Borsäure

[240] Borsäure B(OH)3, Mol.-Gew. 62, spez. Gew. 1,43, bildet, aus wässeriger Lösung kristallisierend, farblose, eigenartig glänzende, dünne, blätterige Massen.

Als solche ist sie nicht schmelzbar, da sie beim Erhitzen unter Wasserabgabe in Bortrioxyd B2O3 übergeht. Beim Erhitzen auf 100° geht die Borsäure (Orthoborsäure) in Metaborsäure HBO2 unter Verlust von 1 Molekül Wasser über, bei 160° entsteht Tetraborsäure H2B4O7, und bei noch höherer Temperatur erhält man Borsäureanhydrid B2O3 (= Bortrioxyd). Borsäure ist leicht in Wässer löslich (kalt 1 : 25, heiß 1 : 3), ferner in Alkohol; sie löst sich auch in geringen Mengen in Wasserdampf, ist also mit Wasserdampf flüchtig. In wässerigen Lösungen ist die Borsäure eine der schwächsten Säuren, die durch die meisten andern Säuren aus ihren Salzen abgeschieden werden kann. Das Bortrioxyd dagegen, das in der Technik auch vielfach als glasige oder wasserfreie Borsäure bezeichnet wird, ist in geschmolzenem Zustande von sehr kräftig saurer Wirkung. Die beständigsten Salze sind die Tetraborate und die Metaborate. Die Orthoborate sind unbeständig und zerfallen mit Wasser in freie Borsäure und Meta- oder Tetraborate. Die eigentliche Borsäure ist ein Gift für niedere Pflanzen und Tiere; sie wirkt daher auch antiseptisch ( s.a. Borax). – Eine beträchtliche Menge der in der Technik verbrauchten Borsäure wird aus den borsäurehaltigen Dämpfen gewonnen, die aus Erdspalten vulkanischer Gegenden (Toskana) zutage treten. Durch Verdichtung dieser dampfförmigen Borsäurelösung in von Wasser durchflossenen, an der Mündung der Dampfkanäle in den Erdboden angelegten Teichen erhält man eine dünne, wässerige Borsäurelösung. Letztere wird nach erfolgter Klärung durch Eindampfen verstärkt. Die hierzu nötige Wärme wird ebenfalls von den der Erde entströmenden Dämpfen geliefert. Aus der eingedampften Lauge kristallisiert eine rohe Borsäure aus, die für manche Verbrauchszwecke (Boraxfabrikation) direkt geeignet, für andre Zwecke erst nach einer Reinigung durch Umkristallisieren brauchbar wird. – Zur Darstellung der reineren Handelsmarken von Borsäure wird -vielfach eine Zersetzung der reineren natürlich vorkommenden Borate (s. Borax) durch Schwefelsäure vorgezogen. Das Verfahren läßt sich mit verhältnismäßig einfachen Hilfsmitteln (mit Blei ausgelegten Holzbottichen) durchführen und liefert in kurzer Zeit eine reine Ware. Verwendung der Borsäure: Boraxfabrikation, Fabrikation von Kohlen für elektrotechnische Zwecke, Heilmittel bei der Behandlung von Wunden und Entzündungen; früher als Zusatz zu Nahrungsmittelkonservesalzen, ist durch das Fleischschaugesetz vom 3. Juni 1900 ihre Verwendung zur Konservierung von Fleisch und Wurstwaren verboten.

Bujard.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 240.
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