[560] Fachwerkträger, in allgemeiner Auffassung ein ebenes Fachwerk (s.d.), das in zwei oder mehr Knotenpunkten so unterstützt (gelagert) wird, daß es imstande ist, äußere, in seiner Ebene wirkende Kräfte (Belastungen) aufzunehmen und auf die festen Stützpunkte zu übertragen. Je nach der Art und Weise der Auflagerung kann wieder so wie beim massiven oder vollwandigen Träger die Wirkung als Balken-, Bogen- oder Hängeträger auftreten. Unter Fachwerkträger schlechtweg wird aber gewöhnlich nur ein Balkenfachwerkträger verstanden. Das ideelle Fachwerk denkt man sich aus Stäben gebildet, die untereinander, in den Knotenpunkten, durch reibungslose Gelenke zu einem unverschieblichen System verbunden sind. Praktische Anwendung zu Trägern haben aber nur solche Fachwerke gefunden, bei welchen Umfangsstäbe (Gurte) und Ausfachungs- oder Gitterstäbe unterschieden werden können.
Bei m Knotenpunkten erfordert die unverschiebliche Verbindung derselben eine bestimmte geringste Anzahl (2m 3) Stäbe. (Statisch bestimmtes Fachwerk). Sind mehr Stäbe vorhanden, so beeinflussen sich dieselben gegenseitig, und es sind die Stabkräfte nur durch Eingehen auf die elastischen Formänderungen zu ermitteln. (Statisch unbestimmte Fachwerke).
Bei den statisch bestimmten Fachwerken, die als Träger praktische Verwendung gefunden haben, bilden die Ausfachungsstäbe mit den Gurtstäben aneinandergereihte Dreiecke. Es sind dann beim Balkenfachwerkträger vornehmlich zwei Anordnungen zu unterscheiden: das Ständerfachwerk (Fig. 1) und das Strebenfachwerk (Fig. 2). Ersteres mit einer Schar von lotrechten Stäben (Ständern oder Pfosten) und einer Schar von vorzugsweise auf Zug beanspruchten Schrägstäben wird bei geradem Gurt auch als System des rechtwinkligen Dreieckes, als unsymmetrisches oder auch als Fachwerk schlechtweg bezeichnet. Letzteres, das Strebenfachwerk, hat beide Stablagen geneigt und führt auch die Bezeichnung symmetrisches Fachwerk, Netzwerk, Dreiecksausfachung, System Warren. Werden die beiden Gurtungen durch mehrere einfache Ausfachungssysteme verbunden, so entstehen die sogenannten mehrteiligen Fachwerkssysteme (Fig. 3), die aber nicht mehr statisch bestimmt sind. Man kann sie aber näherungsweise durch Zerlegung in die einfachen Systeme berechnen. In der Anwendung beschränkt man sich jetzt meist auf einfache und allenfalls noch zwei- bis vierteilige Systeme. Zweiteilige Systeme lassen sich statisch bestimmt machen entweder durch Anschluß der Endschrägen unter Einschaltung eines kurzen Gelenkstabes (ab in Fig. 4) oder durch Weglassung eines Stabes (Träger nach Mehrtens und Dietz, s. Brücken, eiserne, Fig. 9). Will man mit einfachen Systemen ohne unvorteilhafte Steilstellung der Stäbe kleinere Knotenweiten erzielen, so kann dies entweder durch das Häseler-Fachwerk (Fig. 5) oder durch Einschaltung von Zwischenknotenpunkten geschehen, die mittels Dreiecks-Hänge- oder Sprengewerken an die Hauptknoten angeschlossen werden. Letztere Anordnung bei amerikanischen Fachwerksträgern häufig anzutreffen (s. Brücken, eiserne). Träger mit engmaschiger Ausfachung bezeichnet man nicht als Fachwerkträger, sondern als Gitterträger und versteht darunter insbesondere die Träger mit engmaschigem, mehrteiligem Strebensystem. Die Vereinigung des Ständerfachwerks mit Strebenfachwerk wird auch als Doppelfachwerk bezeichnet (Fig. 6). Die Ausfachung besteht hier aus drei Scharen von Stäben, aus Ständern oder Pfosten und aus gekreuzten Schrägstäben. Das System ist statisch unbestimmt und ist die Zahl der Unbestimmtheiten (der überzähligen Stäbe) gleich der Anzahl der Fachweiten; jedoch ist auch hier eine näherungsweise Berechnung durch Zerlegung in die Einzelsysteme meist zulässig. Bei flacher, d.i. nicht drucksteifer Ausbildung der Schrägstäbe ist übrigens für die meisten Belastungsfälle in jedem Fache nur ein Schrägstab wirksam und der zweite Schrägstab ausgeschaltet. Sind die Schrägstäbe steif ausgebildet, also zur Aufnahme von Druckkräften geeignet, so kommen auf die Ständer nur geringe Spannungen, und sie haben dann hauptsächlich nur die Bestimmung, den Anschluß von Querteilen an die Träger zu vermitteln. Die knicksteife Ausbildung der Schrägstäbe bei den einfachen, statisch bestimmten Systemen wird heute allgemein vertreten. Ueber die verschiedenen Formen der Balkenfachwerkträger s. Brücken, eiserne.
In einem ideellen Fachwerkträger, der nur in den Knotenpunkten belastet ist, treten in sämtlichen Stäben bloß Axialkräfte, die sogenannten System- oder Primärspannungen, auf. Durch die praktische Ausführung (feste Vernietung) wird aber der Bedingung des ideellen Fachwerks (reibungslose Gelenkverbindung) nicht entsprochen. Die Folgen davon sind Biegungsbeanspruchungen[560] der Stäbe, die durch ihre verhinderte Drehung um die Knotenpunkte hervorgerufen und als Sekundär- oder Nebenspannungen (s.d.) bezeichnet werden; dieselben werden aber auch durch Anbringung von Bolzenknoten nur in sehr beschränktem Maße vermindert.
Melan.