Früchte

[202] Früchte, eingemachte. Alle genießbaren saftigen Früchte können so zubereitet werden, daß sie längere Zeit, selbst jahrelang, in irgend einer Form in genußfähigem Zustande sich befinden. Im allgemeinen nennt man diese Zubereitungen Konservierungsmethoden.

Die einfachste derselben beruht auf der Entziehung des Wassers, soweit dies bei saftigen und zuckerreichen Früchten überhaupt möglich ist. Die durch die Trocknung erreichte Konzentration des Zuckersaftes ist die Grundlage der Konservierung (Trockenobst, Backobst). Es kann aber auch durch Zugabe von Zucker eine solche Konzentration erreicht werden, daß sie den Konservierungszwecken entspricht, wobei noch der Vorteil mit unterläuft, daß die Aromata der Früchte viel besser erhalten bleiben als beim Trocknen (bei dem sich brenzliche Körper entwickeln). Solche mit Zugabe von Zucker konservierte Früchte heißen eingemachte Früchte. In konzentrierten Zuckerlösungen können die eine Zersetzung (Gärung, Fäulnis) bewirkenden Fermente (Schimmelpilze, Gärungspilze, Spaltpilze) sich nicht entwickeln, da der wasserbegierige Zucker das Zeitwasser (insbesondere in den Vakuolen) an sich reißt und die Pilzzellen verschrümpfen. Daraus ergibt sich, daß die erste Bedingung für die Erhaltung eingemachter Früchte in der Anwendung einer reichlichen Zuckermenge gelegen ist. Weiter ist nur der weit süßere Rohrzucker zu verwenden, denn der Traubenzucker (Glykose) enthält in der Regel noch Dextrine, die eine Gärungbewirken können; auch sollen nur bessere Rohrzuckersorten zur Verwendung kommen [2]. Sowohl zur Erteilung eines bestimmten Geschmackes als auch zur Erhöhung der antiseptischen Momente werden als weitere Zusätze Spirituosen wie Rum, Kognak, Arrak oder auch nur reiner Sprit, ferner Essig (Essigpflaumen) gebraucht, wobei an Zucker etwas gespart werden kann. Einer ganz besonderen Geschmacksrichtung entsprechen die Senffrüchte, in Mostsenf eingemachtes Obst, wie es insbesondere von Meran, Bozen vertrieben wird. So wie also durch die Zusätze verschiedene Sorten hergestellt werden können, so ist dies auch nach dem Modus der Zubereitung der Fall. Danach unterscheidet man: 1. Eingemachte Früchte mit Erhaltung der Form, a) In flüssiger Zuckerlösung; b) in kristallisiertem Zucker: kandierte Früchte. 2. Marmeladen oder Mus. 3. Fruchtgelees, Gelees, Fruchtgallerte. 4. Fruchtsäfte [1]. – Die erste Form wird besonders im Haushalte sowie in Konditoreien hergestellt. Die geschälten und mitunter auch entkernten Früchte werden mit Zucker und Wasser eingekocht. Viel empfehlenswerter, besonders wegen Erhaltung des Aromas, ist die Darstellung des »Dunstobstes«: Die Früchte werden mit gesponnenem Zucker (Karamel) versetzt, in einen Glaszylinder gebracht, dieser mit Pergamentpapier verschlossen und in einen Topf mit kaltem Wasser gesetzt (Wasserbad). Letzteres wird langsam bis zur Siedehitze erwärmt, nach einer halben Stunde vom Sieden abgesetzt und langsam erkalten gelassen. – Anhaltend gekochte Früchte geben die Marmelade oder das Mus. Dasselbe wird nach dem ersten Einkochen durch ein Roßhaarsieb passiert und nochmals aufgekocht. – Will man die Fruchtmasse gelatinieren, um Gelees zu erzeugen, so ist energisches Kochen zu vermeiden, um die gallertbildenden Pektinkörper nicht zu zerstören; das Gelee muß 8–10 Tage offen an der Luft stehen bleiben, wobei ein Gärungsprozeß sich vollzieht. – Von den besprochenen Sorten bildet nur das Pflaumenmus (»Powidl«) einen Artikel ausgedehnten Handels, namentlich von Böhmen, Mähren und dem Banat (Syrmien) aus. – Fruchtsäfte, namentlich Kirschen- und Himbeersaft (-sirup), sind ebenfalls Artikel von größerer Bedeutung. Bei der Erzeugung derselben handelt es sich um Verhinderung jeder Gelatinierung [1]. Der ausgepreßte Fruchtsaft wird in flachen Gefäßen in kühlen Räumen einer (Selbst-)Gärung überlassen, welche die reichlich vorhandenen Pektinkörper zerstört, denn diese würden den Fruchtsaft gelatinieren. Nach Ablauf der Gärung wird mit Zucker eingekocht. – Verfälschungen mit Fruchtäthern, Glyzerin, sowie schädlicher Kupfer- und Bleigehalt sind nicht selten, s. darüber [2].


Literatur: [1] König, Die menschlichen Nahrungs- und Genußmittel, Bd. 2, Berlin 1893, S. 814–818. – [2] Degener, Eingemachte Früchte, in Dammers Illustr. Lexikon der Verfälschungen, Leipzig 1886, S. 281–284. – Ferner die Werke über die Konservierung der Nahrungs- und Genußmittel von Heinzerling, Halle 1883, und Bersch, Wien (ohne Jahreszahl).

T.F. Hanausek.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 202.
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