Blitz [3]

[91] Blitz, elektrischer Entladungsfunke, meist von großen Dimensionen (102 bis 103 m Länge), hervorgerufen durch Spannungsunterschiede in der Atmosphäre. J.H. Winkler in Leipzig, 1746, vermutete zuerst elektrische Ursache. Franklin stellte ihn experimentell dar.

Durch Hinstellen einer geöffneten Kamera bei Nacht erhielt man Photographien des Blitzes. Durch zwei parallel gestellte Kameras in einigen hundert Metern Abstand für Blitze, die in etwa der zehnfachen Entfernung sich entluden, Raum- oder Stereoskopbilder. Durch seitliche Drehung einer Kamera zerlegt man das Blitzbild und erhält die Zusammensetzung und die Entladezeiten. Letztere betragen 1/100 bis 1/1000 Sekunden. Erstere zeigt, daß der Blitz sich erst mit zahlreichen Teilentladungen, die gewissermaßen tastend in der Nähe vorgreifen, eine Bahn vorbereitet, dann aber ohne Verästelungen und Teilentladungen die vorbereitete Bahn benutzt. Diese Erscheinung, daß der Blitz eine Bahn mit Vorliebe wieder benutzt, ist auf die Ionisierung der Luft durch den ersten Blitz zurückzuführen. Die Stromstärke größter Blitze wird nach elektromagnetischen Wirkungen und Schmelzungen auf 20000 Ampère geschätzt.

Ueber Flächenblitze und Kugelblitze ist die Untersuchung noch nicht ganz abgeschlossen. Nach den Untersuchungen von Walter (Hamburg) scheinen die Kugelblitze darauf zu beruhen, daß schwache Blitzentladungen in einer ionisierten Bahn sich still und unsichtbar vollziehen, während sie am Ende der Bahn aufleuchten und so die ionisierte Bahn zugleich allmählich verlängern. Die Kugelblitze sind in einem schwedischen Wasserkraft-Elektrizitätswerk künstlich, anfangs unabsichtlich erzeugt worden.

In den Funkenblitzen zeigt sich das Linien-, in den Flächenblitzen das Bandenspektrum der die Luft bildenden Gase.

Gewitter an der Küste sind meist Randwirbel (V-förmige Depressionen) der Tiefdruckgebiete und treten zu allen Jahreszeiten ein. Im Binnenlande treten diese Gewitter ebenso ein wie an der Küste. Dazu aber kommen im Binnenlande die häufigeren Wärmegewitter, die auf der Erhitzung der Luft am Boden in den warmen Monaten beruhen und sich auf das Binnenland und die Monate Juni, Juli, August beschränken. Dem jahreszeitlichen Unterschiede entspricht es, daß im Binnenlande die meisten Blitze nachmittags auftreten und an der Küste nachts.

Die Blitzgefahr im Freien ist größer als an jedem anderen Platz. Auf die verschiedenen Holzarten und Rinden der Bäume übt der Blitz sehr verschiedene Wirkung aus. Der Volksmund hält infolgedessen einige Bäume für blitzsicher, andere für blitzanziehend.

In Mitteleuropa wird nach Hellmann im Waldland auf je 50 ha erst ein Baum jährlich vom Blitz getroffen. In den Tropen (Samoa) dagegen kommt auf etwa 1/4 ha jährlich ein Blitzschlag, der in den Pflanzungen meist 2–3 Palmen zugleich köpft.

Die verbreitete Vorstellung, daß in den Tropen trotz der größeren Häufigkeit und Heftigkeit der Gewitter die Zahl der Blitzschläge geringer sei als bei uns, beruht vermutlich auf der größeren Häufigkeit der Waldkulturen, die dem darunter befindlichen Menschen relativ Schutz gewähren. Nur der einzelnstehende oder besonders hohe Baum ist ja gefährlich.

Getötet werden jährlich durch den Blitz von einer Million Menschen in England 1, Belgien 2,1, Frankreich 3, Schweden 3,1, Preußen 4,4, Steiermark und Kärnten 10,6.


Literatur: [1] Hann, Lehrbuch d. Meteorol., S. 481 ff., ebenso im Handbuch der Klimatologie. – [2] Hellmann, Beitr. z. Stat. d. Blitzgefahr, Zeitschr. d. Kgl. Preußischen Stat. Bureaus, Berlin 1886. – [3] Hartig, Fortl. naturwissenschaftl. Zeitschr. 1897, S. 97 ff.; Jahrbücher d. K.K. Zentralanstalt, Wien; Report of the Chief Weather Bureau, Washington. – [4] O. Steffens, Ueber die Blitzgefahr in Deutschland, Dissertation 1901. – [5] Van der Linden, La foudre et les arbres, Brüssel 1907; Annales Metéorologiques de l'observatoire de Belgique. – [6] Fege, Blitzschläge[91] i.d. Waldbezirk Lippe-Detmold. – [7] Historisches in Hellmanns Neudrucke, Berlin 1898; Einzeluntersuchungen von Gockel, Das Gewitter, Köln 1905. – [8] Pockels Physik. Zeitschr. 1901. – [9] Obermaier und andere, Met. Zeitschr. 1912. – [10] Pickering, Astrophysical Journal 1901. – [11] Toepler (Kugelblitze), Ann. d. Physik 1900. – [12] Walter, Ann. d. Physik 1903 ff.; Ueber Kugelblitze, Met. Zeitschr. 1909. – [13] Allgemeines: Mache u. Schweidler, Atmosph. Elektrizität, Braunschweig 1909.

Kurt Wegener.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 91-92.
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