Materielles System

[333] Materielles System, die Gesamtheit beliebig verbundener oder getrennter Teile der Materie, die als Ganzes der Betrachtung unterworfen werden (Sonnensystem, Weltsystem, s.a. Körper, Träger). Zwischen den Teilen des Systems unter sich können Kräfte wirken, sie heißen innere Kräfte; es können aber auch Kräfte zwischen Teilen des Systems und nicht zum letzteren gehörigen Ausgangspunkten wirken; diese werden äußere Kräfte genannt. Alle bei Untersuchung eines materiellen Systems auftretenden Kräfte sind also entweder innere Kräfte oder äußere Kräfte.

Jeder Teil s eines materiellen Systems S (Fig. 1 und 2) läßt sich als neues System betrachten, in welchem Falle alle Kräfte, die von dem Reste Ss des ursprünglichen Systems auf das Teilsystem s wirken, in bezug auf dieses äußere Kräfte darstellen (da sie von außerhalb s her wirken), während sie in Hinsicht S innere Kräfte waren. In Fig. 1 und 2 sind für das ganze System S die im Schnitte[333] angedeuteten Kräfte innere Kräfte (sie wirken zwischen Teilen des Systems), alle übrigen äußere Kräfte. Für das Teilsystem s sind die durchkreuzten und für das Teilsystem S – s die nicht durchkreuzten Kräfte als äußere anzusehen.

Ist ein materielles System in sich und hinsichtlich seiner Umgebung in Ruhe, so müssen sich die in jedem Systempunkte (Fig. 3) angreifenden äußeren und inneren Kräfte das Gleichgewicht halten und in jedem beliebig geformten Schnitte durch das System irgendwelchen von einer Seite her wirkenden Kräften von der andern Seite her genau gleich große Kräfte von entgegengesetzter Richtung widerstehen (Fig. 1, 2, 4, vgl. Angriffsmoment, Druck, Schnittkräfte u.s.w.). Zu voller Bestimmtheit der Schnittkräfte ist also stets anzugeben, von welcher Seite des Schnittes her dieselben wirken, auf welche der beiden im Schnitte zusammenhängenden Flächen sie bezogen sind. Sodann müssen im Falle der Ruhe die am ganzen System oder irgend einem Teilsystem angreifenden äußeren Kräfte für sich im Gleichgewichte sein. Dies folgt daraus, daß beim Ansatze der Gleichgewichtsbedingungen für alle äußeren und inneren Kräfte des fraglichen Systems die inneren Kräfte wegen doppelten Auftretens in entgegengesetzten Richtungen ausfallen (bei Anerkennung des Newtonschen Grundsatzes der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung). Von den angeführten Bedingungen wird z.B. bei der Berechnung der Träger für Brücken und Hochbau ausgiebiger Gebrauch gemacht.

Weyrauch.

Fig. 1.
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Fig. 2.
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Fig. 3.
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Fig. 4.
Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 333-334.
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