Entwässerung [1]

[462] Entwässerung des Bodens bezweckt die Beseitigung der schädlichen Einwirkung der Bodennässe auf den Pflanzenwuchs.

Allgemeines. Das Gedeihen der Kulturgewächse erfordert das Vorhandensein von Wärme und Luft im Boden. Bodennässe jedoch ist gleichbedeutend mit Bodenkälte, weil die Verdunstung des nassen Bodens fortwährend Wärme verzehrt und weil die sogenannte spezifische Wärme[462] (d.i. das Maß des zur Erhöhung der Temperatur erforderlichen Wärmebedarfs) beim Wasser größer ist als bei der Ackererde, so daß ein nasser Boden viel schwerer zu erwärmen ist als ein trockener (s. Bodenphysik). Uebermäßige Bodennässe hält aber auch die atmosphärische Luft vom Eintritt in den Boden ab und hindert so die für die Ernährung der Pflanzen notwendigen Zersetzungsvorgänge an den organischen und mineralischen Bodenbestandteilen und Dungstoffen; infolge Sauerstoffmangels und dadurch bedingter Reduktionsvorgänge werden sogar pflanzenschädliche Verbindungen im Boden gebildet. Uebermäßige Bodennässe ist für den Landwirt weiterhin dadurch schädlich, daß sie den Feldverkehr erschwert und die Arbeiten der Bestellung, Beerntung u. dergl. verteuert; auch wird durch zu spätes Abtrocknen des von der Winterfeuchtigkeit angefüllten Bodens nicht selten die Frühjahrsbestellung derart verzögert, daß die Ernte nicht reist und der landwirtschaftliche Ertrag erheblich vermindert wird.

Die Ursache der Bodenvernässung kann Tagwasser sein, das im Uebermaß oder zur Unzeit den Boden bedeckt, oder Grundwasser, das zu nahe an die Oberfläche herantritt. Im ersteren Falle hat man es mit Ueberschwemmung, im letzteren mit Versumpfung zu tun. Nicht selten treten die beiden Erscheinungen zusammen auf, die eine als Folge der andern, indem bei andauernder Ueberschwemmung der Bodenoberfläche allmählich Versumpfung sich einstellt, oder indem durch das aus dem Boden hervortretende Grundwasser Ueberschwemmung der Oberfläche verursacht wird. In beiden Fällen können die nachteiligen Erscheinungen sowohl durch das in der Niederung selbst auftretende, als durch das von fremden Gebieten zufließende Tag- oder Grundwasser – eignes und fremdes Wasser – verursacht sein.

Vorübergehende Ueberschwemmungen des Kulturlandes, z.B. durch Hochwasser der Flüsse und Bäche, brauchen nicht immer schädlich zu fein; häufig überwiegt sogar der Nutzen der Ueberschwemmung den Schaden. So sind Ueberschwemmungen zur Winterszeit, wenn nicht infolge zu rascher Strömung des Wassers mechanische Beschädigungen oder Zerstörungen an den Grundstücken und Anlagen hervorgerufen werden oder eine Abschwemmung des guten Bodens stattfindet, im allgemeinen unschädlich für den Pflanzenwuchs. Ein Schaden tritt in der Regel nur im Sommer ein, wenn die Feldfrüchte und das Gras herangewachsen find; jene werden leicht durch die Strömung beschädigt, dieses wird häufig mit einer seinen Schlickschicht überzogen, welche die Spaltöffnungen der Epidermis verschließt und so die Gasaufnahme aus der Luft und damit die weitere Entwicklung der Pflanze hemmt, oder aber das schnittreife Gras ungenießbar macht. Anderseits gereichen Ueberschwemmungen infolge Ausuferns der fließenden Gewässer der landeskultur im allgemeinen zum Vorteil durch die Ablagerung der vom Wasser mitgeführten Sinkstoffe. Tiefliegende Ländereien werden dadurch erhöht und der Versumpfung. entzogen. Die Hochwasser der Flüsse und Bäche tragen wesentlich zur Bildung der fruchtbaren Schwemmboden bei. In dem abgelagerten Schlamm werden dem Kulturboden stets neue Nährstoffe zugeführt, und dieser wird dadurch dauernd fruchtbar erhalten. Letzteres ist insbesondere von Wichtigkeit für die dem Grasbau – als Wiesen oder Weiden – gewidmeten Niederungen, denen eine eigentliche Düngung nicht zuteil wird. Dabei muß jedoch vorausgesetzt werden, daß das in die Niederung eingetretene Wasser aus dieser auch wieder einen Abfluß finde und nicht stagniere. Im letzteren Falle entsteht Versumpfung, die das Gedeihen der Kulturgewächse unter allen Umständen schädigt. Die besseren Gräser sterben allmählich ab und an ihre Stelle treten minderwertige Gräser und Unkräuter. Eine Ausnahme von der Regel bildet nur der Reis, der als Sumpfpflanze stehendes Wasser oder mindestens einen bis nahe an die Oberfläche reichenden Grundwasserspiegel verlangt; die Umgebung von Reiskulturen (z.B. in Oberitalien) ist deshalb immer ungesund, indem Sumpffieber daselbst herrschen.

Die Aufgaben der Entwässerung gestalten sich verschiedenartig je nach der Ursache der Bodenvernässung, insbesondere je nachdem Tag- oder Grundwasser, eignes oder fremdes Wasser das Uebel hervorruft. Handelt es sich um schädliche Ueberschwemmungen durch Tagwasser, so sind, falls nicht durch geeignete Mittel (z.B. die Anlage von Deichen) der Ueberschwemmung überhaupt vorgebeugt werden will, Einrichtungen zu treffen, die eine möglichst vollständige und rasche Ableitung des Wassers aus der überschwemmten Niederung ermöglichen (z.B. Entwässerungskanäle, Abzugsgräben, Wasserhebanlagen u. dergl.). Liegt die Ursache der Vernässung in zu hochstehendem Grundwasser, so besteht die Aufgabe in der Absenkung des Grundwasserspiegels auf solche Tiefe, daß die Pflanzenwurzeln dem Bereich der stauenden Nässe entzogen werden. Die zur Anwendung kommenden Mittel sind an sich größtenteils geeignet, gleichzeitig den beiden Zwecken – Ableitung des Oberflächenwassers und Senkung des Grundwassers – zu dienen; so ist ein richtig angelegter Entwässerungskanal ebensowohl imstande, die bei der Ausuferung des Flusses in die Niederung übertretenden Flutwassermengen rechtzeitig abzuleiten, als auch den Grundwasserstand nach dem Bedürfnis der Pflanzenwelt zu regeln. Um jedoch das anzuwendende Mittel immer den Verhältnissen entsprechend zu gestalten, ist in jedem Fall vor dem Beginn der Meliorationsarbeiten die Ursache der Bodenvernässung durch geeignete Voruntersuchungen möglichst genau festzustellen. Wird dies versäumt, so sind Mißerfolge der oft recht kostspieligen Entwässerungsarbeiten zu gewärtigen. Die Voruntersuchungen der Bodenentwässerung werden sich in der Regel auf folgende Punkte zu erstrecken haben: Feststellung der Lage, Umgrenzung und Größe des zu entwässernden Grundstücks (Lageplan) sowie der Oberflächengestaltung (Höhenplan); Untersuchung der Bodenbeschaffenheit durch Oeffnen von Probegruben oder mittels des Erdbohrers (die Untersuchungen haben sich nicht bloß auf die Ackerkrume, sondern auch auf den Untergrund zu erstrecken); Aufnahme der oberirdischen Wasserzüge (Flüsse, Bäche u.s.w.) und Erhebung der periodischen Wasserstände derselben nach Höhe und Dauer unter besonderer Berücksichtigung aller die Geländeentwässerung beeinflussenden Verhältnisse (z.B. vorhandener Stauanlagen); Aufnahme des Grundwassers hinsichtlich seiner Höhenlage unter Terrain, seiner Veränderlichkeit und Bewegungsrichtung (zur Grundwasserbeobachtung sind vorhandene Brunnen, Tümpel, Altwasser u.s.w. oder besonders[463] hergestellte Grundwasserpegel zu benutzen); Untersuchung der Vorflutverhältnisse behufs Ableitung des Wassers von dem zu entwässernden Grundstück.

Für die Geländeentwässerung kommen folgende Mittel der Technik in Betracht: 1. Räumung und Instandhaltung der natürlichen Wasserläufe, 2. Regulierung und Korrektion der Gewässer, 3. Anlage von Entwässerungskanälen und Abzugsgräben, 4. Drainage, 5. Kolmation, 6. künstliche Wasserhebung, 7. Anpflanzung.

1. Die Räumung und Instandhaltung der natürlichen Wasserläufe bezweckt die Beseitigung der im Wasserbett von selbst sich bildenden oder durch Menschenhand entstehenden Hindernisse des regelmäßigen Wasserablaufs, als da sind: Ablagerungen von Schlamm, Sand, Kies und Gerölle, ferner Wasserpflanzen, Sträucher und Bäume, Ufereinbauten, fehlerhafte Bauwerke wie zu enge Brücken, zu hohe Stauwehre, u. dergl. Durch derlei Abflußhindernisse können der landeskultur ganz außerordentliche Nachteile erwachsen, sei es, daß das im Abfluß gehemmte Wasser Beschädigungen und Zerstörungen am Ufergelände anrichtet oder daß das Wasser bei Anschwellungen aus dem natürlichen Bett hinausgedrängt wird und das Ufergelände überflutet oder mit Sand, Kies u. dergl. überschüttet, sei es, daß der in seinem Bett aufgestaute Wasserspiegel die natürliche Geländeentwässerung hemmt, indem das Oberflächenwasser am Eintritt in den natürlichen Vorfluter verhindert oder der Abzug des Grundwassers unmöglich gemacht wird. Die Folgen derartiger Zustände sind ständige Gefährdung des Ufergeländes durch Wasserangriff, Minderung der Ernteerträgnisse, Abnahme der Fruchtbarkeit infolge fortschreitender Versumpfung des Bodens und dadurch zunehmende Entwertung der Grundstücke. Um diesen Nachteilen zu begegnen, sind die natürlichen Wasserläufe einer regelmäßigen Reinigung von angeschwemmten Materialien zu unterziehen, wobei auch die sonstigen Hindernisse des Wasserablaufs, wie Bäume oder Sträucher, die in das Wasserbett hereingewachsen sind, beseitigt und etwa nötige Wiederherstellungsarbeiten an den Ufern u. dergl. vollzogen werden. Die geeignetste Zeit hierfür ist der Sommer, wo es möglich ist, das Wasser auf die Wiesen abzuleiten und das Bett zu entleeren. Die Reinigungs- und Instandhaltungspflicht an den fließenden Gewässern sollte im Interesse des Wasserschutzes überall gesetzlich geregelt sein, am besten in der Weise, daß diese Pflicht den Gemeinden – nicht den Uferanstößern – zugewiesen wird (wie dies u.a. in Baden der Fall ist). Um eine Verengerung des Wasserlaufs durch bauliche Anlagen, wie Ufermauern, Gebäude, Brücken u. dergl., zu verhüten, empfiehlt sich eine gesetzliche Regelung in dem Sinn, daß durch polizeiliche Vorschrift ein Normalprofil für jeden Wasserlauf festgesetzt werden kann, das unter allen Umständen freizuhalten ist. Die vielfachen Schäden, die der landeskultur durch willkürliches und übermäßiges Auftauen des natürlichen Wasserspiegels zum Betrieb von Mühlen und andern Werken zugefügt werden, verlangen eine Regelung des Stauwesens in der Richtung, daß für jede Stauanlage die polizeiliche Genehmigung erforderlich ist, wobei die zulässige Stauhöhe jeweils von Amts wegen festgesetzt und durch ein Merkzeichen (s. Eichmarke) ersichtlich gemacht wird. – Als eine nützliche Einrichtung haben sich die u.a. in Baden eingeführten periodischen Schauen an den fließenden Gewässern erwiesen, wobei alle ein oder zwei Jahre der Wasserlauf durch die zuständige Wasserbaubehörde mit den Vertretern der Gemeinden und den etwa erschienenen Grundeigentümern begangen wird, um die vorhandenen Mängel und die vorzunehmenden Arbeiten im einzelnen festzustellen. Die Ausführung der letzteren kann polizeilich erzwungen werden.

2. Regulierung oder Korrektion des Gewässers ist da notwendig, wo der natürliche Zustand derart verwildert oder sonst ungeeignet ist, daß durch die unter 1. genannten Mittel ein für die landeskultur günstiger Zustand nicht erreicht werden kann. Bei der Bearbeitung von Entwürfen für die Gewässerkorrektion sind im Interesse der landeskultur die folgenden Gesichtspunkte zu beachten: unschädliche Ableitung des Hochwassers, Fürsorge für eine gute Oberflächenentwässerung und für eine dem Pflanzenwuchs dienliche Grundentwässerung. – Soll das Hochwasser im geschlossenen Profil abgeleitet werden, so daß Ueberschwemmungen in Zukunft vermieden sind, so erfordert dies beinahe in allen Fällen die Herstellung von Dämmen (Deichen), da ein in seiner ganzen Tiefe in den Boden eingeschnittenes Hochwasserprofil nur selten mit Vorteil herzustellen ist. In Berücksichtigung der Interessen der landeskultur erfordert die Frage der Hochwasserableitung immer ein sorgfältiges Studium in der Richtung, ob durch die auszuführende Korrektion Ueberflutungen des Ufergeländes für die Zukunft ausgeschlossen werden sollen oder nicht. Im ersteren Fall ist das Normalprofil des korrigierten Wasserlaufs mit Rücksicht auf die größte bekannte Hochwassermenge, im letzteren Fall nur für einen Teil dieser Wassermenge zu bemessen. Die Kosten des neuen Wasserlaufs werden im ersten Fall natürlich größer als im zweiten.

Eine Eindeichung des Wasserlaufs wird sich immer dann empfehlen, wenn wertvolle, der Ackerkultur (abgesehen von andern, außerhalb der Landwirtschaft gelegenen Benutzungszwecken) gewidmete Ländereien in Frage stehen; zum minderten werden von solchem Gelände die Sommerhochwasser abzuhalten sein. Wo aber die Flußniederung der Graserzeugung dient, wird mit der Aufhebung der Ueberschwemmungen der Nachteil eintreten, daß dem Boden die im Sommer besonders nötige Feuchtigkeit und ebenso die zur Erhaltung seiner Fruchtbarkeit dienende Zufuhr von düngendem Schlamm entzogen wird. Derartige Ländereien gehen dann in der Ertragsfähigkeit allmählich zurück. (Beispiele hierfür sind die eingedeichten Niederungen am Unterlauf einiger Ströme der norddeutschen Tiefebene, wo man neuerdings durch künstliches Einlassen des Hochwassers hinter die Deiche den der landeskultur erwachsenen Schaden wieder zu heben sucht.) Eine Eindeichung ist in solchen Fällen zu vermeiden und die Regulierung des Wasserlaufs hat in der Weise zu geschehen, daß das geschlossene Profil nur für die stärkeren Mittelwasser oder kleineren Hochwasser berechnet wird, wogegen die stärkeren und stärksten Hochwasser die Ufer auch in Zukunft überfluten. Wo aber aus besonderen Gründen eine vollkommen hochwasserfreie Eindeichung auch bei Grasländereien vorzuziehen ist, muß gleichzeitig[464] für eine künstliche Bewässerung des Bodens gesorgt werden, um diesem die nötige Feuchtigkeit und Dungkraft zu erhalten. Am einfachsten kann dies geschehen, indem an den Deichen Vorrichtungen angebracht werden, durch welche die Winterhochwasser in die Niederung eingelassen werden. Diese wird durch zweckentsprechende Zwischendämme in einzelne Staubezirke abgeteilt, die mit dem Flutwasser gefüllt werden; die Ortschaften werden durch Ringdeiche geschützt; die Flutwasser werden, nachdem sie Zeit gehabt haben, ihre Sinkstoffe abzulagern, in den Fluß zurückgeleitet. Wo jedoch den Ansprüchen einer intensiveren Bewirtschaftungsweise genügt werden soll, wird statt dessen eine eigentliche Wiesenbewässerung eingerichtet, mit. der zu jeder Jahreszeit dem Boden das erforderliche Maß von Feuchtigkeit und Dungstoffen zugeführt werden kann. Beispiel hierfür sind die regulierten Seitengewässer des Rheins im Großherzogtum Baden [1] (s. Bewässerung des Bodens).

Im Interesse einer guten Oberflächenentwässerung muß bei der Regulierung oder Korrektion darauf Bedacht genommen werden, daß von allen Teilen des Ufergeländes das Tagwasser möglichst rasch und vollständig in den neuen Wasserlauf gelangen kann. Dies verlangt für die Zugslinie des korrigierten Gewässers die Wahl der tiefsten Geländestelle (Talsohle). Der Oberflächenentwässerung ist am besten gedient, wenn der neue Wasserlauf vollständig in das Gelände eingeschnitten ist und keine Dämme besitzt. Wo das neue Bett mit Dämmen ausgestattet ist, müssen diese an einzelnen Stellen mit Dammschleußen für die Ableitung des Binnenwassers versehen werden.

Eine richtige Grundentwässerung ist dann gewährleistet, wenn der gewöhnliche Wasserstand des neuen Rezipienten den Austritt des Grundwassers aus dem Boden in der für den Pflanzenwuchs geeigneten Höhenlage gestattet. Hierzu ist erforderlich, daß der Spiegel des Vorfluters das Grundwasser weder zu hoch in das Kulturgelände zurückstaue, noch auch zu tief absenke. Im einen Fall droht Versumpfung, im andern Austrocknung. Das Abflußprofil des neuen Wasserlaufs derart zu gestalten und seine Tiefe unter der Oberfläche derart zu bemessen, daß obiger Forderung Rechnung getragen wird, ist eine Aufgabe, die ein sorgfältiges und eingehendes Studium aller einschlägigen Verhältnisse verlangt.

Von dem zu behandelnden Wasserlauf muß durch ausreichende Voruntersuchungen festgestellt sein, wie groß die in der Vegetationszeit gewöhnlich abfließende Wassermenge ist, um denjenigen Wasserstand berechnen zu können, der im zukünftigen Abflußprofil während dieser Zeit ebenso oft unterschritten wie überschritten wird. Von dem zu entwässernden Gelände müssen die Boden- und Grundwasserverhältnisse genau untersucht und es muß der Einfluß des steigenden und fallenden Vorflutspiegels auf das Verhalten des Grundwassers durch genügend ausgedehnte Beobachtungen erforscht werden. In bezug auf die Tieflage des Grundwasserspiegels mit Rücksicht auf die Vegetation ist zu beachten, daß die Tiefe des Spiegels unter der Oberfläche erfahrungsgemäß betragen soll: beim Ackerfeld 0,75–1,25 m und bei den Wiesen 0,50–0,75 m. Die größeren Zahlen gelten für schwereren, d.h. tonigen Boden und für die trockene Jahreszeit, die kleineren für leichteren, d.h. sandigen Boden und für die nasse Jahreszeit.

In sehr vielen Fällen besteht die Hauptaufgabe bei der Entwässerung versumpfter Ländereien in der Spiegelsenkung des Vorflutgewässers. Der Fluß oder Bach, der das Abwasser der Niederung aufzunehmen hat, kann im natürlichen Zustand aus verschiedenen Ursachen die Entwässerung des Geländes behindern: das Bett liegt häufig infolge natürlicher Aufschwemmung zu hoch, der Uferrand überragt das Gelände und dem Oberflächenwasser ist der Eintritt versagt; oder der Wasserspiegel ist durch ungünstige Gefälls- und Profilgestaltung oder auch durch künstlichen Aufstau in die Höhe getrieben und das Grundwasser – unter Umständen sogar das Oberflächenwasser – wird in das Gelände zurückgedrängt. Durch eine Regulierung oder Korrektion der Gewässers, wobei der Lauf verkürzt und das relative Gefälle verstärkt, unter Umständen auch der Wasserlauf tiefer gebettet wird, kann der gewöhnliche Wasserstand abgesenkt und die Vorflut verbessert werden.

Ein hervorragendes Beispiel einer derartigen Melioration ist die Korrektion des badisch-elsässisch-bayrischen Oberrheins, durch die neben einer Reihe wichtigster gesundheitlicher und gemeinwirtschaftlicher Vorteile die Grundlage für eine intensive Bodenkultur und ein die aufgewendeten Kosten weit übersteigender Wertzuwachs des dem Meloriationsgebiet angehörenden Kulturgeländes geschaffen worden ist [2].

Wird die Versumpfung durch künstlichen Aufstau zum Betrieb von Wasserwerken u; dergl. verursacht, so mag in einzelnen Fällen durch Verbesserungen am Triebwerkskanal, durch eine Verlegung der Wasserentnahmestelle für diesen Kanal flußaufwärts oder durch die Verwendung besserer Motoren zwecks Verminderung des Triebsgefälles eine Erniedrigung der Stauung und Verbesserung der Vorflut erzielt werden können. Meistens wird jedoch die Aufhebung schädlicher Stauwirkungen – falls nicht ein polizeiliches Einschreiten wegen mißbräuchlicher Wasserbenutzung möglich ist – nur durch Ablösung der beistehenden Stauberechtigungen und Beseitigung oder wenigstens Erniedrigung der Stauwerke erreichbar sein.

3. Die Anlage von Entwässerungskanälen und Abzugsgräben wird da erforderlich, wo natürliche Wasserläufe in einem der Entwässerung bedürftigen Gelände fehlen oder wo die vorhandenen Wasserzüge der Geländeentwässerung nicht oder nur in ungenügendem Maße dienstbar gemacht werden können. Oftmals verbietet sich die im Interesse der Geländeentwässerung wünschenswerte Regulierung eines Flusses oder Baches dadurch, daß das zum erweiterten Bett und den Dammanlagen zu verwendende Gelände zu kostspielig ist; durch Anlage eines Flutkanales zur Aufnahme der Hochwasser, wozu ein minder wertvolles Gelände in Anspruch genommen wird, können die Meliorationskosten vermindert werden. Häufig bilden die am Wasserlauf befindlichen Wasserbenutzungsanlagen, insbesondere Triebwerke, ein Hindernis der Erweiterung und Eindämmung des Bettes; durch Herstellung eines besonderen Kanales kann in solchem Falle ein geregelter Hochwasserabfluß erzielt werden, während der alte Flußlauf für die Folge lediglich als Werk- und Wässerungskanal zu dienen hat, was ebensowohl der Landeskultur[465] wie dem Gewerbebetrieb von Nutzen ist. Derartige Kanäle verfolgen im allgemeinen eine zum Flußlauf annähernd parallele Richtung und heißen deshalb Parallelkanäle. Durch die am Anfang des Kanals errichteten Schleußen für die Verteilung des Wassers zwischen dem Kanal und dem alten Flußbett können nach Bedarf fruchtbare Winterhochwasser der Flußniederung zugeführt werden. Beispiele derartiger Meliorationen sind die Regulierung der Aller in der Provinz Hannover in Verbindung mit der Anlage eines 19,4 km langen Parallelkanales [3], sowie die Korrektion der Elz und Dreisam in Verbindung mit der Anlage des Leopoldkanals im Großherzogtum Baden [1]. Es versteht sich von selbst, daß für die Anlage solcher oft bedeutender Flußbauwerke umfassende und sorgfältige Studien und Voruntersuchungen über die Abflußmenge, die Terrainverhältnisse u.s.w. in ähnlicher Weise wie für die Gewässerkorrektionen anzustellen sind. Flutkanäle werden im allgemeinen die Richtung tiefster Geländeanlagen zu verfolgen haben und mit so großen Profilverhältnissen auszustatten sein, daß die Abführung der Hochwässer ohne Geländeüberflutung möglich wird. Kann die Anlage von Hochwasserdämmen längs des Kanals vermieden werden, so wird dies die Geländeentwässerung befördern; meist wird jedoch wegen der großen Kosten ohne Dämme nicht auszukommen sein.

Parallelkanäle können auch den Zweck verfolgen, die Niederung entlang eines mit Hochwasserprofil versehenen eingedeichten Flußlaufes zu entsumpfen, wenn nämlich dieser letztere nicht der tiefsten Tallinie folgt. In solchem Falle hat der diese Tallinie verfolgende Kanal das in der Flußniederung lieh ergebende Tagwasser, Quell- und Grundwasser, ebenso das bei hohen Flußwasserständen auftretende Drängwasser aufzunehmen und an geeigneter Stelle entweder dem Flußlauf oder einem andern tiefer gelegenen Gewässer zu übergeben. Unter den gleich dem Hauptfluß eingedeichten Seitengewässern dieses letzteren wird der Entsumpfungskanal mittels Unterführungen hinweggeleitet. Ein Beispiel hierfür bietet die Korrektion der Rhone im Kanton Wallis [4].

Entwässerungskanäle sind mangels natürlicher Wasserzüge häufig notwendig in versumpften Niederungen, insbesondere in den des Abflusses entbehrenden Moorgebieten. Bei der Anlage derartiger Kanäle ist es von größtem Wert, den Zufluß von Tagwasser aus fremden Gebieten abzuhalten, um nicht in der gefällarmen Niederung allzu große Kanalprofile zu erhalten. Wird ein derartiges Entwässerungsgebiet von höheren Geländeanlagen umgeben, deren Abwässer bisher durch die Niederung abgeflossen sind, so empfiehlt es sich, längs der Fußlinie des Höhenrandes einen Umfangskanal anzulegen, der jene Wässer außerhalb der Niederung sammelt und dem Vorflutgewässer selbständig zuführt. Entwässerungskanäle in flachen Sumpfgebieten sollen immer die auf Grund eines sorgfältigen Flächennivellements zu ermittelnde tiefste Geländelage verfolgen, um die Abwässerung der Niederung von allen Seiten her zu ermöglichen; eine Eindämmung derselben ist unzulässig. Bei Festsetzung der Sohlentiefe und des Kanalprofiles ist von der größten Bedeutung für den Erfolg der Melioration die richtige Höhenlage der gewöhnlichen Kanalwasserstände, weil durch diese die Wasserhöhe in den Seitengräben und damit das Maß der Absenkung des Grundwassers in dem Gelände bedingt wird. Während ein zu hoher Grundwasserstand die bezweckte Entsumpfung verhindern würde, führt eine allzu kräftige Entwässerung – insbesondere bei Moorgründen – leicht ein Zurückbleiben der Vegetation durch Feuchtigkeitsmangel herbei. Erfahrungsgemäß ist bei versumpften Ländereien, insbesondere in Moorgründen, die Wirkung einer zu starken Entwässerung noch mehr gefürchtet als eine nicht ganz genügende Abtrocknung, weil in dem sumpfigen Boden, wenn er zu sehr austrocknet, überhaupt nichts mehr wächst.

Abzugsgräben bilden das einfachste Mittel zur Geländeentwässerung. Sie haben ebensowohl der Ableitung des Oberflächenwassers als der Regelung des Grundwasserstandes zu dienen. In letzterer Hinsicht ist von größter Bedeutung ihre Tiefe, um den richtigen Grad der Entwässerung zu erreichen (bezüglich des einzuhaltenden Grundwasserstandes siehe das unter 2. auf S. 464 Gesagte) und ist bei sumpfigen und moorigen Böden vor allzu tiefem Einschneiden der Gräben zu warnen. Um der Gefahr der übermäßigen Austrocknung des Bodens in den heißen Sommermonaten zu begegnen, tut man gut, in die Entwässerungsgraben Stauvorrichtungen einzusetzen, die zeitweise geschlossen werden, um das Abfließen des Wassers aus den Gräben und damit einen weiteren Rückgang des Grundwassers zu vermeiden. In größeren Entwässerungsgebieten ist immer ein Netz von Gräben erforderlich, die sich planmäßig aneinander anschließen und ihr Wasser an die größeren Kanäle oder an den Fluß oder Bach abgeben. Eine hydraulische Berechnung der Grabenprofile ist unumgänglich, um den einzelnen Gliedern des Grabennetzes die der abzuführenden Wassermenge entsprechende Leistungsfähigkeit zu verschaffen und unnützen Aufwand für übergroße Gräben zu vermeiden. Ueber den für eine wirksame Geländeentwässerung erforderlichen Abstand der zu einem einheitlichen Netz gehörenden Abzugsgräben läßt sich eine bestimmte Regel nicht angeben. Der Abstand ist um so geringer anzunehmen, einerseits je flacher das Gelände und je langsamer infolgedessen die Bewegung des Oberflächenwassers gegen die Gräben hin, anderseits je dichter der Boden und je schwieriger infolgedessen der Abzug des Grundwassers zu den Gräben ist. Bei den Moorkulturen (s.d.) wird mit der Entfernung der Gräben oftmals bis auf 20 m heruntergegangen.

Ein engmaschiges Grabennetz hat eine Reihe von Mißständen im Gefolge: Verlust an Kulturland, Kostenaufwand für die Herstellung und Erhaltung von Brücken und Dohlen sowie für die Reinigung und Instandhaltung der Gräben, Erschwerung des landwirtschaftlichen Verkehrs u.a. Bei systematischer Entwässerung größerer Ländereien mit schweren Böden greift man deshalb besser zur Anlage verdeckter Abzüge (s. Drainage).

Auffanggräben dienen zur Aufnahme des von höherem Gelände abfließenden Wassers, um solches vom Eintritt in die Niederung abzuhalten und dadurch Ueberschwemmung oder Versumpfung der letzteren zu verhüten. Häufig wird die Versumpfung von Niederungen dadurch verursacht, daß das aus benachbarten höheren Gebieten auf einer undurchlässigen Bodenschicht a b[466] sich herbeiziehende Grundwasser am Fuß des Höhenzuges (Punkt g), wo diese Schichte sich der Oberfläche nähert, entweder in Form von Quellen zutage tritt oder als versumpfendes Grundwasser die Niederung durchzieht. In solchem Fall kann durch Anlage eines Auffanggrabens g, der entlang dem Rande der Niederung in möglichst günstiger Gefällsrichtung derart angelegt wird, daß er den Grundwasserstrom normal zur Strömungsrichtung durchschneidet und das Wasser desselben ableitet, die Ursache der Versumpfung in einfachster Weise gehoben werden. In entgegengesetztem Sinne werden Auffanggräben häufig an bewaldeten Abhängen zum Anhalten des Regenwassers behufs Erzielung größerer Feuchtigkeit angelegt.


Entwässerung [1]

4. Drainage wird diejenige Art der Entwässerung genannt, bei der die offenen Entwässerungskanäle und Gräben durch unterirdische Abzüge ersetzt sind, die das im Boden sich bewegende Wasser aufzunehmen und abzuleiten haben. Näheres unter Drainage.

5. Kolmation bezweckt die Erhöhung entwässerungsbedürftiger tiefgelegener Ländereien durch Aufschwemmung von Sinkstoffen aus fließenden Gewässern. Näheres unter Kolmation.

6. Künstliche Wasserhebung wird notwendig, wo ein natürliches Abflußgefälle zu einem Vorflutgewässer nicht vorhanden ist. Dies findet häufig am Unterlauf der Ströme oder in der Nähe des Meeres statt. Die durch langandauernde Hochwasser der Flüsse oder durch stark auflaufende Fluten am Abfluß verhinderten Binnengewässer rufen eine Ueberschwemmung der Niederung hervor, der nur durch eine künstliche Hebung und Ableitung des Wassers begegnet werden kann. Näheres unter Schöpfwerke.

7. Die Entwässerung durch Anpflanzung beruht auf dem Vermögen der Pflanzenwelt, durch die Lebensvorgänge der Saftsteigung und Transpiration dem Boden Wasser zu entziehen. Die natürliche Verdunstung der Bodenfeuchtigkeit wird durch eine lebende Pflanzendecke außerordentlich vermehrt. In besonders starkem Maße geschieht dies durch eine Anzahl Bäume, die man aus diesem Grund zu dem Zweck der Bodenentwässerung eigens anpflanzt. Hierher gehören der Blaugummibaum, Eucalyptus globulus, und der Rotgummibaum, Eucalyptus rotulus, die in großem Umfang in Italien, in Algier, Australien u.a. O. zur Trockenlegung von Sümpfen angepflanzt worden sind. Ebenso ist auch die Sonnenblume, Helianthus annuus, schon im gleichen Sinne verwendet worden.


Literatur: [1] Der Binnenflußbau, Beiträge zur Hydrographie des Großherzogtums Baden, Karlsruhe 1887, Heft 5. – [2] Die Korrektion des Oberrheins, Beiträge zur Hydrographie des Großherzogtums Baden, Karlsruhe 1885, Heft 3. – [3] Zeitschr. des Architekten- und Ingenieurvereins zu Hannover, Bd. 12, S. 107. – [4] Honsell, M., Die Rhonekorrektion im Kanton Wallis, Wien 1878.

Drach.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 462-467.
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