlorsilberemulsionspapiere am[119] meisten verwendet. Als Bindemittel für die Chlorsilberemulsion dient entweder Kollodium (s. Celloidinpapier) oder Gelatine (s. Aristopapier), Pflanzeneiweiß (s. Protalbinpapier) oder Kasein (Kasoidinpapier). Diese Auskopieremulsionen werden in der Regel auf sogenanntes Barytpapier (s.d.) aufgetragen und als Glanz- oder Mattpapier hergestellt. Diese Papiere werden in Kopierrahmen mit den Negativen zusammen gepreßt und behufs Erzeugung positiver Kopien dem Lichte ausgesetzt. Werden solche Silberbilder fixirt, so ist ihre Farbe häufig unansehnlich; um die Farbe und zugleich auch die Haltbarkeit der Papierbilder auf derartigen Auskopierpapieren zu verbessern, bringt man sie in Gold- oder Platinbäder, die auf das Silberbild etwas Gold oder Platin durch chemische Wechselwirkung ablagern (Tonen der Silberbilder) Die Goldbäder versetzt man bald mit alkalisch reagierenden Substanzen (Borax), bald mit Thiocarbamid und Zitronensäure oder mit Rhodanammonium u.s.w., um Variationen der Nuancen zu erzielen. Die Platinbäder werden meistens aus Kaliumplatinchlorür und Phosphorsäure gemischt, um sattschwarze Töne zu erzielen (s. Tonbäder). Mischt man Goldsalze mit Fixierbädern, so erfolgt Tonen und Fixieren in einer einzigen Operation. Die einfachsten Tonfixierbäder Seltenen aus Natriumthiosulfat, Chlorgold und Bleiacetat oder -nitrat, das die Entstehung dunkler Töne begünstigt; häufig werden Rhodanide zugesetzt oder auch Alaun, um die Bildschicht, z.B. Aristobilder, zu härten (s. Tonfixierbäder).
Außer diesem Auskopierpapier verwendet man auch Entwicklungspapiere, deren lichtempfindliche Schicht Bromsilber- oder Chlorsilbergelatine ist; sie geben bei relativ kurzer Belichtung latente Lichtbilder, die sich durch Entwickler (s. oben) sichtbar machen lassen (s. Bromaryt). Chlorsilbergelatinepapiere (s.d.) sind weniger lichtempfindlich als Bromsilberpapiere, geben aber wärmere Töne. Eine Mittelsorte geben die Chlorbromsilberpapiere, die man auch Tageslicht- oder Gaslichtpapier (s.d.) nennt (je nach der Lichtquelle, bei der man sie kopiert). Solche Entwicklungspapiere werden mittels Maschinen in Rollen ohne Ende kopiert und entwickelt (s. Kilometerphotographie) und dienen zur Anfertigung großer Bildauflagen (Ansichtskarten, Buch- und Kunstillustrationen).
Auch für das photographische Vergrößerungsverfahren benutzt man mit Vorliebe derartige Bromsilber- oder Chlorbromsilberpapiere. Um die Farbennuance zu ändern, namentlich um den schwärzlichen Ton in einen bräunlichen zu verwandeln, benutzt man spezielle Tonbäder für Bromsilberbilder, z.B. ein Gemisch von Ferricyankalium und Uranylnitrat, oder man führt das Silberbild in Schwefelsilber über durch Behandeln mit Ferricyankalium und Bromkalium (Bildung von Bromsilber) und darauffolgendes Baden in Schwefelnatrium u.s.w.
Außer den Silbersalzen eignen sich noch andre lichtempfindliche Substanzen zur Herstellung von Kopien (s. Lichtpausen). Während die dort genannten Verfahren (z.B. Cyanotypie, Eisengallusverfahren, Negrographie) mehr für technische Zwecke dienen, wird der Pigmentdruck (s.d.) sowie der Gummidruck (s.d.) insbesondere für künstlerische Photographie verwendet.
Der Platindruck (s.d.) beruht auf der Lichtempfindlichkeit des Ferrioxalates, das im Lichte zu Ferrooxalat reduziert wird und bei Gegenwart von Alkalioxalaten aus Kaliumplatinchlorür metallisches Platin ausscheidet. Der hohe Preis des Platins ist der Verbreitung dieses Verfahrens hinderlich. Ueber Argentotypie s.d.
Diapositive für Projektionszwecke (Laternbilder) erzeugt man mittels Brom- oder Chlorsilber, am meisten jedoch mit Chlorbromsilberplatten (vgl. Projektionsapparate).
Die für Bromsilberpapier angegebenen Tonungsverfahren können auch für Diapositive verwendet werden; auch das Pigmentverfahren, das Kollodiumverfahren u.s.w. werden zur Herstellung von Diapositiven vielfach verwendet; man benutzt solche Diapositive auch als Fensterbilder für Stereoskope und als Ausgangspunkt mancher photographischer Prozesse (z.B. Heliogravüre, zur Herstellung photographisch verkleinerter oder vergrößerter Negative u.s.w.).
Es ist bemerkenswert, daß entwickelte, aber nicht fixierte photographische Bromsilbernegative durch Behandlung mit verdünnter angesäuerter Lösung von Kaliumpermanganat direkt in Diapositive umgewandelt werden können, indem hierbei das metallische Silber des Negativs aufgelöst wird und das Bromsilber zurückbleibt; wird dieses durch Reduktionsmittel geschwärzt, so resultiert ein Diapositiv. Dieser Prozeß findet bei der Lumièreschen Autochromplatte Verwendung (s. Abschnitt III: Photographie in natürlichen Farben).
Allgemeines über Photographie s. [1] und [2], über wissenschaftliche Photographie s. [3][6], über gerichtliche Photographie s. [7] und [8].
II. Photographie bei künstlichem Lichte.
Das gewöhnliche Lampenlicht (Petroleumlicht, Gaslicht, elektrische Glühlampen) weist eine geringe photographische Wirksamkeit auf, weil es relativ arm an blauen, violetten und ultravioletten Strahlen ist. Weit wirksamer ist das an chemisch wirksamen Strahlen reiche Magnesiumlicht (s.d.), Aluminiumblitzlicht (s.d.), insbesondere das elektrische Bogenlicht und das Licht der Quecksilberdampflampe. Zwischen beiden steht das Gasglühlicht und die mit starkem Strom zum Weißglühen gebrachte Glüh- oder Nernstlampe und das Drummondsche Kalklicht. Gegenwärtig wird sowohl mitunter in der Porträtphotographie, viel häufiger noch in der Reproduktionsphotographie das Licht, gewaltiger Bogenlampen (zu je 30004000 Kerzen) verwendet. Sehr günstig z.B. sind die Flammbogenlampen. Der in der Lampe gezogene elektrische Flammenbogen ist reich an blauvioletten Strahlen und gibt stark chemisch wirksames Licht. Noch wirksamer ist das Licht der Effektkohlen, die Calciumsalze (gelbes Licht), Strontiumsalze (rotes Licht) oder Baryumsalze (weißes Licht) enthalten und einen sehr hellen Flammenbogen geben, welcher zur Herstellung von Photographien und zu Kopierprozessen erfolgreich verwendet wird; Namentlich die weißen Effektkohlen werden häufig zur Aufnahme farbiger Objekte verwendet. Das fahlblaue Licht der Quecksilberdampflampe ist photographisch[120] sehr wirksam, namentlich in Form der Quarzlampe, weil Quarz für ultraviolettes Licht sehr durchlässig ist, während vom Glas nur die weniger brechbaren Regionen des ultravioletten Spektrums durchgelassen werden. Jedoch lassen gewisse Glassorten ziemlich viel Ultraviolett durch (Uviolglas). Da aber sowohl photographische Objektive als Kopierrahmen Glaskörper enthalten, so Hört die Lichtabsorption des Glases in der Quecksilberdampflampe in der photographischen Praxis kaum. Vgl. [9][11].
III. Photographie in natürlichen Farben, Photochromie.
Es gibt verschiedene photographische Verfahren, die allerdings mehr oder weniger unvollkommen die Herstellung von Bildern in natürlichen Farben auf rein photographischem Wege ermöglichen.
1. Mit Silberphotochlorid. Läßt man Chlorsilberpapier am Lichte violett anlaufen (Bildung von Silberphoto- oder -subchlorid), so ist dieses Produkt geeignet, Photochromien zu geben. Legt man bunte Gläser oder Diaphanien (s.d.) auf solches Papier und setzt es längere Zeit (1/2 bis mehrere Stunden) dem Sonnenlichte aus, so entstehen die analogen Farben auf dem Papier, namentlich das Rot, Gelb, Blau und Violett kommen gut zum Vorschein, am schwierigsten das Grün. Dieses Verfahren war im Prinzip schon Seebeck (1810) bekannt; es wurde später von Becquerel, Niepce (18501866), Zenker u.a. vervollkommnet. Keinem Forscher gelang die Fixierung dieser Art der Photochromien, die sich wohl bei Lichtabschluß lange Zeit aufbewahren lassen, im Lichte aber rasch nachdunkeln und in Fixierbädern zerstört werden.
2. Ausbleichverfahren. Unechte Pflanzen- oder Teerfarbstoffe bleichen im Lichte aus, und zwar in jenen Farben des Spektrums, die den unechten Pigmentfarben komplementär sind. Ein lichtunechter roter Teerfarbstoff wird z.B. nur von grünem Licht gebleicht, das er absorbiert, nicht aber von rotem, das er reflektiert. Diese schon anfangs des vorigen Jahrhunderts gemachte Beobachtung (s. Eder, Geschichte der Photographie, Halle a. S. 1905) nutzte zuerst Vallot (1895), Worel (1901), Neuhauß (1902) zur Herstellung von Photochromien aus. Sie bestrichen Papier mit einem Gemisch von unechten roten, gelben und blauen Farbstoffen, legten ein farbiges Glasbild u.s.w. auf, belichteten in der Sonne, bis hinter jedem Farbenglas die komplementäre Farbe zerstört war. Es resultiert dann eine Photochromie, die ungefähr die Farben des Originals aufweist. Gewisse Zusätze (Anethol, Wasserstoffsuperoxyd) befördern den Ausbleichprozeß. Die fertigen Ausbleichbilder werden durch Baden in Kupfersulfatlösung lichtechter gemacht.
3. Lippmanns Interferenzmethode ist eines der geistreichsten photographischen Verfahren (erfunden 1891) und besteht darin, daß eine feinkörnige und deshalb leider sehr wenig empfindliche Emulsion mit der Schichtseite mit Quecksilber in optischen Kontakt gebracht wird; hierauf läßt man in der photographischen Kamera das durch eine Linse entworfene farbige Bild auf die äußere Glasrückwand fallen. Es dringt durch die Emulsionsschicht zum Quecksilber und wird von diesem gespiegelt; dieses gespiegelte Licht interferiert mit dem einfallenden, wobei sich im Innern der lichtempfindlichen Schicht stehende Lichtwellen (dunkle Minima, leuchtende Maxima) bilden. Die empfindliche Schicht wird durch diese Vorgänge in eine Reihe von dünnsten Lamellen zerlegt, die zur Dicke den Zwischenraum haben, der zwei Maxima trennt. Diese Abstände entsprechen der halben Wellenlänge und der Farbe des einwirkenden Lichts. Entwickelt und fixiert man diese Bilder wie gewöhnliche photographische Trockenplatten, so erhält man nach dem Trocknen Photographien, die im reflektierten Lichte naturwahre, prächtig schillernde Farben zeigen, die auch vollkommen haltbar sind. Die Lippmannschen Photochromien geben in der Kamera direkte, wahre und wirklich fixierbare naturfarbige Bilder, die allerdings nur im reflektierten Lichte sichtbar sind. Es gelingt nicht nur die Wiedergabe des Farbenspektrums, sondern auch Mischfarben, ja sogar Porträte lebender Personen (zuerst von Lumière in Lyon 1893) sind, allerdings bei sehr langer Belichtungszeit, zu erhalten. Eine technische Verwertung ist bis jetzt unmöglich.
4. Indirekte Farbenphotographie, Dreifarbenphotographie. Die Schwierigkeiten der vorhin erwähnten Verfahren führten zur indirekten Farbenphotographie nach dem zuerst von Maxwell (1861) gefaßten Gedanken, daß man jedes farbige Bild durch Kombination der drei Grundfarben (Rot, Gelb, Blau oder Orange, Grün, Blauviolett) herstellen kann (s. Dreifarbendruck, Chromoskop, Pinachromie und Pinatypie).
Das neue Lumièresche Autochromverfahren, das in sinnreicher Weise in einem Arbeitsvorgänge unmittelbar Photographien in natürlichen Farben ergibt, baut sich gleichfalls auf dem System der Dreifarbenphotographie (s. Dreifarbendruck) auf; jedoch sind die Lichtfilterchen in den drei Grundfarben (Orangerot, Grün, Blauviolett) in die photographische Platte selbst verlegt und von so außerordentlicher Feinheit, daß das resultierende farbige Bild ohne mechanische Einfärbungsprozesse auf rein photographischem Wege zustande kommt, wobei die Empfindlichkeit so groß ist, daß Porträte, Landschaftsaufnahmen sich ohne Schwierigkeit bei sonnigem Wetter herstellen lassen. Verfahren, die dem Autochromverfahren ähnlich sind, aber Lineaturen oder andre Muster (anstatt gefärbter Körnchen) in der Platte tragen, sind auch von Ducos du Hauron und später von Bercegol, Warner-Powrie, Krayn u.a. angegeben worden. Während Joly zur Aufnahme eine Platte benutzt, die rote, grüne und blaue Linien nebeneinander zeigt, verwenden die Gebrüder Lumière bei ihren Autochromplatten statt der Linien ein seines Korn aus Stärkekörnern (Durchmesser etwa 0,015 mm). Sie werden mit sorgfältigst ausgewählten Anilinfarben orange, grün und violett gefärbt, getrocknet und dann die drei verschieden gefärbten Mengen innigst miteinander vermischt. Dieses Gemenge wird auf eine Glasplatte aufgetragen und mit einem vorher über die Platte gestrichenen klebrigen Mittel fixiert; die dergestalt adjustierten Glasplatten haben eine Preßmaschine zu durchlaufen,[121] wodurch die Körner ganz nahe aneinander gedrückt werden und schließlich nur allerfeinste Kohleteilchen zum vollständigen Ausschluß des weißen Lichtes erforderlich sind. Die so präparierten Platten zeigen für das freie Auge eine graue Färbung. Die Schichtung der gefärbten Körner wird sodann mit einem wasserdichten Lack überzogen und erst auf diesen Lack wird die panchromatische Bromsilbergelatineemulsion aufgetragen. Die Belichtung erfolgt unter Vorschaltung eines Gelbfilters durch das Glas der Autochromplatte und ist ca. vierzigmal länger zu nehmen als bei gewöhnlichen Trockenplatten. Es wird mit Pyrogallussäure-Ammoniakentwickler hervorgerufen, das entstandene unfixierte Negativ wird in ein Diapositiv umgewandelt, indem man mittels saurer Kaliumpermanganatlösung das metallische Silber auflöst. Das Bromsilber bleibt in der Platte, diese wird gewaschen, aus Tageslicht gebracht, mit Amidol bei vollem Tageslicht das unreduzierte Bromsilber entwickelt, wobei das Negativ in ein Diapositiv umgewandelt wird. Nach kurzem Waschen entfernt man die Spuren des Amidolentwicklers mit einem sehr verdünnten Kaliumpermanganatbade, dann wird flüchtig abgespült und die Platte in einer Lösung von Silbernitrat, Pyrogallus- und Zitronensäure in Wasser verstärkt. In diesem Bade bleibt die Platte so lange, bis sie in der Durchsicht genügende Kraft hat, wobei man die Farben schon prächtig sieht. Nach flüchtigem Abspülen wird die Platte in ein Kaliumpermanganatbad (1 : 2000) kurz eingetaucht, abgespült, in sauerm Fixierbade fixiert und etwa 34 Minuten gewässert. Die noch nasse Platte wird auf einer rotierenden Scheibe rasch getrocknet und mit einem alkoholfreien Lack überzogen. Das Verfahren liefert vorzügliche Resultate und ist nicht sehr schwierig auszuführen. Vgl. [4], [12][15].
IV. Photographische Vergrößerungen
stellt man entweder direkt nach den kleinen Originalnegativen her, indem man sie im durchfallenden Lichte beleuchtet und mit einem photographischen Objektiv und einer Kamera ein vergrößertes Bild auf Bromsilberpapier entwirft, das dann im Entwickler ein positives Bild gibt. Man kann auch einen indirekten Weg einschlagen, indem man nach dem Originalnegativ ein Glasdiapositiv (am besten mittels Pigmentverfahrens) herstellt und nach diesem in der Kamera ein vergrößertes Negativ, das zur Herstellung von großen Kopien dient. Vgl. [16] und [17].
Außer den im Artikel zitierten Verweisen s. ferner Momentverschlüsse, Objektive, photographische, Retusche, Stereophotographie, Telephotographie (Fernphotographie), Vergrößerungsapparate; über Röntgenphotographie s. Röntgenstrahlen.
Literatur: [1] Eder, Ausführl. Handbuch der Photographie, 3.5. Aufl., Halle a. S. 1903/06. [2] Pizzighelli, Handbuch der Photographie, 3. Aufl., Halle a. S. 1903. [3] Neuhauß, Photographie auf Forschungsreifen, Halle a. S. 1894. [4] Eder, Jahrbücher für Photographie, Halle a. S. 18871907. [5] Konkoly, Anleit. z. Himmelsphotographie, Halle a. S. 1887. [6] Krumbacher, Photographie im Dienste der Geisteswissenschaften, Leipzig 1906. [7] Bertillon, Die gerichtliche Photographie, Halle a. S. 1895. [8] Reiß, La photographie judiciaire, Paris 1903. [9] Schnauß, Blitzlichtphotographie, 3. Aufl., Düsseldorf 1902. [10] Holm, Photographie bei künstlichem Licht, Berlin 1903. [11] Mercator, Die Verwendung künstlicher Lichtquellen bei Porträtaufnahmen; Halle a. S. 1898. [12] Valenta, Photographien in natürlichen Farben mit besonderer Berücksichtigung des Lippmannschen Verfahrens, Halle a. S. 1894. [13] Miethe, Dreifarbenphotographie, Halle a. S. 1904. [14] Hübl, Dreifarbenphotographie, 2. Aufl., Halle a. S. 1902. [15] Ders., Theorie und Praxis der Farbenphotographie mit Autochromplatten, Halle a. S. 1908. [16] Mercator, Der Entwicklungsdruck, Düsseldorf 1891. [17] Stolze, Kunst des Vergrößerns, 2. Aufl., Halle a. S. 1902. Encyklopädie der Photographie, Halle a. S., Heft 160; Photographische Bibliothek, Berlin, Heft 1 20; Keßler, Lehrbuch der praktischen Photographie, Leipzig 1906; Eder, Rezepte und Tabellen, 7. Aufl., Halle a. S. 1908; Schmidt, Kompendium der praktischen Photographie, Karlsruhe 1907; Kaiserling, Praktikum der wissenschaftlichen Photographie, Berlin 1898; Schmidt, Photographisches Hilfsbuch, Bd. 1 u. 2, Berlin 1907/08; Vogel, Handbuch der Photographie, Bd. 13 (Bd. 1 bearb. von E. König), Berlin 1906; Miethe, Lehrbuch der prakt. Photographie, 2. Aufl., Halle a. S. 1902; Luther, Chemische Vorgänge in der Photographie, Halle a. S. 1899; Valenta, Photogr. Chemie, Halle a. S. 1898/99.
J.M. Eder.
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