[309] Kamera, photographische (Dunkelkasten, Camera obscura), ein lichtdichtes Gehäuse von mannigfaltiger Form, welches in der Photographie die Aufgabe erfüllt, die Bestrahlung der lichtempfindlichen Platte (Films, Papier) auf die durch das Objektiv oder die durch eine seine Oeffnung (Lochkamera) zu beschränken, andre Lichtwirkungen also unbedingt fernzuhalten.
In der Regel besteht die Kamera aus zwei, aus festem Material (zumeist Mahagoni- oder Nußbaum-, auch Teakholz) verfertigten Teilen, welche durch einen mit Falten versehenen (daher zusammenlegbaren bezw. ausziehbaren) Leder- oder Stoffbalg verbunden sind und, auf einem Laufbrette montiert, durch Triebvorrichtungen (Zahnstangen und -rädchen) in verschiedene Entfernung voneinander gebracht werden können. Dies ist bei der Verwendung von verhältnismäßig langbrennweitigen Objektiven und bei der Aufnahme näher Objekte zur Einstellung eines scharfen Bildes unerläßlich. Der Vorderteil der Kamera nimmt das Objektiv auf, der Rückteil die in einem Rahmen gefaßte Matt- oder Visierscheibe, an deren Stelle nach erfolgter Einstellung die Kassette gebracht wird, welche im Innern die lichtempfindliche Platte so birgt, daß sie genau in die Fokusebene der Mattscheibe gelangt. Stativkameras bedürfen eines Gestells, des Stativs, das bei den zusammenlegbaren, daher leicht zu transportierenden sogenannten englischen Reisekameras aus gleichfalls zusammenschlagbaren, durch einen Stativkopf (im Laufbrett der Kamera in einem Drehring eingelassen oder als separates Stück) und einen Stativfeststeller rasch zu einem sicheren Träger zu vereinigenden Gestänges besteht (Reise-, Stockstativ u.s.w.). Bei den im Atelier verwendeten Apparaten Stellt das Stativ einen kräftigen Unterbau dar, der mit verschiedenen zum Heben, Senken und Neigen der Kamera dienenden Stellvorrichtungen ausgestattet ist. Der rückwärtige Kamerateil soll umsteckbar, der Balg dann drehbar sein, um Hoch- oder Queraufnahmen machen zu können. Die zur Beteiligung der Objektive notwendigen Ringe sind auf den leicht auswechselbaren, auf der nach oben und unten verschiebbaren Vorderwand in Leisten einzudeckenden Objektivbrettchen aufgeschraubt. Für Momentaufnahmen werden in Stativapparate häufig sogenannte Schlitzverschlüsse (s. Momentverschlüsse) eingebaut. Die aus Holz verfertigten Bestandteile sollen zum Schütze gegen die Nässe poliert und, zwecks Dauerhaftigkeit, mit Metallbeschlägen[309] versehen sein. Die Hand- oder Momentkameras unterscheiden sich von den Stativkameras zumeist dadurch, daß sie die Gestalt eines starren Kästchens besitzen oder, wie dies bei den Klappkameras der Fall ist, doch nur eine fixe Einstellung (des ausziehbaren Lederbalges, des Vorder- und Rückteils). Dies setzt die Verwendung eines bestimmten, kurzbrennweitigen Objektivs und kleine Aufnahmen voraus. Bei manchen Apparaten ist jedoch eine Triebvorrichtung am Objektive zur Einstellung bei sehr geringen Distanzen vorgesehen. Die Momentkameras (unter welchen namentlich die verschiedenen Kodaks sehr verbreitet sind) sind fast ausnahmslos komplett mit Objektiv, Momentverschluß u.s.w. adjustierte Apparate (aus Holz, mit Lederüberzügen, aus Aluminium u.s.w.). Es werden Doppelkassetten (für je zwei Platten), Plattenmagazine oder Kassetten mit Rollfilms und Abwickelvorrichtungen verwendet. Die Mattscheibe fehlt bei derlei Apparaten sehr häufig. An ihrer Stelle sind dann behufs Einstellung bezw. Wahrnehmung des Bildes sogenannte Sucher (s. Ikonometer) angebracht. Bei den Spiegelreflexkameras dagegen reflektiert ein vor der Aufnahme aufgeklappter, unter 45° geneigter Spiegel das optische, vom Objektiv selbst entworfene Bild auf die in der Kastendecke eingelassene Visierscheibe, die während der Exposition durch einen Verschluß bedeckt wird. Die Geheim- oder Detektivkameras sollen durch unscheinbare Gestalt eine unauffällige, dabei augenblicksrasche Handhabung gestatten. Sie existieren z.B. in der Form von Feldstechern (z.B. das Photostereobinokle von Görz, die Photojumelle), Uhren u.s.w. Die meisten Kameras können unter Verwendung zweier Objektive auch als Stereoskopkameras ausgestattet werden. Zur Aufnahme von Panoramen dienen besondere Kameras. Der Panoramenkodak besitzt eine längliche Gestalt und das Objektiv ist, mit einem lichtdichten Aermel versehen, um eine vertikale Achse drehbar. Der Film ist im Radius der Brennweite um ein Segment gebogen. Bei der Aufnahme beschreibt das Objektiv automatisch eine entsprechende Drehung. Zur Herstellung von Panoramen des ganzen Bildkreises von 360° dient z.B. eine Kamera, in welcher eine feststehende Trommel rundum mit dem Film bespannt ist, während die Kamera eine völlige Drehung durchmacht, Wobei sämtliche Filmstellen durch einen Schlitz hintereinander belichtet werden. Einer äußerst sorgfältigen Ausführung bedürfen die mehr oder weniger komplizierten Reproduktionskameras. Sie sind sehr massiv gebaut und ruhen auf tischartigen, auf Eisenschienen (die im Boden eingelassen sind) laufenden Gestellen. Oder, wie dies bei den modernen Apparaten fast ausnahmslos der Fall ist, ein gemeinsamer Unterbau trägt das Objektbrett und die Kamera. Durch Federn werden die unvermeidlichen, von vorbeifahrenden Wagen und anderm verursachten für die Bildschärfe äußerst gefährlichen Erschütterungen unschädlich gemacht (Schwingstativ). Die notwendige sehr bedeutende Auszugslänge des Balges bedingt einen in die Mitte einzuordnenden dritten Rahmen. Die Parallelität aller Wände (Objektträger, Objektivbrett, Mattscheibe) muß unbedingt zu erreichen sein. Zum Ausgleich von Verzerrungen macht man neuestens den Objektträger durch ein Kugelgelenk nach allen Richtungen verstellbar. Zu Aufnahmen mit Prismen oder Umkehrspiegeln (zwecks Herstellung »verkehrter«, nämlich seitenrichtiger Negative für Dreifarbendruck und Lichtdruck) muß die Kamera bezw. auch der Objektträger zu winkeln sein (90 bezw. je 45°). Für autotypische Zwecke sind Drehvorrichtungen für den Raster oder für die Kassette angebracht, ferner kann eine Spiegelscheibe bei Nachexpositionen (Hochlichtaufnahmen) vorgeschaltet werden. Der Kassettenfehler (d.h. eine mit der Stellung der Visierscheibe nicht vollkommen übereinstimmende Position der lichtempfindlichen Platte) muß unbedingt vermieden sein. Bei der Verwendung eines sogenannten Dunkelkammerateliers entfällt die Kamera ganz. Man benutzt zwei aneinander stoßende Räume, von welchen einer (nämlich der die Kamera vertretende) völlig verfinstert werden kann. In dem andern ist das aufzunehmende, mittels elektrischen Lichtes (Bogenlampen, Quecksilberdampflampen) bestrahlte Objekt aufgeteilt. Das Objektiv ist in einer Oeffnung der Scheidewand eingelassen und entwirft das optische Bild auf die im Dunkelraume frei aufgestellte Mattscheibe bezw. empfindliche Platte.
Literatur: Eder, J.M., Ausführl. Handbuch der Photographie, 1. Teil, 2. Hälfte, 2. Aufl., Halle a. S. 1893; Ders., Jahrbuch f. Photogr. u. Reprod., Halle a. S. 1888 ff.; Schmidt, F., Kompendium d. prakt. Photogr., 9. Aufl., Wiesbaden 1903; Pizzighelli, G., Anleitung zur Photogr., 12. Aufl., Halle a. S. 1904.
A.W. Unger.