[488] Lokomotiven. Bezeichnung der Lokomotiven. Früher war es üblich, die Achsenanordnung durch einen Zahlenbruch kenntlich zu machen, wobei die Gesamtzahl der Achsen in den Nenner und die Anzahl der zusammengekuppelten Achsen in den Zähler gesetzt wurde. Vom Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen ist im Jahre 1908 eine neue Bezeichnung eingeführt worden, welche die Achsenanordnung eindeutig zum Ausdruck bringt und derart: gebildet wird, daß die Laufachsen durch arabische Ziffern (nicht vorhandene Laufachsen werden nicht bezeichnet), die Anzahl der gekuppelten Achsen durch große lateinische Buchstaben bezeichnet wird, wobei für 1 Treibachse A, für 2 gekuppelte Achsen B, für 3 gekuppelte Achsen C u.s.w. zu setzen ist. Die Bezeichnung der einzelnen Achsgruppen beginnt am vorderen Ende der Lokomotive und wird von links nach rechts ohne Bindestriche angeschrieben. Bei Lokomotiven mit Triebgestellen (z.B. Mallet) sind die Einzelbezeichnungen der beiden Gestelle durch +-Zeichen zu verbinden. Eine Lokomotive mit drei gekuppelten Achsen, einem vorderen zweiachsigen Drehgestell und einer hinteren Laufachse ist also als 2 C 1-Lokomotive (früher 3/6 gekuppelt), eine Mallet-Lokomotive mit 4 gekuppelten Achsen in jedem Triebgestell als D+D-Lokomotive (früher 4/4 + 4/4 gekuppelt) zu bezeichnen.
Rahmen. Neben dem Plattenrahmen aus weichem Flußeisen hat neuerdings auch der in Amerika allgemein übliche Barrenrahmen in Europa einige Bedeutung erlangt, nachdem die Lokomotivfabrik Maffei in München die Herstellung derartiger Rahmen aufgegriffen hat, und ist z.B. bei den neueren Lokomotiven der badischen und bayrischen Staatseisenbahnen und der ehemaligen Gotthardbahn verwendet. Die Barrenrahmen (Fig. 1) werden aus Schmiedeisenbarren von rechteckigem Querschnitte zusammengeschweißt, dann zur Beseitigung etwaiger Spannungen im Flammofen ausgeglüht und vollständig bearbeitet, oder aber (in Amerika) in einem Stück aus Flußstahlguß von etwa 5200 kg/qcm Zugfestigkeit und 20 bis 30% Dehnung hergestellt. Bei Lokomotiven mit Barrenrahmen sind die inneren Triebwerkteile leichter zu übersehen und für die Wartung etwas zugänglicher als beim Plattenrahmen [1].
Einstellbare Laufachsen und Drehgestelle. Neben der Bissel-Achse hat in Europa die zwangläufig einstellbare Adams-Achse mit oder ohne Rückstellvorrichtung, Fig. 2, große Verbreitung gefunden. Die am Hauptrahmengestelle beteiligten Führungen a der Achsgehäuse b sind nach einem Kreisbogen gekrümmt, so daß sich die Achse in Gleiskrümmungen seitlich verschieben und zugleich nach dem Mittelpunkt der Gleiskrümmung zu einstellen kann. Als Mittel- oder Rückstellvorrichtung dienen meist Schraubensendern c, die zwischen Rahmengestell und Achsgehäuse eingespannt sind und in Krümmungen den von der Schiene her auf die Laufachse wirkenden Seitendruck auf das Hauptrahmengestell übertragen und dadurch die erste im Rahmen festgelagerte Achse, die sonst die Führung des Fahrzeuges allein zu übernehmen hätte, wirksam entlasten [2].
Eine Abart des Kraußschen Drehgestelles ist das bei Lokomotiven der italienischen und andrer Bahnen verwendete Zara-Drehgestell, bei dem ebenfalls eine führende Laufachse mit der vordersten, seitlich verschiebbaren Kuppelachse zu einem Drehgestell vereinigt: ist, dessen Drehzapfen[488] aber nicht wie beim Krauß-Gestell im Hauptrahmen festgelagert, sondern wie bei den gewöhnlichen zweiachsigen Drehgestellen seitenbeweglich angeordnet und mit Mittelstellvorrichtung versehen ist. Dadurch ergibt sich eine günstigere Achseneinstellung in Gleiskrümmungen [3].
Kessel. In Amerika wird neuerdings die in Fig. 3 dargestellte Feuerbüchse von Jacobs-Shupert, bei der die Stehbolzen ganz vermieden sind, in größerer Zahl verwendet. Die innere Feuerbüchse besteht aus einer Anzahl ∩-förmig gebogener Stahlringe a von halbelliptischem Querschnitt und ist mit der äußeren, aus ähnlich geformten Ringen b bestehenden Feuerkiste durch bogenartige Bleche c verbunden, die zwischen die einzelnen Ringelemente eingenietet und mit zahlreichen Aussparungen versehen sind, damit das Wasser sich möglichst ungehindert zwischen den Wandungen bewegen kann. Die Jacobs-Shupert-Feuerbüchse wird auf Grund von Zerstörungsversuchen, die im Sommer 1912 von der Pennsylvania-Bahn an einem betriebsmäßig geheizten Kessel vorgenommen worden sind und auch bei sehr weit vorgeschrittenem Wassermangel keinerlei Begnadigungen oder Formänderungen der Feuerbüchse ergaben, als explosionssicher bezeichnet. Weitere Vorteile sind die Möglichkeit des Auswechselns einzelner Teile und die gegenüber Feuerbüchsen gewöhnlicher Bauart eine etwas größere Heizfläche; dem stehen als Nachteile gegenüber das größere Gesamtgewicht und die höheren Herstellungskosten [4].
Steuerungen. Bei der Ventilsteuerung, Bauart Lentz, die von verschiedenen Eisenbahnverwaltungen erprobt wird, sind an Stelle der Dampfverteilungsschieber je vier Ventile (zwei Einlaß- und zwei Auslaßventile) vorhanden, die durch eine gemeinsame, von der Kulisse angetriebene Hubkurbelstange angehoben und durch Federdruck wieder geschlossen werden [5].
Ebenfalls mit Ventilsteuerung, aber nur für den Dampfeinlaß, arbeitet die Gleichstromlokomotive von Stumpf; die Dampfausströmung erfolgt in der Mitte des Zylinders durch Schlitze, die in die Zylinderwandung eingegossen sind, und wird durch den Dampfkolben selbst gesteuert. Der Dampf durchströmt also den Zylinder von den Deckeln gegen die Zylindermitte zu immer in der gleichen Richtung (Dampfgleichstromprinzip). Dadurch werden die bei den Zylindern gewöhnlicher Bauart auftretenden Abkühlungsverluste vermindert und eine gewisse Dampfersparnis erzielt. Stumpf-Lokomotiven werden unter anderm von den preußischen Staatseisenbahnen erprobt [6].
Heißdampflokomotiven. Seit 1906 wird fast ausschließlich der Rauchröhrenüberhitzer von Wilhelm Schmidt in Kassel-Wilhelmshöhe (Fig. 4) angewendet. Er besteht aus einer größeren Zahl in Doppelschleifen gebogenen Ueberhitzerelementen b, die von der Rauchkammer aus in die Rauchrohre a (erweiterte Siederohre) eingedeckt und mit den [489] Enden an die beiden Kammern des Dampfsammelkastens c angeschlossen sind. Der vom Regler kommende Frischdampf strömt zunächst in die Naßdampfkammer des Sammelkastens, verteilt sich hier in die einzelnen Ueberhitzerelemente, durchströmt diese, sammelt sich dann wieder in hochüberhitztem Zustande in der Heißdampfkammer, von wo er als Heißdampf nach den Schieberkasten abströmt.
Zur Regulierung des Durchzuges der Heizgase durch die Rauchrohre und damit der Ueberhitzung dienen die Klappen d in der Rauchkammer; sie können vom Führerstande aus von Hand verstellt werden und sind außerdem mit dem Kolben eines kleinen, außen an der Rauchkammer angebrachten Dampfzylinders (Automat) derart verbunden, daß sie bei geöffnetem Regler offenstehen, beim Schließen des Reglers (Leerlauf der Lokomotive) aber durch ihr Eigengewicht zufallen. Die mit dem Heißdampf in Berührung kommenden Maschinenteile sind besonders sorgfältig durchzubilden; Dampfkolben mit schmalen, leichten Dichtungsringen, Kolbenschieber mit breiten oder schmalen federnden Ringen aus Gußeisen, bewegliche Stopfbüchsen mit Metallpackung haben sich bei sachgemäßer Schmierung mittels Schmierpumpen oder -pressen gut bewährt. Die Zylinder erhalten Luftsaugeventile und Druckausgleichvorrichtung, um den Leerlauf zu erleichtern. Nach den vorliegenden Erfahrungen ist die Unterhaltung der Heißdampflokomotiven bei sachgemäßer Behandlung im Betriebe (hierfür bestehen bei den einzelnen Verwaltungen besondere Vorschriften) nicht teurer als die von Naßdampflokomotiven gleicher Größe. Mit dem Schmidtschen Rauchröhrenüberhitzer werden im Betriebe Dampftemperaturen von 330° bis 350° C, im Schieberkasten gemessen, leicht erreicht. Dabei beträgt die Ersparnis an Wasser bis zu 30%, an Kohle bis zu 20% gegenüber Naßdampflokomotiven gleicher Bauart, Größe und Leistung. Wegen der beträchtlichen wirtschaftlichen Vorteile des Heißdampfes werden heute fast alle neuen Lokomotiven mit Ueberhitzern ausgerüstet. Im allgemeinen wird die Zwillingsanordnung ihrer großen Einfachheit halber bevorzugt; nur wenn es sich um sehr große Leistungen oder große Fahrgeschwindigkeiten handelt, wird Vierzylinderanordnung mit Zwillingswirkung (Doppelzwilling) oder mit Verbundwirkung (Doppelverbund) gewählt. Letztere ergibt bei 14 Atm. und mehr Kesselspannung eine etwas größere Wasser- und Kohlenersparnis. Besonders wertvoll ist die Heißdampfanwendung bei Tenderlokomotiven, deren Aktionsradius infolge des geringeren Wasser- und Kohlenverbrauches nicht unbeträchtlich größer wird. In der Tabelle auf S. 489 sind die Hauptabmessungen einiger neueren Heißdampflokomotiven zusammengestellt [7].
Zwecks weiterer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit werden mit großem Erfolge Speisewasservorwärmer eingebaut, die entweder einen Teil der Rauchgasabwärme ausnutzen und dann in die Rauchkammer eingebaut sind (z.B. Vorwärmer von Trevithick) oder einen Teil der Abdampfwärme (s. Abdampf, S. 1). Die Kohlenersparnis beträgt in beiden Fällen 10 bis 15% und mehr [8].
Literatur: [1] Die Eisenbahntechnik der Gegenwart, die Lokomotiven, 3. Aufl., S. 390. [2] Ebend., S. 416. [3] Ebend., S. 432; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1912, S. 500. [4] Ebend. 1909, S. 1515; Organ f. d. Fortschritt d. Eisenbahnwesens 1911, S. 201; 1912, S. 92; 1913, S. 383; Bulletin d. internat. Eisenbahnkongr. 1911, S. 404; Die Eisenbahntechnik der Gegenwart, die Lokomotiven, 3. Aufl., S. 230. [5] Ebend., S. 490; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1910, S. 1914. [6] Ebend. 1910, S. 2089. [7] R. Garbe, Die Dampflokomotiven der Gegenwart (Berlin 1906); ferner sind Aufsätze über Heißdampflokomotiven enthalten im Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens, »Die Lokomotive«, Glasers Ann. f. Gewerbe und Handel, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. [8] Ebend. 1913, S. 687.
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