Lichtmeßverfahren

[389] Lichtmeßverfahren dient ebenso wie das Schallmeßverfahren der artilleristischen Erkundung und Schußbeobachtung. Beide Verfahren (Lichtmeß- und Schallmeßverfahren) bestehen darin, den Einschlag eines Schusses bezw. das Abfeuern eines Geschützes nach dem Knall (Schallmeßverfahren) bezw. der Feuer- oder Raucherscheinung (Lichtmeßverfahren) von verschiedenen Meßstellen aus gleichzeitig zu erfassen und das Ergebnis einer Auswertestelle zu melden, welche unter Berücksichtigung von Wind, Temperatur, Güte der Messung u.s.w. durch Zusammenfassen der Schnitte bezw. der Zeitunterschiede den zu ermittelnden Punkt auf einem Meßplan (s.d.) feststellt.

Vorbedingung für die Anwendung beider Verfahren ist ungehinderte Schnellverbindung der zu dem System gehörenden Stellen. Je zwei Meßstellen bilden eine Balis, mehrere Basen ein System, das noch durch »Vorwarner«, welche die betreffenden Detonationen den Meßstellen zurufen sollen, ergänzt wird. Die Meßstellen sollen für das Schallmeßverfahren etwa 4–5 km auseinanderliegen; für das Lichtmeßverfahren soll das System so breit sein, daß nach allen Punkten Schnitte von nicht unter 30° möglich sind. Alle Stellen werden trigonometrisch (im Bewegungskrieg nach besonderem Verfahren) festgelegt und in den Meßplan eingetragen. Jede Meßstelle (M.-St.) hat ihre Haupt- bezw. Grundrichtung, auf welche sich ihre Messungen seitlicher Abstände beziehen. Zur Ausrüstung der Lichtmeßstellen gehören gut miteinander verglichene Uhren, Stoppuhren, Scherenfernrohr und Richtkreis, Fernsprecher, Plan, Windmesser, Thermometer u.a.; die Schallmeßstellen sind mit dem Richtungshörer, besonders unterteilten Stoppuhren, Summerapparat, im übrigen wie die Lichtmeßstellen ausgestattet. Der Richtungshörer besteht aus einem Gestell mit Richtkreis, auf dem ein mit Fernrohr versehener Kopf drehbar angeordnet ist. Der Kopf trägt rechts und links je einen Schalltrichter, welche in Schläuche endigen, die der Horcher in die Ohren nimmt. – Soll z.B. die Lage eines feuernden Geschützes mittels des Lichtmeßverfahrens festgelegt werden, so schneiden mehrere Meßstellen das Mündungsfeuer des betreffenden Geschützes mit Richtkreis oder Scherenfernrohr an und melden den zur Hauptrichtung gemessenen Winkel und die genaue Zeit an die Auswertungsstelle. Dort werden die Schnitte auf den Meßplan übertragen und aus dem Schnittpunkt die Lage des feindlichen Geschützes ermittelt. – Bei dem Schallmeßverfahren schneidet man in ähnlicher Weise den Knall an; hierzu bedient man sich des Richtungshörers. Bei Geschützen, deren Anfangsgeschwindigkeit größer als 331 m (Schallgeschwindigkeit) ist, muß man berücksichtigen, daß man bis zu einer gewissen Entfernung rechts und links der Geschoßbahn zwei Knalle hört: den Mündungsknall des Abschusses und den von der Kopfwelle des Geschosses erzeugten Geschoßknall; den Zeitunterschied der beiden nennt man den Knallabstand. – Ein anderes Schallmeßverfahren ist das Zeitunterschiedverfahren. Der Vorwarner leitet die Messung, er ruft den Schuß an. Die beteiligten Meßstellen lösen beim Eintreffen des Knalls ihre Stoppuhr und stoppen sie auf ein vom Vorwarner gegebenes Summerzeichen. Sind die Meßstellen A, B und C beteiligt, so müssen je nach ihrer Entfernung vom Ausgangspunkt des Knalls (Ziel) die Zeiten verschieden sein. Mittels dieser Zeitunterschiede und mit Hilfe von Hyperbeln, deren Brennpunkte die Basispunkte A–B bezw. B–C sind, gewinnt die Auswertungsstelle in dem auf dem Meßplan gefundenen Schnittpunkt der Hyperbeln die gesuchte Knallstelle. Ein drittes Schallmeßverfahren ist die Lichtschallmessung. Sie bildet eine wertvolle Ergänzung des Zeitunterschiedverfahrens. Der Beobachter löst die Stoppuhr, sobald er den Lichtschein des Schusses wahrnimmt und stoppt sie beim Eintreffen des Knalles. Mit der von der Auswertungsstelle berichtigten Zeit wird entsprechend dem Zeitmaßstab auf dem Meßplan ein Kreis um die betreffende Meßstelle geschlagen, ebenso bei den anderen beteiligten Meßstellen. Der gemeinsame Schnittpunkt gibt die Knallstelle. Das Schallmeßverfahren hat den Vorteil, daß es auch bei unsichtigem Wetter und bei völlig verdeckter Lage des Ziels anwendbar ist.

F. Wille.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 389.
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