Dreischienenbahnen

[105] Dreischienenbahnen, Bahnen, deren Gleise außer den beiden für die Unterstützung der senkrechten Räder der Fahrzeuge erforderlichen Schienen noch eine Mittelschiene zwischen ihnen erhalten, auf der ebenfalls Räder laufen, die den Zweck haben, die Reibung und damit die Zugkräfte zu vergrößern und Lallen auf stärkeren Steigungen fördern zu können.

Mit den gewöhnlichen Reibungsbahnen ist man zumeist über 50‰ oder 1 : 20 nicht hinausgegangen; nur in Ausnahmefällen ist man bis 70‰ und bei elektrischem Betrieb bis 106‰ gegangen, da der geringe und wechselnde Reibungswert größere Steigungen auf Reibungsbahnen nicht mehr zuläßt. Die Mittelschiene der Dreischienenbahnen hat verschiedene Formen; sie besteht aus Holz, um die Reibung zu vergrößern, wie bei dem sogenannten Superfizial-Bahnsystem von Köstlin, das allerdings zu nenneswert praktischer Verwendung nicht gekommen[105] ist, oder aus Eisen, in welchem Falle zur Vermehrung der Reibung wagerechte Triebräder der Lokomotiven gegen die Eisenschienen gepreßt werden, wie bei den Systemen von Kraus und Fell. Bei dem Fellschen Bahnsystem liegt, wie die Figur zeigt, in der Mitte zwischen de H für die senkrechten Räder bestimmten Schienen eine Doppelkopfschiene wagerecht, gegen welche wagerechte Triebräder der Lokomotive angepreßt werden, wodurch die Reibung verstärkt und auch in stärkeren Steigungen die erforderliche Zugkraft erreicht wird. Die Lokomotiven dieses Systems wurden entweder mit zwei oder vier Dampfzylindern erbaut; im letzteren Falle hatten sie zwei voneinander unabhängig wirkende Mechanismen, und zwar zwei außenliegende Dampfzylinder zur Bewegung der zwei Paare senkrechter und zwei innenliegende zur Bewegung der vier symmetrisch zur Mittelschiene liegenden horizontalen Triebräder, die an dieselbe vom Führer der Lokomotive nach Bedürfnis mehr oder weniger angepreßt werden können. Die horizontalen Triebräder und zylindrisch und ohne Spurkränze, um das Schwingen der Lokomotive im senkrechten Sinne zu ermöglichen. Um starke Abnutzungen zu vermeiden, sollen die senkrechten und wagerechten Triebräder annähernd gleich stark beladet werden, was schwierig zu erreichen ist. Das Bahnsystem Fell kam mit einer Spurweite von 1,1 m, mit größten Steigungen von 90‰ oder 1 : 11 und kleinsten Krümmungen von 40 m Halbmesser in Neuseeland, Brasilien (Cantagallo), am Mont Cenis und 1895 auch in England (Laxey-Sneafell) zur Anwendung. Die Bahn über den Mont Cenis (St. Michel – Susa) war nur bis zur Eröffnung des Mont Cenis-Tunnels im Betrieb. Das Fell – Bahnsystem ist durch die Zahnstangenbahnen, die bei größerer Einfachheit und Sicherheit weit größere Steigungen ermöglichen und die in den letzten Jahren besonders vervollkommnet wurden, hauptsächlich verdrängt. Im August 1904 hat man bei La Bourboule in Frankreich eine kleine, 470 m lange elektrische Bahn mit 120‰ größter Steigung mit Mittelschiene in Betrieb gesetzt. Es werden hierbei zwei am Triebwagen angebrachte wagerechte Reibungsräder mit Druckluft von beiden Seiten an die Mittelschiene angepreßt. Die Zahnstangenbahnen, bei denen zwischen den beiden Schienen eine Zahnstange liegt, in die Zahnräder der Lokomotiven oder Triebwagen eingreifen, könnte man auch zu den Dreischienenbahnen rechnen; doch hierüber s. Zahnstangenbahnen.

Dolezalek.

Dreischienenbahnen
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 105-106.
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