Atelier

[332] Atelier, Arbeitsraum, vorzugsweise die Arbeitsräume der Bildhauer, Maler und Photographen. Das Bildhaueratelier ist wegen der Schwere der in Arbeit kommenden Marmor-, Sandstein-, Gips- und Tonmassen an ebenerdige Lokalitäten gebunden; die andern Ateliers verlegt man so hoch hinauf als möglich, wo man freies Himmelslicht zur Verfügung hat und vor störenden Reflexen möglichst sicher ist (s. Beleuchtungsgrundsätze).

Das zweckmäßigste Licht für Bildhauer, Maler und Photographen ist das »diffuse« Licht des nördlichen Himmels. Sonnenlicht schließt man möglichst aus. Das Hauptfenster liegt wegen[332] des zweckmäßigsten Lichteinfalls unter 45° in der Mitte der nördlichen Atelierwand. Bildhauer pflegen, wenn ihre Werke im Freien aufgestellt werden sollen, ein Schienengleis durch das Ateliertor ins Freie führen zu lassen, das ein leichtes Herausrücken der Kunstwerke behufs Beurteilung der »Freilichtwirkung« gestattet. Im allgemeinen nähert sich das Freilicht dem »Oberlicht«. Landschaftsmaler, die genötigt sind, stets mit Freilicht zu rechnen, pflegen mehrfach in der Decke ihrer Ateliers ein »Oberlicht« anzubringen und ihre als Staffage dienenden Objekte in diesem Licht zu malen. Näheres hierüber s. Beleuchtungsgrundsätze. Die Dimensionen der Ateliers und der Lichtöffnungen in den selben richten sich ganz nach den Dimensionen der herzustellenden Kunstwerke. Auch die Größe der Beleuchtungsfläche richtet lieh danach. Wir geben hier folgende Beispiele:

1. Bildhauer- und Malerateliers. Das Maleratelier Fig. 1 ist ein nahezu quadratischer Raum, 10 m breit, 11 m tief, das geteilte Hauptfenster F'F'' ist 21/2 m breit und jede Abteilung ebenso hoch. Das für Ausnahmefälle benutzte Südlichtfenster F (Höhe 4, Breite 2 m) gestattet eventuell Beleuchtung mit Sonnenschein, ist aber sonst meist zugezogen. Für die neue Freilichtmalerei dient eine Plattform Pl, die durch eine in der Wand W befindliche Tür zugänglich ist. Breite der Plattform ca. 6 m. Verschiedene Maler haben verglaste Plattformen, ganz nach Art eines photographischen Ateliers (s.u.). Der Anstrich, früher meist grau bis braun, wird jetzt nicht selten weiß gehalten. Oben beschriebene Anlage genügt für Monumentalbilder in großem Format. Für kleinere Aufgaben (Porträte) begnügt man sich mit halb so großen Räumen. Nur das Nordlichtfenster hält man möglichst groß. – Bildhauerateliers können unter Einhaltung der oben gegebenen Bedingungen ganz ähnlich angelegt werden, doch nimmt man sie gern höher (7 m und mehr).

Bei photographischen Ateliers bedarf man einer vollständigen Glaswand an Stelle der Mauer W (Fig. 1). Die enorme Höhe der Malerateliers ist nachteilig, da das Licht des; Fensters sich mit der Entfernung desselben erheblich abschwächt (s. Beleuchtungsgrundsätze). Wichtig ist ferner die Aufhellung der Schatten, die ebenfalls hinreichend Licht reflektieren sollen, um chemisch zu wirken. Hier ist ein seitliches Licht oder breites Oberlicht nötig. Der bei Malerateliers beliebte dunkle Anstrich ist hier nachteilig, da er das von der Wand reflektierte Licht, das die Schatten aufhellt, erheblich herabdrückt. Nach vielen kostspieligen Versuchen ist man jetzt ganz allgemein beim sogenannten Nordfrontatelier (Fig. 1) mit Glaswand und geneigtem Glasdach, mit der Fläche nach Norden gelegen, stehen geblieben. Sonnenlicht, das zu scharfe Lichter neben dunkeln scharfen Schatten liefert, muß man zu vermeiden suchen. Man ist deshalb genötigt, im Sommer, wo die Sonne bei uns bis 74° hoch steigt und über die südliche Rückseite der Ateliers (s. Fig. 2R) hinweg durch das Glasdach scheint, »Sonnensegel« anzubringen. Zu diesem Behuf errichtet man oft hohe Eisengestänge auf der Rückwand RR und den beiden Seitenwänden, an denen Segel, je nach der Stellung der Sonne, aufgezogen werden. Dieselben sehen ungemein häßlich aus; andre sperren deshalb die Sonnenstrahlen durch weiße Gardinen unterhalb des Daches ab, wieder andre nehmen mattiertes Dachglas, das freilich 50% Licht verschluckt, ein Umstand, der sich bei trübem Winterwetter empfindlich bemerkbar macht; oder[333] sie mattieren die Dachscheiben für den Sommer durch Ausreichen eines schlemmkreidehaltigen Kleisters, der im Winter wieder abgewaschen wird. Eine sehr gute Vorrichtung, die das alles ersetzt und zudem bei Hagelwetter vollkommenen Schutz des Glasdaches gewährt, besteht aus einer Reihe von Schirmen, d.h. Brettern von 78 cm (21/2') Breite und einer Länge gleich der des Ateliers. Diese liegen parallel nebeneinander, wie es H.W. Vogel in der vorigen Auflage dieses Werkes beschrieb und wie es die Seitenansicht Fig. 3 zeigt. Jedes Brett bb ist um eine Achse drehbar, die auf einem Eisenbocke rr ruht. (Ist das Atelier noch länger als 6,2 m, so müssen in der Mitte der Länge auch solche Eisenbocke angebracht werden.) Jede Achse der Bretter besitzt eine Kurbel, alle Kurbeln greifen in die Stange SS (s. die untere Fig. 3, die ein Brett vergrößert darstellt). Diese Stange SS läßt sich in jeder beliebigen Stellung an dem Eisen F festmachen. Dadurch kann man den Brettern jede beliebige Neigung geben. Am 21. Juni, wo die Sonne 74° hoch steht, würden sie die Stellung haben, wie in Fig. 3. An andern Tagen, wo die Sonne tiefer steht, klappt man sie weiter auf. Im Winter kann man sie senkrecht stellen, ausgenommen bei Schneegestöber und Hagelwetter, wo man sie ganz flach legt, um die Glaswand zu schützen. Zu bemerken ist, daß diese Vorrichtung die Sonnenstrahlen nur abhält, wenn die Sonne nicht zu weit östlich oder weltlich steht.

Die Dimensionen des Ateliers Fig. 2, das den meisten Porträtateliers entspricht, aber auch zu gleicher Zeit Reproduktionszwecken dient, sind: Länge 9–10 m; Tiefe von der Nordglaswand N bis zur Hinterwand 6 m; Höhe vorne 3 m (bis zur Sprosse m, Fig. 2); hinten 4 m.

Ateliers, die nur der Reproduktion dienen, können hoher genommen werden. Wichtig ist die Ventilation. Hierzu dienen vier Glasfenster tttt (Fig. 2) zum Oeffnen und zwei Ventilationsschächte FF zum Abziehen der heißen Luft. Die Rippen des Glashauses sind T-Schienen. Die Oberlichtschienen werden oft so gesetzt, daß die Scheiben dachartig liegen (Fig. 4). Unter die tieferliegenden Schienen legt man Schweißrinnen in der Höhe von FF, Fig. 5, zum Ablauf des Fensterschweißes. Bei Ateliers mit gekrümmten Simsscheiben (Fig. 2) ist solches weniger nötig, der Schweiß läuft, die Krümmung benutzend, bis zur Nordglaswand und wird in einer unter derselben befindlichen Rinne über M aufgefangen, die auf einer 1/23/4 m hohen Mauer MM (Fig. 5) ruht. Fig. 5 stellt das Innere eines solchen Ateliers dar. Die Glaswand, sowie das Glasdach sind mit Zuggardinen versehen. Ein Beispiel zeigen Fig. 5 und 6. Die Einrichtung besteht für die Glaswand aus 3–4 hängenden Gardinen rst, die auf Ringen an einem einzigen gespannten Messingdraht dd entlang laufen. Ebensolche Messingdrähte sind in gleicher Richtung auch am Glasdache ausgespannt, je zwei dieser Drähte tragen Gardinen opq. Mit Hilfe eines langen Stockes kann man die Dachgardinen opq entweder ausbreiten, so daß sie den betreffenden Teil des Daches CC gänzlich verhüllen, oder man kann sie zusammenschieben und dadurch beliebige Lichtöffnungen wie in den Teilen AA und BB anbringen. [334] Gleiches läßt sich mit den Glaswandvorhängen rst machen. Will man das Licht von den Füßen der Person abhalten, so deckt man den unteren Teil der Glaswand zu, indem man die Enden von s und t mit Hilfe einer Holzklammer bei f zusammenrafft. Ein Porträtatelier bedarf der sogenannten Hintergründe, d.i. ausgespannter, teils glatter, teils bemalter Stoffflächen, die von Holzrahmen getragen werden (Fig. 5). Diese hängen an Eisenwinkeln mit Rollen (Fig. 7), die an horizontalen Schienen s (Fig. 5) laufen. Höhe und Breite des Rahmens 3 m. Gewöhnlich hat man mehrere Hintergründe und dementsprechend mehrere Horizontalschienen s, weil es im Porträtfach wichtig ist, die Hintergründe möglichst rasch beiseitezuschieben und dadurch wechseln zu können. Die Farbe des Anstrichs der Wände wählt man am bellen hell (weiß oder hellblau), um reichlich reflektiertes Licht zum Aufhellen der Schatten zu erhalten (s. Beleuchtungsgrundsätze). Die obere rückseitige Kante K des Ateliers verdeckt man durch eine Abschrägung a (Fig. 8).

Während der Maler nur wenig Nebenräume für seine Zwecke nötig hat, bedarf deren der Photograph eine ganze Reihe, die man alle den Atelierräumlichkeiten zurechnet:

a) Für den Negativprozeß (s. Photographie): 1. ein Laboratorium zum Präparieren der Chemikalien (fehlt öfters); 2. eine Dunkelkammer; 3. die Retuschierräume für Negativ- und Positivretusche.

b) Für den Positivprozeß: 1. ein Lichtraum (Kopieratelier); 2. ein Dunkelraum, der jedoch ganz bedeutend heller sein darf (Verglasung mit gelben Scheiben oder doppelter Anstrich weißer Scheiben mit Chromgelb genügt) als der Negativdunkelraum. Dieser Raum ist zugleich Waschraum für die auskopierten Bilder; 3. ein Aufkleberaum (Buchbinderei).

Daneben sind noch nötig: Comptoir und Empfangsräume. Als Skizze solcher Gesamtanlagen dient der Grundriß Fig. 9. Die Arbeitsräume sind so angeordnet, daß eine leichte und rasche Kommunikation zwischen denselben möglich ist, die ein rasches und präzises Ineinandergreifen der einzelnen Arbeiten wie auch eine leichte Kontrolle derselben gestattet. Ein zweistöckiges Gebäude auf der Südseite, ein vierstöckiges auf der Westseite des Glashauses wirken als Sonnenschirme. Der Kopierraum besteht aus einem Zimmer mit Nordfrontglaswand, unter yz gelegen, nach dem Garten hinausgehend. Das Glashaus b ist 5,33 m breit und 11 m lang, an der Glaswand 3,13 m, hinten 4,38 m hoch. Bei der so entstehenden Dachneigung von 1,25 m wird der auf dem Dache angesammelte Schmutz durch den Regen leicht abgewaschen. In der Kante, wo Glaswand und Dach zusammenstoßen, befindet sich ein schmales Längseisen oder Träger der Rollen für die Gardinen. Die Glasscheiben von 0,62 m Breite werden durch 16 eiserne 1 cm × 6 cm starke Schienen gehalten. Sie liefern eine breite, ruhige Lichtmasse von Norden her. Die übrigen Räumlichkeiten sind aus der Unterschrift von Fig. 9 erkennbar. Wartezimmer WZ, Dunkelraum DR und Negativretuschierzimmer sind hier zu klein bemessen und dürften unbedenklich doppelt so groß genommen werden.

Ein neues Glashaus ohne Glasdach hat Eggenweiler vorgeschlagen (s. Fig. 10). Er führt ein sehr hohes Seitenlicht ein, AA und BB (Fig. 10), und läßt das undurchsichtige Dach AAAA steil nach Süden abfallen. Das Dach ist innen ganz weiß gestrichen und reflektiert daher von dem auffallenden Seitenlicht einen beträchtlichen Teil, so daß es wie ein Firmament wirkt, wenn auch schwächer. In der Höhe AC (etwa die Hälfte der ganzen Höhe) ist ein[335] Oberlichtgardinensystem angebracht, das gestattet, beliebige Stellen des Dachreflexlichtes abzuschneiden. Seitenlichtgardinen selbstverständlich. Diese Bauart schließt die hohe Mittagssonne selbst im Sommer vollständig aus, vermeidet die überstarke Erhitzung des Ateliers, wird durch Schneefall nicht beeinträchtigt und ist erheblich billiger als die herkömmliche Konstruktion; sie hat jedoch wenig Verbreitung gefunden, weil sie für Gruppenaufnahmen wenig geeignet ist.

Außer den durch Tageslicht erhellten photographischen Ateliers stehen auch solche mit künstlicher Beleuchtung in Verwendung, namentlich in Reproduktionsanstalten. Als Lichtquelle dienen starke elektrische Bogenlampen, von denen der Reproduktionsphotograph zwei oder vier Lampen à 1000–2000 Kerzen Helligkeit oder von noch größerer Helligkeit verwendet. Für Zwecke der Porträtphotographie muß das elektrische Licht durch transparente Gläser, Leinwand oder Papier diffus gemacht werden oder man läßt es auf weiße breite Flächen oder Schirme auffallen und auf das Modell reflektieren, um eine weiche Beleuchtung zu erzielen. In ähnlicher Weise kann Magnesiumblitzlicht, Acetylenlicht u.s.w. zu Atelieraufnahmen verwendet werden.


Literatur: Eder, Handbuch der Photographie, 2. Auflage, Halle a. S. 1890–94, Band 4; H.W. Vogel, Handbuch der Photographie, 4. Aufl., Berlin 1895, Bd. 4; Fritsch, Bauhandbuch, Berlin 1880. – Ueber photographische Ateliers mit künstlichem Licht (elektr. Licht, Magnesiumlicht u.s.w.) s. obige Werke, ferner Volkmer, Technik der Reproduktionen, Wien 1893, und Fritz, Photolithographie, Halle 1894; Stolze, Handwerksbuch des Photographen, Halle 1898 und 1899.

J.M. Eder.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 7.
Fig. 8.
Fig. 8.
Fig. 9., Fig. 10.
Fig. 9., Fig. 10.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 332-336.
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