[458] Kettenlinie ist die Gleichgewichtsfigur eines homogenen schweren Fadens (s. Fadenkurven).
Sie ist eine transzendente Kurve, deren Gleichung in rechtwinkligen Koordinaten
ist, worin die Konstante a der Parameter der Kurve heißt. Die Achse der y ist eine Symmetrielinie derselben, während sie selbst nur auf der einen Seite der x-Achse liegt. Die Symmetrielinie wird Achse, die x-Achse aber Leitgerade der Kettenlinie genannt. Die Ordinate y wächst für positive wie für negative x ins Unendliche und hat ein Minimum y = a für x = 0. Der Punkt des Minimums der Ordinate heißt der Scheitel S (s. die Figur).
Die Länge s des vom Scheitel an gerechneten Bogens ist:
Man erkennt leicht, daß y2 s2 = a2 und s/a = d y/d x = cotg ψ ist, wenn ψ den Winkel bezeichnet, den die Tangente der Kurve mit der Richtung der Ordinaten bildet. Wickelt man daher den Bogen s mit der Tangente ab, so ist Σ M = s, und verbindet man Σ mit dem Fußpunkte P der Ordinate, so ist Δ M P Σ bei Σ rechtwinklig und P Σ = a. Beschreibt man daher um den Ursprung O mit α als Radius einen Kreis und projiziert den Punkt Σ parallel der x-Achse auf diesen, so ist die Tangente T m dieses Kreises in dem Projektionspunkte T parallel der Tangente der Kettenlinie in M. Der Krümmungshalbmesser ρ in M genügt der Gleichung ρ sin2 ψ = α. Daher ist derselbe gleich der Normalen M N vom Kurvenpunkte bis zur Leitgeraden. Der Punkt Σ beschreibt eine Evolvente der Kettenlinie, deren Tangente Σ P = a ist. Diese Evolvente ist daher eine Tractrixkurve mit O N als Leitgeraden, d.h. eine Kurve, für welche die Länge der Tangente, vom Berührpunkt bis zur Leitgeraden gerechnet, konstant ist.[458]
Kettenlinie gleicher Beanspruchung. Bei der gewöhnlichen Kettenlinie ist die Spannung im Scheitel am geringsten, und zwar gleich dem Gewicht eines Stücks der Kette von der Länge a. Im Punkte M ist die Spannung gleich dem Gewicht eines Stücks Kette von der Länge √(s2 + a2). Wird die Kette an den verschiedenen Stellen der infolge ihres Gewichtes und Durchhanges dort herrschenden Spannung entsprechend verschieden stark gemacht, so nimmt sie die Form einer Kettenlinie gleicher Beanspruchung an, deren Gleichung lautet: y = b logn cos x/b, wo b die zulässige Reißlänge der Kette bedeutet.
(Schell) Finsterwalder.
Lueger-1904: Naviersche Kettenlinie