Gebirgsfluß

[320] Gebirgsfluß, kleinerer bis größerer Wasserlauf im Gebirgs- oder Hügelland mit bisweilen beträchtlicher Geschwindigkeit, entsprechend dem starken, den Betrag von 1/500 = 2‰ meist überschreitenden durchschnittlichen relativen Gefälle; bisweilen Gefällskonzentrationen aufweisend, für Ausnutzung der Wasserkräfte nicht selten gut geeignet.

Infolge der periodisch stark wechselnden Wasserstände und entsprechend oft beträchtlicher Sinkstoff- und Geschiebebewegung ist das Flußbett häufigen Aenderungen unterworfen. Die Gebirgsflüsse sind meist nicht schiffbar oder es ist ihre Schiffahrt und Flößerei von untergeordneter oder sehr geringer Bedeutung. Der Gebirgsfluß entsteht aus der Vereinigung von Gebirgsbächen und Wildbächen und bildet meist nach Vereinigung mit andern Gebirgsflüssen den Oberlauf von Flüssen und Strömen der Niederung und des Tieflandes. Die Geschiebebewegung (Dynamik der Sinkstoffe) geht sowohl im Einzel- als auch namentlich im Massentransport vor sich. Bei Gebirgsflüssen ist die streckenweise der verschiedenen Wassergeschwindigkeit entsprechende Sortierung des Geschiebes auch nach der Breitenausdehnung eine sehr auffallende. Im Oberlauf mit dem größten relativen Gefälle findet sich das größte Kaliber vor. Dieses nimmt sukzessive an Größe ab mit dem sich gegen die untere Flußstrecke hin verflachenden Gefälle. Im Flußschlauch bezw. in der Rinne des reißendsten Wassers (dem Talweg bei Flüssen der Niederung und Strömen entsprechend) findet sich das größte (gröbste) Geschiebe[320] im gleichen Flußquerschnitt. Gegen die Ufer hin wird dasselbe kleiner, und an flachen Ufern besteht es aus feinerem Kies und mehr Sand. Das Kolken (s. Auskolkung) an der Sohle und an Fundamenten von Einbauten sowie die entsprechende mit der Geschiebebewegung eintretende flußabwärtige Vergrabung von in das Flußbett gelangenden festen Gegenständen ist eine charakteristische Erscheinung in Gebirgsflüssen. – Beispiele von Gebirgsflüssen sind: die Isar, der Inn, die Etsch, sodann die Aare von Thun bis zum Rhein, die Rhone oberhalb und ebenso auf einer bedeutenden Strecke noch unterhalb des Genfersees sowie der Rhein oberhalb des Bodensees von Thusis bezw. Ilanz abwärts; derselbe behält auch den Charakter eines solchen bis gegen Straßburg hin bei trotz streckenweise kleineren Gefälles, nicht zum geringsten Teil infolge seiner Aufnahme unterhalb jenes »Schwäbischen Meeres« verschiedener Gebirgsflüsse, wie Thur, Töß, Aare, Birs, Wiese u.s.w., und einer zeitweise bedeutenden Geschiebeführung.

Hilgard.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 320-321.
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