Kupferstecherkunst

[787] Kupferstecherkunst (Chalkographie), graphische Kunst, welche darin besteht, daß in einer Kupferplatte (hier und da aber auch in Zink-, Messing-, Stahlplatten oder -walzen) das Druckbild vertieft wird.

Die chalkographischen Methoden lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen. A. Die erste umfaßt die Verfahren, bei welchen das Druckbild ausschließlich durch schneidende Werkzeuge[787] herausgearbeitet wird. Hierher gehören: 1. der Kupferstich (reine Grabstichel- oder Linienmanier). Die Zeichnung wird auf die polierte Kupferplatte aufgepaust, mit einer Nadel eingeritzt und mit einem Stichel, dessen Schneidefläche (Schildchen) rautenförmig ist, von rechts unten nach links oben herausgestochen. Die Platte ruht dabei auf einem Sandpolster oder beweglichen Pulte und wird mit der linken Hand stets nach Erfordernis gedreht. Der an den Rändern des Striches (der Taille) entstehende Grat (Bart, Barbe) wird mit dem scharfen, dreikantigen Schaber entfernt. Die einfachste Form des Kupferstiches ist der Umriß- oder Konturenstich, welchem sich der nur die notwendigsten Schatten andeutende Kartonstich anschließt. Beim abschattierten Linienstich müssen jedoch zur Hervorbringung der verschieden dunkel wirkenden Tonflächen eigenartige Systeme von Linien- und Punktlagen Anwendung finden. Der ungemein mühselige, zur Ausführung sehr viel Zeit erfordernde reine Kupferstich wird heute nur zu kunstvoll zu verfertigenden Platten für Banknoten-, Postmarken- und Stempelmarkendruck benutzt. 2. Die Punktiermethode (gepunzte Manier) besteht darin, daß Spitzhämmer oder Punzen in die Platten eingeschlagen werden, wodurch sich dann das ganze Bild oder Teile desselben aus verschieden dicken Punkten zusammensetzen. 3. Beim Kreidestiche (Crayonmanier) werden in ähnlicher Weise Tonflächen gebildet, indem man durch Behandeln der Platte mit Rouletten (s.d.) verschiedene Punktmuster erzeugt. 4. Der Schabstich (Schabkunst, Schwarzkunst, Mezzotintostich) ergibt künstlerisch sehr vollkommene Bilder. Die Kupferplatte wird zunächst mit Wiegemessern, die schaukelnd in wechselnder Richtung bewegt werden, oder mit scharfgezahnten Halbwalzen (Granulierwalzen) gleichmäßig aufgerauht. Die Zeichnung wird nun so behandelt, daß man mit dem Schaber an den verschiedenen Bildstellen die durch das Granulieren entstandenen kegelförmigen Erhöhungen (das Korn) um so mehr wegschabt, je heller die betreffenden Partien sein sollen, nämlich je weniger Druckfarbe dort festgehalten werden darf. Ganz dunkle Striche graviert man mit dem Stichel. 5. Der Stich mit der trockenen (kalten) Nadel, bei welchem das Bild nur mittels einer stählernen Graviernadel eingeritzt wird, ergibt für sich allein angewendet sehr zarte Bilder. Man benutzt ihn jedoch nur zumeist in Verbindung mit andern Manieren. – B. In die zweite Gruppe fallen die Verfahren, welche darauf beruhen, daß das in verschiedener Weise manuell aufgebrachte Druckbild schließlich durch Säuren eingeätzt wird. 1. Die Radierung (Aetzkunst) ist hier die heute vom Künstler mit Vorliebe ausgeübte Tiefdrucktechnik. Die erhitzte Kupferplatte wird mit einem säurefesten Aetzgrunde (Asphalt 40, Wachs 50, Kolophonium 20, reines Harz 30, Mastix 15 Teile werden zusammengeschmolzen, in kaltem Wasser geknetet und zu Stangen geformt) durch Tamponieren oder Einwalzen überzogen, durch Räuchern mit einer Wachsfackel geschwärzt und mit der Pause versehen. Hierauf legt der Aquafortist durch in Strichen ausgeübtes Radieren mit Radiernadeln (Reibahlen) die Kupferplatte an den Bildstellen bloß und ätzt durch Aufgießen der Säure (hierzu muß das Bild zuerst mit einem Wachsdamm, dem Bord, umgeben werden) oder in Tassen (in diesem Falle sind Kanten und Rückseite der Platte mit Asphalt zu schützen). Durch partielles Abdecken und Weiterätzen (Stufenätzen) erzielt man ein unterschiedliches Tieferlegen und dadurch größere Effekte. Die fertig geätzte Platte kann mit Stichel, kalter Nadel, Schaber und Polierstahl retuschiert werden. Radierungen, welche eine vom Künstler für diesen Zweck besonders geschaffene Komposition darstellen, nennt man Original- oder Malerradierungen. Tonflächen lassen sich durch Aufrauhen der Platte mittels Feile (Feilton), Schmirgel (Schleifton) oder Roulette, ferner durch Aquatintakorn (s. unten) erhalten. 2. Das Vernis mou-Verfahren (s. Durchdruckverfahren). 3. Die Aquatintamanier (Bistermanier, Tuschmanier, Laviermethode). Die mit der leicht eingeritzten Zeichnung versehene Kupferplatte wird mit feinstem Asphaltpulver bestäubt (durch Einlegen in einen Behälter, in dem vorher das Pulver aufgewirbelt wurde) und dieses angeschmolzen. (Durch diesen Vorgang wird ein glattes Tiefätzen über größere Flächen verhindert, indem die säurefesten Harzpartikeln die Platte an den betreffenden punktförmigen Stellen so lange vor Aetzwirkung bewahren, bis die Körnchen unterätzt sind. Dadurch entsteht ein hügeliger, die Druckfarbe festhaltender Metallgrund, der sich im Abdrucke durch das sogenannte Aquatintakorn äußert.) Nun ätzt man in Etappen unter öfterem Abdecken der genügend tiefen Partien. 4. Die Reservagemethode (Aussprengverfahren). Hierbei wird das Bild mit wasserlöslichen Farbstoffen aufgemalt, sodann die Platte mit Aetzgrund versehen, überzogen und in das Säurebad gebracht, worin die Bemalung sich löst, die Harzdecke infolgedessen abgesprengt und die Platte dort der Aetzwirkung freigegeben wird. – C. Die dritte Gruppe bilden die Verfahren, bei denen das Bild mit geeigneten Substanzen reliefartig aufgemalt und durch galvanoplastische Abformung eine Tiefdruckplatte gewonnen wird. Die wichtigste unter diesen Methoden ist die Galvanographie (s.d.). – Nicht immer arbeitet man direkt in Metall, sondern auch in weicherem Material und formt galvanoplastisch ab (s. z.B. Stylographie). Ferner vgl. Hyalographie und Naturselbstdruck. – Auch die Kupferplatten besitzen für den Druck einer größeren Auflage zu wenig Widerstandsfähigkeit. Man verstählt sie deshalb im galvanischen Bade oder verfertigt Stahlgalvanos bezw. Stahlätzungen. Der Stahlstich wird nur sehr selten mehr geübt. – Zur Herstellung von Markentiefdruckformen und von Zeugdruckwalzen verfährt man häufig so, daß zunächst eine Urform in erweichtem Stahl geschnitten, diese dann gehärtet und in eine erweichte Stahlrolle abgeprägt wird. Die Molette, gehärtet, prägt man abermals ab, erhält so die Patrize und dessiniert damit die Druckplatten oder -walzen.

Das Abdrucken der Kupferplatten erfolgt so, daß die Form zuerst mit Druckfarbe, und zwar mittels Tampons oder Filzwalzen, vollständig eingerieben wird. Hierauf muß man durch Wischen mit mehreren Stoffballen (Trockenwischen oder, wenn die Ballen mit schwachen Laugen befeuchtet sind, Naßwischen) den Ueberschuß der Druckfarbe entfernen. Durch partielles stärkeres Herauswischen, was ein Aufhellen der betroffenen Partie bewirkt, oder durch[788] schwaches Wischen, wodurch mehr Farbstoff auf der Plattenstelle bleibt (Wischton), kann der Abdruck in bezug auf Tonabstufung sehr beeinflußt werden. Die Platte gelangt sodann in die Presse (s. Kupferdruckmaschinen). Der Drucker legt zumeist; erst ein nur gering über das eigentliche Bild ragendes Blatt Chinapapiers, dann ein größeres Blatt weichen Baumwollkupferdruckpapiers auf und druckt durch. Beide Blätter sind stark durchfeuchtet. Die beim Pressen infolge des Einprägens der ganzen Platte entstehenden sogenannten Plattenränder sind für Kupferdruckblätter charakteristisch. Künstlerabdrücke werden die ersten, vor der Schrift (d.i. vor dem Einstechen der erklärenden Zeilen, der Legende) gemachten Abdrücke genannt. Häufig zeigen diese noch eine außerhalb des Bildes angebrachte skizzenhafte Zeichnung; man nennt sie dann Remarquedrucke. Vor dem Auflagendrucke wird die Improvisation weggeschliffen, die Legende gestochen und die Platte verstählt. Für die Kupferdruckschwärzen muß glanzloser, oft calcinierter Ruß benutzt werden.


Literatur: Ziegler, Walter, Die Techniken des Tiefdruckes mit besonderer Berücksichtigung der manuellen künstlerischen Verfahren, Halle a. S. 1901; Roller, J., Technik der Radierung, 2. Aufl., Wien 1905; Unger, A.W., Die Herstellung von Büchern, Illustrationen u.s.w., Halle a. S. 1906.

A.W. Unger.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 787-789.
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