[183] Farbenmessung (Kolorimetrie). Die Farben sind die Grundbestandteile oder Elemente der Gesichtsempfindungen. Alles, was man steht, besteht aus Farben, die in der Fläche des Gesichtsfeldes ausgebreitet sind und aus deren verteilter Anordnung sich die Formen und Gestalten ergeben, aus denen man auf das Dasein der gesehenen Gegenstände schließt.
Die Farben zerfallen in zwei Klassen, in die unbunten Farben Weiß, Grau, Schwarz und in die bunten Farben Gelb, Rot, Blau, Grün und alles was dazwischen liegt. Die unbunten Farben lassen sich eindeutig in eine Reihe einordnen, die bunten Farben besitzen eine mehrdimensionale Mannigfaltigkeit. Die Schätzung der Farbentöne war zufälligen Namengebungen unterworfen, bis Wilhelm Ostwald Hilfsmittel angegeben hat, durchweiche sich jede Farbe nach Farbenton, Reinheit und Weißgehalt erschöpfend analysieren und eindeutig kennzeichnen läßt. Das von Ostwald entworfene System ruht natürlich auf den Arbeiten zahlreicher Vorgänger, aber die für die Praxis unumgänglich notwendige Vollständigkeit und Eindeutigkeit der Kennzeichnung bringt dieses neue System zum ersten Male.
Den Farbton bestimmt man mit Hilfe eines hundertteiligen Farbenkreises (s.d.) und eines Apparates zur optischen Farbenmischung (Lamberts Spiegel, Drehscheibe, Polarisations-Farbenmischer), indem man die Farbe aus dem Kreise aufsucht, welche sich mit der gegebenen zu reinem Grau mischen läßt. Die um 50 verschiedene Nummer ist die des gefachten Farbtones.
Jede natürliche Farbe ist aus reiner Farbe r, Weiß- w und Schwarzgehalt s so zusammengesetzt, daß alle drei Größen zusammen 100 ergeben: r + w + s = 100.
Da man zur Zeit die Reinheit selbst nicht unmittelbar messen kann, muß man sie aus dieser Gleichung nach Bestimmung des Schwarz- und Weißgehaltes s und w berechnen.
Beleuchtet man eine rein rote Fläche mit rotem Lichte, so wird sie dieses völlig zurückwerfen, also ebenso hell aussehen wie eine weiße Fläche. Enthält die rote Farbe aber einen Anteil Schwarz, so wird die rote Fläche dunkler erscheinen als eine mit demselben Lichte beleuchtete weiße Fläche. Sucht man diejenige graue Farbe auf, die neben der roten Fläche im roten Lichte gleich dunkel erscheint, so enthalten beide gleich viel Schwarz. Die verschiedenen Grau von Schwarz bis Weiß teilt Ostwald in 100 Sorten. Als Schwarzgehalt s gilt dann 100 vermindert um die Nummer des oben gefundenen Grau in dieser Skala.
Beleuchtet man die rote Fläche mit genau entgegengesetztem grünen Lichte, so erscheint sie ganz schwarz, wenn sie nur rotes Licht zurückzuwerfen vermag. Auch ein Schwarzgehalt wirkt in gleichem Sinne. Enthält die Farbe aber auch Weiß, so wird die Fläche auch grün zurückwerfen, denn Weiß entsteht aus dem Zusammenwirken aller Farben. Man bestimmt das Grau, das im grünen Lichte ebenso hell aussieht wie jenes Rot, und die Nummer dieses Grau gibt den Weißgehalt. Jede Farbe läßt sich also durch eine Kennziffer, die sechsstellig ist, eindeutig bestimmen. Diese enthält: Nummer des reinen Farbbestandteiles im Farbenkreise, Reinheit und Weißgehalt. Hundert vermindert um Reinheit und Weißgehalt gibt dann stets den Schwarzgehalt. Hellklare Farben nennt Ostwald solche, welche kein Schwarz enthalten, dunkelklare solche, in denen kein Weiß vorkommt.
Alle Farbenmischungen, in denen die gleiche reine Farbe mit allen verschiedenen Sorten von Grau in allen möglichen Mengenverhältnissen gemischt sind, lassen sich in einem ebenen Dreieck darstellen, in dessen einer Ecke die reine Farbe, in der zweiten reines Schwarz und in der dritten reines Weiß liegt.
Stellt man solche Farbendreiecke für jede Farbe des Farbenkreises her und ordnet sie gemäß der Reihenfolge der Farben im Farbenkreise aneinander, so erfüllen sie entweder einen Doppelkegel, auf dessen Achse die verschiedenen Grau und auf dessen Umfang die reinen Farben liegen, oder einen Dreikant, dessen eine Fläche alle hellklaren, dessen zweite Fläche alle dunkelklaren und dessen dritte Fläche alle grauen Töne aufweist. Alle reinen Farben liegen längs der Kante, welche die hellklaren von den dunkelklaren Farben trennt.
Die Gesamtzahl der noch eben unterscheidbaren Farben ist auf etwa eine Million zu schätzen. Im allgemeinen find sie alle mit den heutigen Mitteln der Technik herstellbar, nicht aber sind sie alle lichtecht zu erhalten und in der genauen Erkenntnismöglichkeit der noch fehlenden Bereiche von Farben mit bestimmten technischen Eigenschaften liegt der Wert obiger Definitionen für die chemische Industrie und die Färbereitechnik. Vgl. a. Farbmeßapparate.
Literatur: W. Ostwald, Die Farbenfibel, Leipzig 1917. Ders., Der Farbenatlas, zirka 2500 Farben auf über 100 Tafeln, Leipzig 1919.
R. Ambronn.
Lueger-1904: Farbenmessung [1]