[781] Dissoziationsspannung oder Dissoziationsdruck (auch Dissoziationstension) heißt der Gasdruck gasförmiger Dissoziationsprodukte, die der Dissoziation eines festen oder flüssigen Stoffes entflammen und mit diesem im Gleichgewicht stehen.
Die Dissoziationsspannung ist für verschiedene Temperaturen äußerst veränderlich, bei konstanter dagegen konstant. Es rührt dies daher, daß gemäß der Gleichung der Dissoziationsisotherme (s.d.) das Mengenverhältnis der Dissoziationsprodukte und der undissoziierten Molekeln konstant ist. Im Gasraum muß aber die Konzentration der festen oder flüssigen undissoziierten Molekeln bei einer und derselben Temperatur unveränderlich fein; sie muß der (wenn auch häufig unmeßbar kleinen) konstanten Dampf- oder Sublimationsspannung entsprechen, und demgemäß muß dann auch die Konzentration der gasförmigen Dissoziationsprodukte, also ihr Druck, konstant sein.
Folgende Versuchsergebnisse Le Chateliers [1] am Calciumkarbonat, das sich nach der Gleichung
dissoziert, mögen dies zeigen, t sind die Temperaturen, p die Dissoziationsspannungen in Millimetern Quecksilberdruck:
t = | 547 | 610 | 625 | 740 | 745 | 810 | 812 | 865° |
p = | 27 | 46 | 56 | 255 | 289 | 678 | 753 | 1333 mm Hg. |
Die Dissoziationsspannung ist auch für die Beständigkeit kristallwasserhaltiger Salze charakteristisch. Die Hydrate verwittern nämlich (d.h. geben ihr Wasser ab), wenn der Dissoziationsdruck ihres Kristallwassers größer ist, als dem Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre entspricht (z.B. Soda Na2CO3 · 10H2O); sie ziehen umgekehrt Wasser aus feuchter Luft an, wenn ihr Dissoziationsdruck kleiner ist (z.B. Chlorcalcium CaCl2 · 6H2O), als die Luftfeuchtigkeit. Zur Entwässerung von kristallwasserhaltigen Salzen muß man im allgemeinen ihre Temperatur und damit ihren Dissoziationsdruck so weit erhöhen, daß er den Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre wesentlich übersteigt.
Literatur: [1] Le Chatelier, Comptes rendus, Bd. 102, S. 1243 (1886).
Abegg.